Gestrandet in Rheinsberg

Bolivianische Musiker sitzen fest

05:24 Minuten
Proberaum - im Hintergrund Musiker
Mit Waranquas und Mosenos: Durch Corona in Deutschland gestrandete bolivianische Musiker überbrücken die Zeit mit Musik. © Christoph Richter
Von Christoph Richter |
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Sie sind nach Deutschland gekommen, um auf einem Musikfestival aufzutreten. Nun sitzen die bolivianischen Musiker wegen der Coronakrise in Brandenburg fest. Kein Flugzeug geht mehr zurück in ihre Heimat. Und langsam geht ihnen das Geld aus.
Vierzehn bolivianische Musiker – zwischen 17 und 23 Jahre – stehen auf der Bühne eines kleinen Theatersaals im Schloss Rheinsberg. Sie spielen Wanqaras – große flachen Trommeln - und sogenannten Moseños. Das sind überdimensionierte, anderthalb Meter lange Querflöten. Traditionelle Instrumente aus dem Altiplano, dem bolivianischen Hochland der Anden.
Die Musiker des 1980 gegründeten und in La Paz beheimateten bolivianischen "Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos" spielen keinen Panflötenkitsch, sondern deftige Rhythmen auf ursprünglichen Instrumenten, die man so eigentlich nur auf bolivianischen Hochzeiten oder Dorffesten im Hochland der Anden hört. Mittendrin: die 23-Jährige Musikerin Maria Fernanda Riqueza Katari. Eine kleine, zerbrechlich wirkende Frau.
"Ich habe Heimweh, ja. Alle sagen sie mir, dass ich traurig wirke, unglücklich bin. Klar bin ich das. Aber ich weine deshalb jetzt nicht die ganze Zeit." Die junge Musikerin ist verzweifelt, das erste Mal überhaupt im Ausland. Ein großer Teil ihrer Familie lebt im Hochland der Anden ohne Internet. Momentan habe sie kaum Kontakt, erzählt sie. Marias Traurigkeit ist mit Händen zu greifen.

Musik machen gegen das Heimweh

Während die Musiker in ihre Flöten blasen und auf ihre Trommeln hauen, wiegen sie ihre Körper seitlich hin und her. So als würden sie versuchen, mit aller Macht den Coronavirus zu vertreiben. Denn eigentlich wollten sie alle schon längst wieder zu Hause in Bolivien sein. Doch die Pandemie habe ihnen einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht, sagt der Percussionist Carmet Alejandro Martella Machicado. Statt La Paz nun Rheinsberg: im Norden Brandenburgs, an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern.
Anfang März waren die jungen Bolivianer nach Deutschland gekommen, um sich auf das MaerzMusik-Festival für Neue Musik vorzubereiten. Dort sollte das "Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos" das Eröffnungskonzert spielen. Neben Berlin, waren auch Konzerte in Dresden geplant, erzählt Komponist und Dirigent Tim Kreuser, während er sich eine Zigarette dreht.
Doch dann wurde das Festival abgesagt, die Grenzen geschlossen. Für die Musiker gab es am 21. März dann eine letzte Chance, um über Peru nach Bolivien zu kommen, "mit einem deutschen Flugzeug nach Lima zu fliegen, das deutsche Urlauber aus Peru zurückholen sollte. Und die sind hier in den Bus gestiegen, haben sich auf den Weg nach Frankfurt gemacht. Nach zwei Stunden kam die Absage, dass das peruanische Militär keine besetzte Maschine aus Deutschland landen lässt. Dann ging es wieder zurück", ins brandenburgische Rheinsberg.

Ein Albtraum mit idyllischer Kulisse

Wann die Musiker jetzt wieder in ihre Heimat dürfen? Keiner weiß es. Um sich die Zeit zu vertreiben, wird geprobt. Man führt kleine Konzerte auf, allerdings ohne Zuhörer. Musik des Altmeisters der neuen Musik Karlheinz Stockhausen, gespielt mit Instrumenten aus den Anden.
Untergebracht sind die bolivianischen Musiker im Kavalierhaus des klassizistischen Schloss Rheinsberg. Es liegt idyllisch am See. Die Knospen sprießen, der Himmel ist blau. Surreal findet Tim Kreuser das. Er ist jetzt drinnen, im Konzertsaal.
"Das ist ein Märchen im Albtraum. Man hat eine tolle Situation. Wir haben es hier am See schön, werden versorgt. Wir können Musik machen. Manchmal müssen wir aber Proben abbrechen, absagen, weil es sozial ganz schwierig wird. Das ist ein ganz komisches Szenario."
Man stehe im Kontakt mit dem bolivianischen Botschafter in Deutschland, der täglich anrufe. Auch das Auswärtige Amt würde sich kümmern. Bisher ohne Erfolg.

Nur ein Wunsch: endlich nach Hause

Mehr als 40 Tagen sitzen die Musiker nun schon fest. Und langsam geht auch das Geld aus. Bisher bekomme man noch Mittel vom Goethe-Institut, dem DAAD, der Stadt Rheinsberg, sagt Tim Kreuser. Aber das reiche nicht aus. Es fehle gerade am Allernötigsten: Zahnpasta, Duschgel oder Rasierklingen.
Mit Freunden und Unterstützern hat der Dirigent deswegen eine Crowdfunding-Initiative gestartet. "Wir können auch nur begrenzt auslegen. Durch das Crowdfunding haben wir ein bisschen Geld gekriegt. Jetzt sieht es so aus, als ob wir das für den Rückflug ausgeben müssen. Wenn nichts passiert: Dann können wir die einbürgern."
Doch auch er weiß: Die Musiker haben nur einen einzigen Wunsch: Endlich nach Hause, endlich zurück nach Bolivien. Die Großmutter wieder in die Arme zu nehmen, das sei ihr einziger und größter Wunsch, sagt die bolivianische Musikerin Maria Fernanda noch. Und lächelt das erste Mal.
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