Ljudmila Ulitzkaja zur Lage in Russland

"Das russische Volk ist sehr duldsam"

12:54 Minuten
Ljudmila Ulitzkaja liest auf einer Bühne einen Text von einem Blatt Papier ab.
Die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja hat sich wiederholt deutlich gegen Präsident Putin gewandt. © imago / ITAR-TASS / Sergei Savostyanov
Ljudmila Ulitzkaja im Gespräch mit Vladimir Balzer |
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Die Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja war viele Jahre lang in der Opposition zu Präsident Putin engagiert. Vor kurzem ist sie nach Deutschland ins Exil gezogen. Sie sagt, sie habe wenig Hoffnung auf baldige Veränderungen in Russland.
Als Russland 2014 die Krim annektierte und anfing, prorussische Milizen in den ukrainischen Oblasten Donezk und Luhansk aufzubauen, gehörte Ljudmila Ulitzkaja zu den schärfsten Kritikerinnen von Präsident Putin. Damals wie heute, beim aktuellen Angriff auf die Ukraine, ließ sie es an deutlichen Worten nicht fehlen und sprach von Schande und Verbrechen.
Seit Kurzem lebt die Schriftstellerin in ihrem deutschen Exil in Berlin. Auch die meisten ihrer Freunde haben Russland verlassen. Sie wisse nicht, wie lange sie bleiben werde, und fürchtet, dass der Krieg noch lange dauern wird. Es sei eine unsichere Zeit mit wenig Hoffnung.

Hoffen auf einen Wandel ohne Blutvergießen

"In meinem Tagebuch steht am ersten Kriegstag, 24. Februar 2022: Heute haben wir eine Grenze überschritten. Jetzt beginnt ein anderes Leben, ein Leben, das sich in jeder Hinsicht von den vorhergehenden unterscheiden wird", sagt Ulitzkaja.
Putins einziges Ziel sei, Präsident bis an sein Lebensende zu bleiben, und die Russen seien sehr duldsam.

Das russische Volk hat nur einmal einen politischen Umsturz erlebt: bei den Kommunisten. Ansonsten wurde alles ausgehalten und geduldet, Hunger, Zwangskollektivierung, die schlechte Versorgung zu Sowjetzeiten. Die Russen sind nicht gerade sehr freiheitsliebend. Einen gewaltsamen Umsturz wird es nicht geben.

Ljudmila Ulitzkaja, Autorin

Man müsse vielmehr auf einen Wandel ohne Blutvergießen hoffen. "Der einzige Weg ist die langsame Demokratisierung. Aber auch danach sieht es im Moment nicht aus."

Die Ohnmacht der Literatur

Die Literatur könne dabei wenig ausrichten und die Macht der Worte werde überschätzt, so die Autorin. "Literatur hilft nur, die Vergangenheit zu verstehen. Was wir jetzt brauchen, sind Beobachter, freie Medien." Doch die Zensur verhindere genau das.
Die politische Rhetorik im Land wolle die Menschen manipulieren, so wie es Orwell in "1984" beschrieben hat. "Der Krieg ist ein Verbrechen gegen unsere menschliche Existenz. Und wenn wir überleben wollen, dann müssen Kriege beendet werden."
(rja)

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