Gespannte Erwartungen

Von Christina Nagel |
In Baku herrscht seit Monaten aufgeregte Betriebsamkeit. Überall wird gebaut, verschönert und erweitert. Eine halbe Milliarde Euro sollen die Gesamtkosten der Vorbereitungen betragen, geht aus Schätzungen hervor. Nicht alle unterstützen daher die Proteste.
Keine Ecke in Baku, in der nicht gehämmert, gesägt und gebohrt wird. Die Flughafengebäude werden komplett renoviert, neue Hotels hochgezogen, Straßen verbreitert, die Promenade am Ufer des Kaspisches Meeres verlängert - in Richtung Kristallhalle, dem extra für den ESC neu geschaffenen Veranstaltungsort.

"Alles wird sehr schön werden. Das garantiere ich Ihnen. Besser als bei allen Eurovisions-Veranstaltungen vorher. Weil wir das lieben! Wir zeigen nur das Beste. Das ist eine nationale Eigenheit. Die Aserbaidschaner reden nicht über ihre Probleme, sondern zeigen nur das Gute …"

... meint die Journalistin Samira, die der pompösen, von der Regierung massiv unterstützten Glitzer-Show in ihrer Heimatstadt eigentlich skeptisch gegenübersteht. Aber auch sie ist eben stolz auf ihre Heimatstadt, die quirlige Metropole, die vor allem durch ihre Kontraste besticht.

Eine Altstadt mit Weltkulturerbe-Titel, die nicht Museum, sondern lebendiges Stadtviertel geblieben ist. Gläserne Wolkenkratzer neben traditionellen Moscheen und aufwendig restaurierten klassizistischen Gebäuden. Östliche Ornamente neben Jugendstil. Designer-Boutiquen neben kleinen Kramläden.

Und natürlich die Promenade. Hier wird in den Abendstunden unter freiem Himmel getanzt, flaniert und Tee getrunken. Sehen und gesehen werden ist hier genauso wichtig wie in einem der aktuellen Hotspots des nächtlichen Bakus. Die Bar 360 liegt im 25. Stock eines Hotels. Der Name sei Programm, sagt Bar-Managerin Khubnaz Nagijewa lächelnd. Die Bar dreht sich langsam um sich selbst.

"Im Laufe einer Stunde machen Sie eine Runde. Sie sehen so alle Sehenswürdigkeiten unserer Stadt."

Für besondere Gäste wird hier auch schon mal ein eigener Cocktail kreiert. Für den Eurovision Song Contest selbstredend auch. Die Rezepturen sind allerdings noch geheim. Die Nacht zum Tage zu machen, sei in Baku auch ohne den Eurovision Song Contest kein Problem, meint Hüsnije Maharramowa vom Organisationskomitee euphorisch. Es gebe reihenweise Clubs für so ziemlich jeden Musikgeschmack und natürlich hervorragende Restaurants ...

"Der Song Contest bietet uns die Chance, endlich einmal alles zu zeigen, was wir haben. Egal, ob jemand im Land unterwegs ist oder nur in der Stadt, es gibt unglaublich viel zu sehen."

Die junge Organisatorin, die in Düsseldorf, Oslo und Moskau dabei war, verspricht eine große Party. Für alle. Egal, ob arm oder reich, homo- oder heterosexuell, aus West oder Ost. Nur eines mache sie betroffen. Dass Leute im eigenen Land den Wettbewerb für ihre Zwecke missbrauchten. Und für so viel negative Schlagzeilen sorgten:

"Das ist ein Lieder-Wettbewerb! Und mir scheint, dass es Leute gibt, die ihn ausnutzen. Sie wollen den Wettbewerb für ihre Zwecke missbrauchen. Die Leute kommen doch zu ihrem Vergnügen hierher. Wenn ich zum Contest irgendwohin fahre, ist das für mich als kreativer Mensch ein Musikfestival! Das mit Politik zu vermischen, wo es doch überall Probleme gibt, ist nicht richtig."

Eine Haltung, die die politische Führung in Aserbaidschan teilt. Sie spricht von Schmutzkampagnen westlicher Journalisten. Die nichts anderes wollten, als das Land und einen perfekt inszenierten ESC schlecht zu reden.
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