Gesellschaft der Schönen und Reichen

Von Jürgen Stratmann |
Um den Anmutigen ein Zuhause zu geben, gründete ein Däne den Online-Klub "beautifulpeople.net" als "elitäre, exklusive Gemeinschaft für ganz besondere Leute". Nach erfolgreichen Gründungen in Dänemark, Schweden, England und den USA ruft er auch hierzulande die Makellosen zusammen.
Eine der unglücklichsten Figuren der Filmgeschichte ist sicher der arme Spitzel Wobbels aus Sergio Leones Westernballade "Spiel mir das Lied vom Tod": ein viereckiger, schwitzender Mops mit teigiger Physiognomie und Sancho-Panza-Bärtchen, dessen drollige Knopfaugen auf einen hündischen Charakter schließen lassen, dem aber seine Unentschiedenheit in Garderobe-Fragen letztendlich zum Verhängnis werden soll...

Film-Auschnitt: " ... du kennst mich doch schon verdammt lange, du weißt, das du mir trauen kannst, Frank … "

" - Wobbels, soll ich einem Mann trauen, der sich´n Gürtel umschnallt und außerdem Hosenträger trägt? – raus mit dir!"

" - nein warte, ihr könnt mich doch nicht... – nein (Schüsse ) aaaargh ... "

... harte Nummer - aber mal ehrlich: Wer so rumläuft? Und außerdem: Es waren harte Zeiten.
In einer besseren Welt, in der Schönen neuen Welt des Aldous Huxley etwa würde es solche Wobbels gar nicht mehr geben. Und das Huxley den Titel seines Romans einer Strophe aus Shakespeares "Sturm" entlieh, zeigt doch, dass der Traum von einer Gesellschaft der Schönen und Reinen eine beachtliche Tradition hat. Denn schon Shakespeare träumte:

" O Wunder!
Was gibt's für herrliche Geschöpfe hier!
Wie schön der Mensch ist. Schöne, neue Welt,
Die solche Bürger trägt"

Huxleys "Brave New World", seine Vision einer Gesellschaft, in der das Altern abgeschafft, die Liebe frei und die ganze zierliche Brut durch staatlich verordneten Drogenkonsum zwar dauerbreit, aber darum glücklich ist, wird im Allgemeinen als bittere Gesellschaftskritik gelesen. Warum?, fragt der französische Skandalautor Michel Houllebecq, und lässt seinen Helden Michel Djerzinski in dem Roman "Elementarteilchen" eine völlig andere Lesart vorschlagen:

" Aldous Huxley wurde als einer der maßgeblichen Begründer der Hippie-Bewegung angesehen, er hatte schon immer für die völlige sexuelle Freiheit gekämpft und als einer der ersten für den Konsum bewußtseinserweiternder Drogen plädiert ... "

Und wenn es ihm damit ernst war, wird man ihm seine Anregungen zur Verbesserung der Volks-Attraktivität schwerlich als Satire auslegen können. Und war nicht die ganze Hippie-Community ein exklusiver Haufen strahlend schöner Blumenmädchen und -Jungs?

" Später hat die New-age Bewegung die Thematik der Hippiebewegung ausnahmslos übernommen. Aldous Huxley war in Wirklichkeit einer der einflussreichsten Denker unseres Jahrhunderts ..."

New-Age! Die ganze vegane, bauchnabelgepiercte, irgendwo-in-Asien-überwinternde und Räucherstäbchen-aromatisierte ex-Love-Parade-Gemeinde, besserverdienende Steingarten-Anleger und Massage-Kursteilnehmer, Yoga-turnende Unternehmensberater und Zen-meditierende Kreativdirektoren - alles geistige Enkel Aldous Huxleys?

Ein Gesellschaftsmodell nach dem Muster der "Brave New World" scheint aber, entgegen des Autors Prophezeiung, fürs erste nicht in Sicht. Und ein Blick auf die Wahlplakate beweist, dass körperliche Attraktivität in unserer Kultur immer noch nicht hinreichend gewürdigt wird.

Dieses Manko erkennend und um den Anmutigen eine Stimme und ein Zuhause zu geben, gründete der Däne Robert Hintze vor drei Jahren den Online-Klub "Beautifulpeople.net". Als "elitäre, exklusive Gemeinschaft für ganz besondere Leute" bezeichnet er seinen Verein, der weltweit bald eine Million Mitglieder haben soll.
Den Klub-Geist fasst der Managing Director der kürzlich gegründeten US-amerikanischen Depandance, Greg Hodge, in einem Zeitungsinterview wie folgt zusammen:

" Wir existieren schamloser Weise darum, damit Leute, die genug davon haben, Geld und Zeit damit zu verschwenden, unattraktive Leute zu treffen, nun Menschen treffen können, die sich für ästhetisch ansprechend halten. Das ist die Art Online-Community, von der du willst, dass deine Freunde es wissen, dass du dazu gehörst!"

Denn wer hinein will, muss sich zunächst als "Applicant" – was sich klanglich recht passend zwischen "Delinquent" und "Aspirant" ansiedeln lässt, mit Foto und den üblichen "mein Haus, mein Boot, mein Pferd, meine Frau"-Angaben und Details zu Gewicht, Größe und Haarfarbe bewerben, - und sich dann 72 Stunden dem "Rating" jener Auserwählten stellen, die das gnadenlose Casting bereits überstanden haben - wobei: Wählen dürfen nur Personen des "opposite sex" – also Jungen gegen die Mädchen und umgekehrt. Beurteilt wird auf einer 4-Punkte-Skala zwischen "Ja. Unbedingt" und "Auf keinen Fall" – im Gründungsland Dänemark durften von 70.000 nur 12.000 mitspielen. Aber wenn alles überstanden ist, wird sicher alles richtig super:

" Ausschnitt "Just Friends":Hey Leute, ...
High,
…ich würde euch gern jemand ganz besonderen vorstellen
Hey,..
High...
Wir freuen uns, dass wir dich kennen lernen ... "

Und aus Applikanten werden Freunde, die sich nicht nur online, sondern gern auch im richtigen Leben treffen – um zu gucken, ob die Bewerbungsfotos getürkt waren, oder um nur mal so zu quatschen..

" Ausschnitt "Just Friends": Hey, wie geht es dir...
- ach, du hast mich gerade nicht gerade an meinem besten Tag getroffen!
- ja, deine Schreibtischsachen in einer Kiste zeugen nicht gerade von einer Beförderung
- nein, aber es hat auch was gutes: ich nehm´mir ein bisschen frei und engagiere mich sozial..
- ja wirklich, wir ha´m da nämlich was bei Luis Vuitton...
- ich pfeif auf das Soziale, was habt ihr denn?
- wie wär´s wenn wir heute abend essen gehen?
- ja gern
- guuut! "

Denn es ist einfach so: lieber schön, reich und super, als arm, hässlich und schschei...

Ausschnitt: " ... Aaaha, das hört sich so sexy an ... "