Gesteigertes Unterhaltungsbedürfnis
Die Pariser Opéra bringt zum Auftakt der Jubiläen des Komponisten Christoph Willibald Gluck eine optisch spektakuläre "Alceste". Kreidezeichner kreieren wechselnde Bildelemente auf der Bühne - es ist viel los rund um die Mezzo-Sängerin Sophie Koch, die die Hauptfigur vorzüglich verkörpert.
Fern gerückt ist unserer Gegenwart der Opfergedanke, den die königliche Titelheldin aus Pherä, dem prähistorischen Thessalien, zum Entsetzen von Familie und Volk in die Tat umsetzt. "Alceste", die als "drame larmoyant" das Publikum im späten 18. Jahrhundert zu Tränen rührte, lässt sich heute auf stimmige Weise kaum "aktualisieren" und wäre zum Beispiel als Erzählung einer Geschichte von Organspende ganz unzulänglich transponiert.
Olivier Py, derzeit der tonangebende französische Opernregisseur, erwies der Musik in hohem Maß Referenz und ließ sie - mit Hilfe von klassizistischem Rampentheater - ihre milden und elegischen Wirkungen entfalten: Die übertriebenen Gesten, die der frühe Stummfilm vom Musiktheater ererbte, kehrten mit emphatischem Ernst wieder und würden im Sprechtheater wie im Kino mit dröhnendem Gelächter quittiert – dem Opernpublikum scheinen sie unverdrossen zumutbar (was eine Menge über dessen Bewusstseinsstand aussagt). Gleichzeitig sorgte Py für permanente Geschäftigkeit auf der Bühne, als vertraue er der tragenden Wirkung dieser Musik doch nicht so recht.
Der Ausstatter Pierre-André Weitz hatte dem Nacht- und Schattenstück eine Bildwelt ganz in Schwarz-Weiß zugedacht, und ein Konzept der mobilen Entstehung der wechselnden Bildelemente: Fünf Maler, wahre Virtuosen ihres Metiers, beschäftigen sich von Anfang bis Ende damit, durch Kreidezeichnungen auf großen schwarzen Flächen die Handlung und deren Historizität (mitsamt der des Gluck‘schen Musiktheaters) durch feine Lineaturen zu kommentieren. Den Anfang macht ein großes Tableau mit dem Aufführungsort – das Palais Garnier entsteht, gesehen vom Boulevard de Capucines aus. Mitsamt den Kunstheiligenfiguren an der Fassade, in einer Geschwindigkeit, die dem Tonsatz zunächst gänzlich abgeht. Auch ein historisches Hafen-Ensemble entsteht vor den Augen der Zuschauer, als Chiffre für die "Überfahrt" zum Hades, ein Wald, ein Totenkopf, ein apokalyptischer Reiter – und indem die Kreide auch immer wieder ausgewischt wird, eine feine Nuancierung von Grautönen. Die grundieren die dekorativen mobilen Treppengebilde, die sich zum Krankenbett gesellen.
Olivier Py, derzeit der tonangebende französische Opernregisseur, erwies der Musik in hohem Maß Referenz und ließ sie - mit Hilfe von klassizistischem Rampentheater - ihre milden und elegischen Wirkungen entfalten: Die übertriebenen Gesten, die der frühe Stummfilm vom Musiktheater ererbte, kehrten mit emphatischem Ernst wieder und würden im Sprechtheater wie im Kino mit dröhnendem Gelächter quittiert – dem Opernpublikum scheinen sie unverdrossen zumutbar (was eine Menge über dessen Bewusstseinsstand aussagt). Gleichzeitig sorgte Py für permanente Geschäftigkeit auf der Bühne, als vertraue er der tragenden Wirkung dieser Musik doch nicht so recht.
Der Ausstatter Pierre-André Weitz hatte dem Nacht- und Schattenstück eine Bildwelt ganz in Schwarz-Weiß zugedacht, und ein Konzept der mobilen Entstehung der wechselnden Bildelemente: Fünf Maler, wahre Virtuosen ihres Metiers, beschäftigen sich von Anfang bis Ende damit, durch Kreidezeichnungen auf großen schwarzen Flächen die Handlung und deren Historizität (mitsamt der des Gluck‘schen Musiktheaters) durch feine Lineaturen zu kommentieren. Den Anfang macht ein großes Tableau mit dem Aufführungsort – das Palais Garnier entsteht, gesehen vom Boulevard de Capucines aus. Mitsamt den Kunstheiligenfiguren an der Fassade, in einer Geschwindigkeit, die dem Tonsatz zunächst gänzlich abgeht. Auch ein historisches Hafen-Ensemble entsteht vor den Augen der Zuschauer, als Chiffre für die "Überfahrt" zum Hades, ein Wald, ein Totenkopf, ein apokalyptischer Reiter – und indem die Kreide auch immer wieder ausgewischt wird, eine feine Nuancierung von Grautönen. Die grundieren die dekorativen mobilen Treppengebilde, die sich zum Krankenbett gesellen.
Schnitzer des Orchesters unterstreichen Lebendigkeit der Musik
Es ist also durchweg etwas los rings um den Gesang, für den Sophie Koch in der riesigen Halle ihre nicht allzu große Mezzo-Stimme einsetzt – nicht frei zunächst von gewissen Mühen, die diese auf die musikdramatischen Repräsentationsdimensionen des späten 19. Jahrhunderts ausgelegte Immobilie bereitet. Aber im Sinne des "drame larmoyant" leistet sie, auch darstellerisch, vorzügliche Arbeit.
Yann Beuron als der zunächst im Sterben liegende königliche Gatte Admète profiliert sich ohne alle Tenor-Allüren mit einer frappierenden Annäherung an das Ideal des "natürlichen" Gesangs (wobei diese Idee in einem Opernhaus wie dem Palais Garnier wie der lebhafteste Widerspruch erscheinen muss). Franck Ferrari, der Held Herkules, tritt wie ein routinierter Politiker von heute ans Rednerpult und schlägt nur mit der Keule seiner Stimme zu – mit prächtiger Wucht. Marc Minkowskis Musiciens du Louvre Grenoble leisteten sich ein paar handfeste Schnitzer, aber das mag sogar noch unterstreichen, dass die Musik lebendig ist.
Zusammen mit der Reaktivierung der gleichfalls höchst dekorativen Produktion von Leoš Janáčeks "Vec Makropulos", die Krzysztof Warlikowski zu einer Kooperation mit dem noch von Gérard Mortier geleiteten Teatro Real in Madrid beigesteuert hat und die Susanna Mälkki mit bemerkenswerter Klarheit und Entschiedenheit dirigierte, hat die Pariser Opéra zum Auftakt der Gluck-Jubiläen eine optisch spektakuläre "Alceste" bekommen, deren fünf Kreideschnellzeichner noch lange in Erinnerung bleiben könnten – eine Aufführungs-Serie, die unter Beweis stellt, was sich in Zeiten des gesteigerten Unterhaltungsbedürfnisses mit Gluck anstellen lässt, wenn der Pionier des Psychologischen im Musiktheater mit heiterer französischer Leichtigkeit ignoriert wird.
Yann Beuron als der zunächst im Sterben liegende königliche Gatte Admète profiliert sich ohne alle Tenor-Allüren mit einer frappierenden Annäherung an das Ideal des "natürlichen" Gesangs (wobei diese Idee in einem Opernhaus wie dem Palais Garnier wie der lebhafteste Widerspruch erscheinen muss). Franck Ferrari, der Held Herkules, tritt wie ein routinierter Politiker von heute ans Rednerpult und schlägt nur mit der Keule seiner Stimme zu – mit prächtiger Wucht. Marc Minkowskis Musiciens du Louvre Grenoble leisteten sich ein paar handfeste Schnitzer, aber das mag sogar noch unterstreichen, dass die Musik lebendig ist.
Zusammen mit der Reaktivierung der gleichfalls höchst dekorativen Produktion von Leoš Janáčeks "Vec Makropulos", die Krzysztof Warlikowski zu einer Kooperation mit dem noch von Gérard Mortier geleiteten Teatro Real in Madrid beigesteuert hat und die Susanna Mälkki mit bemerkenswerter Klarheit und Entschiedenheit dirigierte, hat die Pariser Opéra zum Auftakt der Gluck-Jubiläen eine optisch spektakuläre "Alceste" bekommen, deren fünf Kreideschnellzeichner noch lange in Erinnerung bleiben könnten – eine Aufführungs-Serie, die unter Beweis stellt, was sich in Zeiten des gesteigerten Unterhaltungsbedürfnisses mit Gluck anstellen lässt, wenn der Pionier des Psychologischen im Musiktheater mit heiterer französischer Leichtigkeit ignoriert wird.