Experiment Grundeinkommen
Keine Erwerbsarbeit - und trotzdem ein Jahr lang 1000 Euro im Monat? Für ein paar Menschen will der 29-jährige Berliner Michael Bohmeyer das bedingungslose Grundeinkommen möglich machen. Bewerben kann sich jeder. Bohmeyer ist überzeugt, dass es ohne ökonomischen Druck viel bessere Arbeitsergebnisse gäbe.
Michael Bohmeyer will dass sich etwas verändert. Er will die Regeln unseres Zusammenlebens neu schreiben. Er will das bedingungslose Grundeinkommen einführen.
"Was daraus für eine Gesellschaft entspringen kann, das kann man nur erahnen! Also das ist eigentlich spektakulär!"
Der 29-jähirge Berliner läuft durch seine Straße in Kreuzberg. Vorbei an einem Kindergarten. Über der Schulter trägt er seinen grünen Jutebeutel. Er winkt kurz seiner Frau zu, die weiter hinten gerade mit dem gemeinsamen Kind im Auto einparkt. Michael Bohmeyer ist glücklich, mag sein Leben und will dass es mehr Menschen so geht wie ihm:
"Also erst mal glaub ich nicht, das Geld irgendwie glücklich macht. Aber es kann vielleicht dafür sorgen, bisschen den Druck aus dem Leben rauszunehmen. Und das hab' ich eigentlich in meinem eigenen Leben schon geschafft. Vorübergehend. Weil ich ausgestiegen bin aus meiner Firma. Aber trotzdem immer noch ein paar hundert Euro im Monat davon kriege und davon gerade so irgendwie leben kann mit ein bisschen Erspartem.
Und das hat mein Leben total schön verändert! Und ich bin jetzt, glaube ich, ein glücklicherer Mensch und trage trotzdem mehr zur Gesellschaft bei. Und das würde ich gerne einer anderen Person auch noch ermöglichen."
Nach 20 Tagen waren die ersten 12.000 Euro zusammen
Michael Bohmeyer hat die Internetseite "meinGrundeinkommen.de" ins Leben gerufen. Vor ein paar Wochen hat er angefangen Geld zu sammeln, um ein paar Menschen das bedingungslose Grundeinkommen ermöglichen zu können. 1000 Euro im Monat. Einfach so. Ganz offen, was die glücklichen Empfängerinnen oder Empfänger damit anstellen.
Es soll ein Experiment werden. Das Thema fasziniert die Menschen. Nach knapp 20 Tagen waren die ersten 12.000 Euro zusammen. Dazu kommen täglich dutzende Zuschriften und Pressevertreter, die sich die Klinke in die Hand geben.
"Es ist ganz schwer, sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der bedingungsloses Grundeinkommen herrscht. Fast jedes Thema, was man diskutieren kann, lässt sich irgendwie darauf zurückführen, dass es eine gewisse ökonomische Not und eine Knappheit gibt und dass es Regeln gibt und Menschen, die diese Regeln aufstellen und durch ökonomischen Druck andere zwingen können irgendetwas zu tun.
Und dieses komplette Prinzip, wovon unsere Gesellschaft so geprägt ist, das wird mit Grundeinkommen eigentlich ausgehebelt. Weil alle Menschen auf einmal die Möglichkeit haben, Nein zu sagen."
Michael Bohmeyer ist in seiner Kreativszene hier in Berlin sozialisiert und integriert. Spaziergang am Kanal. Ein wunderbarer Vormittag.
"Im Bundestag noch nicht angekommen"
Wie genau glaubt er, wird sich die Gesellschaft verändern? Was ist mit jenen Tätigkeiten, die von den meisten Menschen nur ungern ausgeführt werden, aber dringend notwendig sind? Michael Bohmeyer glaubt nicht, dass Leute wegen des Geldes aufhören würden mit der Arbeit. Im Gegenteil:
"Darin steckt dann ein ganz großer Kreativitätsschub! Weil dann können Menschen sich überlegen, was kann ich eigentlich gut? Was will ich eigentlich? Und dann können sie viel bessere Ergebnisse erzielen, weil sie auf einmal Dinge gerne machen und nicht, weil sie durch Druck zu irgendetwas gezwungen werden, was vielleicht auch wenig sinnvoll ist."
Auf ein genaues Konzept zum bedingungslosen Grundeinkommen will er sich nicht festlegen. Dass Michael Bohmeyer mit seinen am Ende auserwählten Empfängern nicht die Welt retten kann, ist ihm bewusst. Er will Aufmerksamkeit erregen. Aus der Politik hat sich bisher nur die Piratenpartei bei ihm gemeldet und sich über sein Projekt erkundigt.
"Ich glaube, die Politik hat in Sachen Grundeinkommen noch nicht gehandelt, weil wir in Zeiten leben, in denen der ökonomische Druck bei vielen Menschen sehr groß ist und die Angst vor Arbeitsplatzverlust sehr groß ist und deswegen das Thema Arbeitsplätze und Vollbeschäftigung eigentlich seit Jahren das Hauptwahlkampfthema ist.
Alle Parteien, wirklich alle, im Bundestag reden vom Ziel Vollbeschäftigung und das macht mich gleichzeitig skeptisch, wenn es ganz viele Studien gibt, dass ja Arbeit, wie wir sie heute kennen, eigentlich ein Auslaufmodell ist. Allein wegen dem technischen Fortschritt. Das es heute einfach gar nicht mehr genug Jobs geben kann! Diese Denke ist aber so neu und sie verträgt sich aber überhaupt nicht mit diesen Angstparolen rund um Arbeitsplätze, das es im Bundestag einfach noch nicht angekommen ist."
Bewerben kann sich übrigens jeder für das monatliche Einkommen ohne Gegenleistung. Und weil das alles als Gewinnspiel deklariert wurde, ist es sogar steuerfrei!