Gesetzliche Krankenkassen offen für weitere Reform der Arzt-Honorare

Johann-Magnus von Stackelberg im Gespräch mit Jörg Degenhardt |
Vor einem Treffen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben sich die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) aufgeschlossen für Wünsche der Ärzte nach einer Reform ihrer Honorarordnung gezeigt. Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorsitzender des GKV-Spitzenverbands, sagte, bei der Verteilung der Honorare seien die Krankenkassen offen gegenüber den Vorstellungen der Ärzte.
Jörg Degenhardt: Gehen Deutschlands Ärzte finanziell bald am Stock? Fachärzte in Süd-, West- und Norddeutschland klagen jedenfalls über heftige Einkommensverluste. Andere Damen und Herren in weiß zeigen sich zufriedener. Die Lage ist unübersichtlich, aber Fakt ist: Das Durchschnittseinkommen der Ärzte ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich um ein Fünftel gestiegen. Allerdings haben nach der jüngsten Honorarreform nicht alle in gleicher Weise etwas davon. Mancher, der sich zu kurz gekommen fühlt, verlangt von Kassenpatienten Vorkasse, obwohl das nicht erlaubt ist. Längst hat der Verteilungskampf der Mediziner die Politik erreicht. Die CSU protestiert besonders lautstark gegen die Honorarreform. Heute will die Kassenärztliche Bundesvereinigung schauen, was im Sinne der Ärzte noch neu geordnet werden kann. Dazu braucht sie die gesetzlichen Krankenkassen. Deren Verhandlungsführer, Johann-Magnus von Stackelberg, habe ich gefragt, ob er den Ärzten heute entgegenkommen wird.

Johann-Magnus von Stackelberg: Wir werden über Spezialprobleme der Verteilung reden und hier werden sich die Krankenkassen gegenüber den Vorstellungen der Ärzte offen zeigen. Es geht darum, dass wir die Leistungen noch besser steuern als bisher, und die Ärzte haben ein Konzept vorgelegt, wie man ab Januar eine Umstellung der Steuerung von einzelnen Ärzten auf Arztgruppen macht. Hier werden wir uns offen zeigen. Das führt im Endeffekt dazu, dass nach heutiger Lesart sehr hohe Rückstellungen von den Kassenärztlichen Vereinigungen, also die Vereinigungen, die die Kassenärzte und Vertragsärzte auf Landesebene organisieren, gebildet werden und zukünftig wird das weniger werden, es wird sofort mehr ausgezahlt werden. Das ist eine auch für die Kassen sehr unterstützenswerte Aktion.

Degenhardt: Ich habe die CSU erwähnt, die sich ja in diesen Tagen besonders stark macht für die Ärzteschaft, und aus Bayern kommt auch die Klage, die mittelmäßigen Ärzte würden auf Kosten der Spezialisten gewinnen, dank dieser Honorarreform. Ist da was dran, also muss da auch korrigiert werden?

von Stackelberg: Dieser Vorwurf wird wohl zurückgeführt auf die Regelleistungsvolumina. Das ist eine besondere Form der Steuerung, die wir gewählt haben. Hier muss man sagen, dass schon heute Praxisbesonderheiten von spezialisierten Ärzten auf jeden Fall berücksichtigt werden können. Hier sind im Übrigen auch die Kassenärztlichen Vereinigungen im speziellen gefordert, wenn es Versorgungsprobleme vor Ort geben sollte. Wir unterstützen jeden Vorschlag, der zu einer stärkeren, vor allem qualitätsorientierten Vergütung führen kann.

Degenhardt: Klar ist doch aber auch, dass es jetzt bei den vorzunehmenden Korrekturen nicht darum gehen kann, dass mehr Geld ins System kommt.

von Stackelberg: Das ist richtig. Wir haben im Vergleich zu 2007, im Zwei-Jahres-Vergleich, weitaus mehr als drei Milliarden, die neuesten Berechnungen sagen 3,6 Milliarden, mehr Geld ins System geleitet. Das halten wir für vollkommen ausreichend. Die Klagen der Ärzte im Süden sind im Übrigen auf eine spezielle Situation zurückzuführen. Wir haben nicht nur mehr Geld hereingeleitet, sondern es ist gleichzeitig ein einheitlicher Preis in ganz Deutschland für ärztliche Leistungen vereinbart worden. Hier sind die süddeutschen Ärzte, vor allen Dingen die Ärzte in Baden-Württemberg und Bayern, von einem sehr hohen Niveau gekommen und insofern sind die meisten Gelder in den Osten Deutschlands geflossen. Trotzdem: Die Idee eines einheitlichen Preises, die die Ärzte selber mit der Politik zusammen entwickelt haben, ist eine nicht derart abwegige Idee. Wir als Krankenkassen waren an der Entwicklung zwar nicht beteiligt, aber die Idee, dass man für dieselbe Leistung den gleichen Preis bekommt, ist durchaus unterstützenswert.

Degenhardt: Ist jetzt Transparenz das, sage ich mal, große Zauberwort? Also ist es richtig, die Honorare aller Arztgruppen quartalsweise zu veröffentlichen und dann zu gucken, wo die Probleme liegen? Das ist ja der Vorschlag der Bundesgesundheitsministerin.

von Stackelberg: Die Ministerin hat wohl in ihren Diskussionen, die sie in vielfältiger Weise in letzter Zeit durchführt, gemerkt, dass einzelne Ärzte selber auf die Frage hin, was sie denn eigentlich konkret verdienen, nicht speziell antworten können. Hier könnte es helfen - Transparenz ist ja ein Stichwort, was durchaus immer hilft -, hier Transparenz reinzuschaffen und reinzulegen. Es wird nicht die Probleme lösen, aber es wird zumindest zu einer hoffentlich dann sachlicheren Diskussion führen können.

Degenhardt: Noch mal zum Geld. Verspielen die Ärzte – wohl gemerkt nicht alle Ärzte – gerade vielleicht auch ein bisschen ihren guten Ruf, wenn sie mehr Geld fordern, wenn sie Vorkasse verlangen? Ich habe es in der Eingangsmoderation gesagt. Gerade in Krisenzeiten wie diesen dürfte das bei den Bürgern doch nicht so gut ankommen.

von Stackelberg: Ja, eindeutig und hier ist es erfreulich, dass auch die Spitze der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, also die Spitze der Verhandlungsführer auf Bundesebene, hier auch eindeutig Position bezogen hat, genauso wie Politik und Krankenkassen, und eindeutig gesagt hat, Vorkasse über der Praxisgebühr hinaus, die ja gesetzlich vorgesehen ist, einmal im Quartal zehn Euro, alles darüber hinaus ist gesetzeswidrig. Diese Ärzte verlassen letztlich die Grundlagen, die sie in den Verträgen mit den Krankenkassen geschlossen haben. Das ist gesetzes- und vertragswidrig. Hier haben wir auch auf Bundesebene unsere Krankenkassen aufgefordert, das ist ein derart schwerwiegender Eingriff, dass wir aufgefordert haben, direkt Anträge zu stellen, die Zulassung dieser Ärzte von der Versorgung der GKV-Patienten zurückziehen zu lassen. Das ist zum Beispiel in Schleswig-Holstein geschehen. Das ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Pflichten von Vertragsärzten. Da darf es kein Pardon geben.

Degenhardt: Im erbitterten Streit um die Ärztehonorare war das Johann-Magnus von Stackelberg, Vizechef des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen. Vielen Dank für das Gespräch.

von Stackelberg: Ich danke Ihnen.


Das Interview mit Johann-Magnus von Stackelberg können Sie mindestens bis zum 30. August 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio