Gesellschaft im Wandel

Vom Verstehen und Überwinden des Rassismus

54:01 Minuten
Eine Frau und ein Mann halten sich an den Händen.
Pluralität ohne rassistische Muster - davon sind wir noch weit entfernt. © Unsplash/Aarón Blanco Tejedo
Moderation: Christian Rabhansl |
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Wo fängt Rassismus an und wo hört er noch lange nicht auf? Die Autorinnen Alice Hasters und Charlotte Wiedemann sprechen mit dem Journalisten Jens Dirksen über Rassismus, deutsche Kolonialgeschichte und eine gleichberechtigte Zukunft.
Sich selbst bei rassistischen Äußerungen zu erwischen, ist kein schönes Gefühl. Festzustellen, dass man voller rassistischer Vorurteile steckt, ohne es zu bemerken, kann verstörend sein. Eine flapsige Bemerkung hier, ein Scherz da – immer auf Kosten einer Gruppe von Menschen, die man beurteilt, verurteilt oder ausgrenzt. Von Neonazis erwartet man solch ein Verhalten und ist nicht überrascht. Aber so einfach ist das nicht. Jeder von uns hat – mehr oder weniger – rassistische Vorurteile. Und es ist nicht immer einfach, die Strukturen des Rassismus in unseren Vorstellungen zu erkennen.

"Man kann sich Rassismus gar nicht entziehen"

Von Alice Hasters, 1989 in Köln geboren, erscheint am 23. September bei hanserblau das Buch "Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten", in dem sie beschreibt, was es bedeutet, als schwarze Frau in Deutschland zu leben - und warum nicht nur Skinheads mit Springerstiefeln Rassisten sein können.
Ein sehr persönliches Buch und Teil einer dringend nötigen Diskussion. Denn Rassismus sei allgenwertig, meint Alice Hasters: "Man kann sich gar nicht dem Problem Rassismus entziehen, weil unsere Gesellschaft, unsere Struktur auf einem rassistischen System aufbaut oder das implementiert hat." Von sich selbst zu behaupten, man sei kein Rassist oder keine Rassistin, sagt Hasters, reiche noch lange nicht aus: "Ich glaube, man muss das wirklich konfrontieren und wirklich daran arbeiten, diese rassistischen Muster zu entlernen."

"Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen: aber wissen sollten" von Alice Hasters
Die Autorin Alice Hasters liefert mit ihrem Buch einen dringend nötigen Teil zur Diskussion. © hanserblau
Die Frage nach "weißer Dominanz" stellt sich wiederum die Journalistin Charlotte Wiedemann in ihrem Buch "Der lange Abschied von der weißen Dominanz". Darin untersucht Wiedemann unter anderem, wie sich die Vorherrschaft der Weißen, der Deutschen und der Europäer verändert. Die Weltordnung wird immer weniger von der weißen Minderheit bestimmt:
"Ich denke, es gibt mit dem großen Umbruch, wie ich ihn empfinde, zwei Umgangsweisen. Die eine ist die, dass man an einer vergehenden Dominanz um jeden Preis festhalten will. An dem, was man vielleicht einen defensiven Rassismus nennen kann, der aber aggressiv daher kommt. Schlimmstenfalls mit so etwas wie den Massakern in Neuseeland. Dezidiert unter der Fahne von White Supremacy, also extremer weißer Dominanz. Das andere ist, dass viele Leute, und für die ist mein Buch gedacht, nach einer Orientierung suchen."

Die Gräuel der deutschen Kolonialgeschichte

Charlotte Wiedemann fragt in diesem Zusammenhang auch: Wird Europa diesen Statusverlust verkraften? Wie kann und wird eine plurale Weltordnung aussehen? Und wird es ein Leben in der Pluralität geben? Ein wichtiger Schritt für eine gleichberechtigte Zukunft sei die Anerkennung der eigenen Vergangenheit, betont sie. Kaum ein Deutscher wisse zum Beispiel um die Gräuel der Völkermorde in Afrika in der deutschen Kolonialvergangenheit.

"Der lange Abschied von der weißen Dominanz" von Charlotte Wiedemann
Die "weißer Dominanz" habe ein Ende, prognostiziert die Autorin Charlotte Wiedemann.© dtv Verlagsgesellschaft

Die Lesart präsentiert die Aufzeichnung einer Veranstaltung vom 10. September 2019 im Grillo-Theater in Essen. Auf dem Podium saßen:

Die Journalistin Alice Hasters
Die Journalistin Charlotte Wiedemann
Jens Dirksen, Kulturchef der WAZ
Moderation: Christian Rabhansl

Die Lesart aus Essen ist eine gemeinsame Veranstaltung, die von Deutschlandradio Kultur in Kooperation mit der Buchhandlung Proust, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) und dem Schauspiel Essen durchgeführt wird. Diese Essener "Lesart" wird sechs Mal pro Jahr gesendet und versteht sich als Sachbuch-Salon.
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