Schutz vor dem fliegenden Puck
04:46 Minuten
Eine Maske verspricht Schutz. In vielen Lebenslagen – so auch im Sport, wo sie im Hockey, Lacrosse oder beim Fechten zur Ausrüstung gehört. Besonders schnell machte sie Karriere im Eishockey.
Kein Torwart im Eishockey spielt heute ohne die aufwendige Schutzmaske. Die meisten legen dabei großen Wert auf die individuelle Gestaltung. Dass kein Torhüter darauf verzichten will und auch darf, ist nur verständlich: Bis zu 170 Kilometer pro Stunde erreicht ein Puck, wenn er per Schlagschuss von einem Crack beschleunigt wird. Wer will da schon im Weg stehen, es sei denn, er ist Torhüter und bestens geschützt?
Dabei war es lange Zeit gar nicht selbstverständlich, mit dem Gesichtsschutz aufs Eis zu gehen. Eingeführt hat ihn der Kanadier Jacques Plante, der für die Montreal Canadians spielte. Im Training trug er eine Maske – aber nicht im Spiel.
Nur noch mit Maske
Das änderte sich am 2. November 1959, als er im Spiel gegen die New York Rangers im Madison Square Garden schon in der 4. Spielminute von einem Puck getroffen wurde und vom Feld musste. Eine Wunde zog sich vom Mundwinkel bis zur Nase. Der Sportreporter Stan Fischler erinnert sich: "Ich sah, wie Plante sich in einer Pfütze von Blut auf dem Eis zusammenkrümmte. Es war nicht zu übersehen, dass es ernst war. Man eskortierte ihn in die Kabine, er zog eine Blutspur hinter sich her."
Plante kam mit vernähter Wunde zurück aufs Feld und spielte mit seiner obskur anmutenden Trainingsmaske weiter. Noch in der Nacht traf er die Entscheidung, nie wieder ohne Maske aufzulaufen. Seinem Coach, der die Maske nicht mochte, sagte er am anderen Tag beim Training: "Ich werde nicht spielen, wenn ich die Maske nicht trage."
Es war die Nacht, die das Eishockey für immer veränderte - der Beginn einer Revolution. Denn dank Maske konnten Torhüter nun auch tiefer in die Knie gehen und zur Not Schüsse mit der Maske abwehren. Die Zahl der Gegentreffer sank. Das blieb auch anderen Keepern nicht verborgen, die Plante nacheiferten.
Aus tschechischer Produktion
Schnell kam die Maske von Kanada nach Europa. Pioniere dort waren nicht die Skandinavier, sondern die Tschechen und ein Torhüter aus der Lausitz: Klaus Hirche. Die Maske sah er erstmals bei einem kanadischen Kollegen bei der WM 1961. Auch die Tschechen hatten großes Interesse, also tat man sich zusammen, erklärt Hirche:
"Sie müssen ihren eigenen Torwart auch damit ausrüsten. Sie haben dort der Sportindustrie das Signal gegeben, sich Masken zu bauen. So, und im sozialistischen Lager war das allgemein üblich, dass man sich da ausgetauscht hat. Als wir hörten, dass dort Masken gebaut werden, wollten wir auch welche haben. Da hat unsere Sportführung Verbindung aufgenommen. Dann haben wir den Auftrag gekriegt, hier in Weißwasser, also in dem Heimatort jeweils, zum Zahnarzt zu gehen und einen Gipsabdruck von Gesicht machen zu lassen."
Hirche ist nicht irgendein Goalie. Er war Nationaltorhüter der DDR und gewann mit Weißwasser elfmal die DDR-Meisterschaft. Seinen Beinamen hat er wegen der Farbe seiner Maske: die schwarze Maske. Für ihn war der Schutz ein enormer Fortschritt, unverwundbar machte er aber noch lange nicht:
"Ein Schuss, den man an den Kopf bekam, der wurde auf eine größere Fläche verteilt. Es gab nicht mehr so Schnittwunden, Platzwunden. Nasenbeinbrüche konnte man trotzdem nicht verhindern. Also, ich hatte vorher Nasenbeinbrüche und hatte auch mit der Maske dann noch zwei."
Pioniere aus Ost und West
Hirches Maske ist heute im Trophäenschrank von Weißwasser zu besichtigen. Sein Pendant im Westen war der Füssener Torhüter Günther Knauss. Auch dessen Maske aus dem Jahr 1963 ist im Vereinsmuseum zu sehen, wie Füssens Sportchef Thomas Zellhuber stolz erklärt:
"Die wurde noch damals direkt auf der Haut getragen, es war eigentlich nur eine Schicht über der Haut. Die war von Günter Knauss, seines Zeichens Nationaltorhüter, der uns die zur Verfügung gestellt und aus seiner Sammlung rausgeholt hat. Finde ich super, denn daneben sieht man die Originalmaske, wie sie heute getragen wird. Das sind einfach Welten. Wenn man den Schutz damals zu heute sieht. Obwohl ich damals Torwart war, ich würde mich mit dem nicht ins Tor stellen."
Wer nun wirklich zuerst in Europa mit Maske aufs Eis gegangen ist, das lässt sich nur schwer ermitteln. Sicher ist: Die beiden Nationaltorhüter aus Ost- und Westdeutschland waren Pioniere, die nichts auf einen falschen Heldenstatus gaben. Heute pflegen Torhüter ihre modernen Masken, manche verzieren sie wie einst mittelalterlicher Turnierritter ihren Schild mit Symbolen.