Gesellschaftsdrama

Verloren im digitalen Zeitalter

Der amerikanische Regisseur Jason Reitman auf der Filmpremiere seines Films "Zeitgeist" in Los Angeles.
Der amerikanische Regisseur Jason Reitman auf der Filmpremiere seines Films "Zeitgeist" in Los Angeles. © AFP / Foto: Mark Ralston
Von Hannelore Heider |
Der Sohn erfährt per Facebook von der Verlobung seiner Mutter und ein Mann guckt Pornos, während seine Frau sich mit Internetbekanntschaften trifft. In "Zeitgeist" beschreibt Jason Reitman, wie sich unser Zusammenleben durch Smartphones und Soziale Medien verändert.
Der amerikanische Originaltitel von Jason Reitmans neuem Film heißt wie die erfolgreiche Romanvorlage von Chad Kultgen "Men, Women & Children" und benennt damit präzise den Beziehungsreigen, um den es hier geht. In Austin, Texas kämpfen in sieben Familien Männer, Frauen und Kinder um ihr ganz persönliches Glück. Dafür braucht es Kommunikation und die ist heutzutage ohne Internet, Smartphones und Social Media nicht mehr denkbar. Um genau diese Abhängigkeit geht es Jason Reitman, insofern ist der deutsche Filmtitel "Zeitgeist" zwar nicht reizvoller, aber er trifft das Thema, mit dem uns der amerikanische Regisseur in Filmen wie "Juno" oder "Up in the Air" so bewegte.
Familienneuigkeiten über Facebook
Da ist ein Ehepaar (Adam Sandler und Rosemarie DeWitt), das sich im Internet neue erotische Höhenflüge verschafft. Getrennt. Er guckt Pornos, sie trifft sich mit Internetbekanntschaften.
Der introvertierte Tim (Ansel Elgort) lebt mit seinem Vater allein. Als er über Facebook erfährt, dass sich seine Mutter verlobt hat und wieder heiraten wird, fragt er sich, wie und ob überhaupt er das seinem Vater beibringen soll. Frustriert flüchtet er sich in die Welt digitaler Rollenspiele, in die immerhin Brandy (Kaitlyn Dever) einbrechen kann, deren Kommunikation von der kontrollsüchtigen Mutter (Jennifer Garner) streng überwacht wird.
Eine andere Mutter (Judy Greer) scheint mit einer Website die Möglichkeit gefunden zu haben, eine zukünftige Hollywoodkarriere ihrer Tochter anzukurbeln und muss erfahren, dass allzu freizügige Fotos dem Ganzen letztlich sogar hinderlich sind.
Unerfüllte Hoffnungen
Jason Reitman hat ein Spektrum von Beziehungen aufgemacht, in denen sich die Hoffnungen von ganz normalen Menschen verschiedener Generationen nicht erfüllen. Das ist tragisch und komisch, weil wir es ja eigentlich alle wissen: Der Zwang zur unablässigen Kommunikation macht uns nicht reicher, Verbote können umgangen werden, sobald es ausgesprochen ist, oberflächliche Reize lenken ab, erfüllen aber nicht und gefährlich kann es werden, wenn junge Leute sich außerhalb der Erfahrungswelt ihrer Eltern Vorbilder suchen.
Das ist alles nicht neu und wirkt mit der gezielten Vielfältigkeit auch ein bisschen didaktisch, aber die durchweg guten Schauspieler machen daraus eine lebendige Beschreibung dessen, was man auch "Zeitgeist" nennen kann.

"Zeitgeist"
USA 2014
Regie: Jason Reitman
Darsteller: Adam Sandler, Rosemarie DeWitt, Jennifer Garner, Judy Greer, Ansel Elgort, Kaitlyn Dever, Emma Thompson
120 Minuten, ab 12 Jahren