Gesetzesentwurf

Die falsche Antwort auf Doping

Fußball Regionalliga West 18.Spieltag: SSVg Velbert 02 - Rot-Weiß Oberhausen am 30.11.2013 in der Christopeit Arena in Velbert 2 Mitarbeiter von der Doping Kontrolle waren vor Ort.
Der Profifußball sieht sich mit Dopingvorwürfen konfrontiert. © dpa / picture-alliance / Revierfoto
Von Nils Zurawski · 26.03.2015
Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes verabschiedet. Dopenden Sportlern droht nicht nur eine Sperre, sondern auch Gefängnis. Doch sie ganz allein an den Pranger zu stellen und zu kriminalisieren, sei der falsche Weg, meint der Soziologe Nils Zurawski.
Fußball-WM, Tour de France, Olympia - weltweit wird live übertragen, wenn sich die besten Sportler in ihrer Disziplin messen. Vorbilder sind sie, Stars, Lichtgestalten. Einmal dabei zu sein! Welche Sportler zählen das nicht zum großen Lebenstraum, für den sie alles opfern würden, oftmals wohl auch ihre Gesundheit.
Das Publikum ist begeistert vom Wettkampf um Tore, Siege und Weltrekorde. Die einzige Voraussetzung ist: Sauber muss es zugehen. Werden sie also beim Doping erwischt werden, dann ist es aus mit der Sympathie. Über sie wird geurteilt, als hätten sie eine der verwerflichsten Taten begangen.
Und genau das würden sie auch getan haben, wenn sich die Bundesregierung mit dem Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes durchsetzt. Er macht aus einem sportlichen Regelverstoß einen Straftatbestand.
Bisher liegt es in den Händen der Sportverbände, Doping-Sünden mit Wettkampfsperren zu ahnden. Überführte Sportler verlieren möglicherweise ihre Sponsorenverträge, in besonders schlimmen und dreisten Fällen müssen sie Gelder zurückzahlen - das ist aber eher selten. Der Staatsanwalt dagegen hält sich weitgehend zurück. Und das soll jetzt anders werden.
Doch wäre eine gesetzliche Strafverfolgung wirklich gerechtfertigt? Doping ist die unerlaubte Leistungssteigerung - so eine sehr einfache Definition. Aber warum unerlaubt? Gerade der Hochleistungssport rechtfertigt sich durch permanente Leistungssteigerung, ohne die es keine Siege, keine Erfolge und keine Begeisterung gäbe?
Aber, würde mir jetzt entgegnet werden: unerlaubt solle heißen, die persönliche, die natürliche Leistung dürfe nicht von außen beeinflusst werden - durch Präparate aus der Apotheke eben. Aber warum sind im Gegensatz dazu ausgefeilte technische Hilfen erlaubt, beispielsweise Hightech-Schuhe, vielfach verfeinerte Skier und ausgeklügelte Fahrräder? Und wie sind die modernen, wissenschaftlich getesteten Trainingsmethoden einzuordnen, wie eine taktische medizinische Betreuung?
Oder fragen wir, wie sich die finanziellen Mittel auswirken, die Sportlern in unterschiedlichem Ausmaß zur Verfügung stehen. Hätte ein nicht geförderter Athlet wirklich die gleiche Chance, einen Wettbewerb zu gewinnen, wie ein vielfach umsorgter Konkurrent - allein kraft seiner natürlichen, ganz persönlichen Leistung?
Es geht um Regeln des Sports
Nein, das Argument der Natürlichkeit zieht nicht. Es geht schlicht um Regeln des Sports. Sie erlauben gezielte Hilfe durch Techniker, Trainer, Ärzte und Sponsoren, nicht aber ein pharmazeutisches Doping. Die Fans, vielleicht auch die gesamte Gesellschaft, erwarten von den Verbänden, dass sie einen fairen Wettbewerb garantieren, dass sie glaubwürdig kontrollieren, Verstöße aufdecken und sie ahnden.
Sportregeln sind jedoch kein allgemein gesellschaftliches Rechtsgut, welches durch das Strafgesetzbuch geschützt werden müsste. Den Tatbestand des Betruges gibt es ja bereits, auch den der Bildung einer kriminellen Vereinigung, im Umweltrecht sogar den der Geschäftsführerhaftung.
Aber soweit möchten weder Sportfunktionäre noch Bundesregierung denken. Den gedopten Sportler zu kriminalisieren, ja ihn ganz allein an den Pranger zu stellen, scheint mir der falsche Weg zu sein, dem Problem Herr zu werden. Zumal das System der Dopingkontrollen in vielen Aspekten unzulänglich und voller Widersprüche ist.
Was nützt es der Allgemeinheit, jemanden, der sich körperlich selbst beschädigt, allein deswegen zu verurteilen, weil er dadurch Regeln eines Sportes gebrochen hat. In der Arbeitswelt, im Bildungssystem, in der Freizeit ist es nicht weniger üblich und schädlich, sich mit Medikamenten, Drogen und Alkohol aufzuputschen. Strafrechtlich verboten ist dies nur im Straßenverkehr - und überall dort, wo andere Personen einen körperlichen Schaden erleiden könnten.
Sportler zu kriminalisieren, würde letztlich bedeuten, nicht verstanden zu haben, unter welchen Bedingungen professioneller Hochleistungssport heute stattfindet.
Nils Zurawski, geboren 1968, arbeitet als Wissenschaftler am Institut für kriminologische Sozialforschung der Universität Hamburg. In seiner aktuellen Forschung beschäftigt er sich mit Dopingkontrollen aus der Sicht von AthletInnen. 2013 habilitierte er sich mit einer Arbeit zu Raumwahrnehmung, Überwachung und Weltbildern. Er bloggt unter www.surveillance-studies.org
Der Sozialforscher Nils Zurawski
Der Sozialforscher Nils Zurawski© Saskia Blatakes
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