US-Aktivistinnen fordern Komplettverbot
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Durch Gesichtserkennung könnten wir in Zukunft auf Schritt und Tritt überwacht werden – oder andere überwachen: Entsprechende Dienste lassen sich bereits heute ganz legal buchen. Aktivistinnen in den USA fordern deshalb jetzt ein Verbot des Verfahrens.
Einmal in die Kamera schauen, sagt der Beamte von der Einwanderungsbehörde, nachdem ein grün leuchtendes Gerät schon meine Fingerabdrücke abgenommen hat.
Jedes Mal dieselbe Prozedur, wenn ich in die USA einreise. Was mit dem Bild passiert, ob es mit früheren Bildern abgeglichen wird, ob es in einer Datenbank landet und wie lange es dort gespeichert wird, wer alles Zugriff darauf hat, weiß ich nicht.
Ein lückenloses Überwachungsnetz droht
Am Taxi in die Stadt klebt ein Aufkleber: Alle Fahrgäste werden gefilmt. In der Stadt angekommen, gibt es gar kein Entrinnen mehr. Allein im südlichen Manhattan soll die Polizei Zugriff auf mehr als 9000 Kameras haben. Noch soll aber keine Gesichtserkennungssoftware die Aufnahmen auswerten.
"Wenn wir diesen Kameras ermöglichen würden, Leute direkt zu identifizieren, dann hätten wir ein lückenloses Überwachungsnetz, das quasi sofort aktiviert werden könnte. Wir könnten schon morgen in einer Science-Fiction-Gesellschaft leben", sagt Tracy Rosenberg. Sie ist Direktorin der Media Alliance, eine Organisation in Kalifornien, die sich für Privatsphäre und gegen Überwachung einsetzt. Das Szenario, das sie beschreibt, ist nicht rein hypothetisch. Gesichtserkennungstechnik wird eingesetzt. Nur wissen wir nicht immer, wo – und das ist für sie ein Problem.
"Man kann es vielleicht sehen, wenn in einem Laden eine Kamera hängt. Ob diese Kamera einen identifiziert oder nicht, weiß man nicht unbedingt. Und dieses Unternehmen könnte die Aufnahmen für lange Zeit speichern oder an andere Institutionen weitergeben. Da kann man sicherlich nicht mehr von vollkommen bewusstem Einverständnis des Kunden reden."
Jeder kann legal einen Gesichtserkennungsdienst buchen
Wie leicht sich Gesichtserkennungstechnik missbrauchen lässt, hat vor Kurzem die "New York Times" gezeigt. Deren Redakteur Sahil Chinoy hat den Videostream einer öffentlich abrufbaren Webcam in Manhattan abgegriffen. Er hat mir davon erzählt, als ich mich mit ihm im Regen vor der Webcam getroffen habe, am Bryant Park zwischen Grand Central Station und dem Times Square.
Gleichzeitig habe er die Websites von Firmen besucht, die in der Nähe Büros haben und dort Namen und Fotos von Mitarbeitern gefunden.
Dann haben die Journalisten einen Gesichtserkennungdienst von Amazon gebucht und die Fotos mit den Aufnahmen der Webcam abgleichen lassen. Tatsächlich konnten sie einen Mann ausfindig machen, der in dem Video zu sehen war. Sahil Chinoy ist überrascht, wie einfach das war – ohne Zugriff auf Behördendaten oder Behördenkameras.
Es habe nur eine halbe Woche Zeit und 60 Dollar gekostet. Und: Es war legal. Deshalb fordert Tracy Rosenberg zusammen mit Aktivistinnen und Aktivisten von mehr als 30 zivilgesellschaftlichen Organisationen in den USA ein landesweites Verbot von Gesichtserkennungstechnik.
"Unsere Gesellschaft ist auf diese Technik komplett unvorbereitet. Die Technik ist unseren Gesetzen und der Politik und dem gesellschaftlichen Konsens weit voraus, und so können wir im Moment nicht weitermachen. Und wir sollten ernsthaft darüber nachdenken, ob wir jemals damit weitermachen sollten."
Sie zweifelt also daran, dass Gesichtserkennungstechnik überhaupt so reguliert werden kann, dass sie sicher und sinnvoll eingesetzt werden kann.
Hohe Fehlerrate bei People of Color
An ihrer Seite steht Cayden Mak von der Organisation 18 Million Rising, die sich für die Belange asiatischer Amerikaner einsetzt.
"Es gibt viele Berichte von Schwarzen, aber auch Asiaten, die asiatische Kollegen haben, die mit deren Gesicht ihr iPhone entsperren können. Die Fehlerrate ist bei People of Color sehr hoch. Und allein das sollte uns schon zum Nachdenken bringen, dass diese Algorithmen selbst schon voreingenommen sind."
Das könne das Leben von Menschen direkt beeinflussen, sagt Mak. Wenn Gesichtserkennung beispielsweise bei Bodycams eingesetzt wird, die Polizisten am Körper tragen. Bei einer hohen Fehlerrate, insbesondere bei Minderheiten, könnte das dazu führen, dass diese Menschen besonders oft falsch verdächtigt werden, weil die Software glaubt, sie in einer Fahndungsdatenbank wiedererkannt zu haben.
Drei Städte haben Gesichtserkennung bereits verboten
Im vergangenen Jahr haben Bürgerrechtsaktivisten Fotos von Kongressabgeordneten mit einer Verbrecherkartei abgeglichen. Die Gesichtserkennungssoftware glaubte mit 80-prozentiger Sicherheit, 28 Abgeordnete darin wiederzuerkennen – besonders oft schwarze Abgeordnete. Vielleicht hat es das Thema auch deshalb inzwischen auf die politische Agenda geschafft.
"Drei Städte haben schon auf lokaler Ebene Gesichtserkennung für die Strafverfolgung verboten: San Francisco, meine Heimatstadt Oakland und Somerville in Massachusetts. Wir wollen, dass auch andere Städte ein Verbot aussprechen, weil diese Art von Regulierung auf Bundesebene durchzusetzen sehr schwierig sein kann."
Unternehmen und Privatpersonen jegliche Form von Gesichtserkennung zu verbieten dürfte dementsprechend noch schwieriger durchzusetzen sein.