Vorsicht vor der grünen Schale!
Sie wird als Königin der Nüsse bezeichnet. Und nicht nur manch Gourmet-Koch bescheinigt ihr hervorragende Eigenschaften, auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hebt ihren gesundheitlichen Nutzen hervor: Eiweiß, Vitamine, Omega-3 Fettsäuren. Dass da aber auch nicht alles so "grün" ist, das weiß der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer.
Die Walnusssaison hat wieder begonnen. Die Nüsse sind reif, wenn die äußere fleischige Schale aufplatzt und die harte Nuss freigibt. Die Nüsse werden getrocknet und dann chemisch oder physikalisch von Vorratsschädlingen, Schimmelpilzen und Bakterien befreit. Anschließend wird die harte Nussschale gebleicht, meist mit Natriumhypochlorit. So bleibt ihr Inhalt bei richtiger Lagerung bis in den Sommer knackig und ansehnlich. Doch schon im Frühjahr schwindet das Interesse der Kundschaft.
Woran mag das liegen? Im Winter finden nicht nur Walnüsse Anklang, sondern auch Süßigkeiten. Mit Zucker kurbeln wir die Bildung eines Botenstoffs namens Serotonin an, der hilft, die lichtarme Zeit besser zu ertragen. Serotonin sorgt für eine entspannte Stimmung. Und genau da hat die Walnuss dem Zucker etwas voraus: Sie enthält bereits den fertigen Wirkstoff. Ein Kilo geschälter Nüsse liefert ein ganzes Gramm. Damit ist die Nuss mit Abstand das serotoninreichste Lebensmittel.
Während der Verarbeitung entstehen aus dem Botenstoff weitere Stimmungsaufheller, wie das psychoaktive ß-Carbolin. Allerdings benötigt es zur Bildung geeignete Reaktionspartner. Die finden sich in Essig oder entstehen beim Abbau von Alkohol. Nicht umsonst sind Walnüsse zur Herstellung von Likören und Schnäpsen beliebt. Oder man denke an die Schwarzen Nüsse, eine Spezialität, bei der unreife Früchte in Sirup bzw. Essig eingelegt werden.
Für Vielfraße in Sachen Gesundheit
Bei den Schwarzen Nüssen wird die grüne Frucht als Ganzes verwendet, also der Kern, umschlossen von der noch weichen Nussschale, die ihrerseits von grünem Fruchtfleisch geschützt wird. Da die Frucht in diesem Zustand noch ungenießbar ist, müssen zunächst die Gerbstoffe ausgelaugt werden. Dazu werden die Früchte mehrfach durchstochen und wochenlang gewässert, bis jegliche Bitterkeit verflogen ist. Erst dann legt man sie in Zuckersirup oder Essig ein.
Manche Ernährungsexperten sehen das kritisch: Es sei wohl besser, gleich das unreife Zeug zu essen. "Grüne Walnüsse", so lese ich, "sind nicht nur echte Delikatessen, sondern auch supergesund" – ja, die Walnuss sei eine echte "Gourmand-Heilpflanze" – also für die Vielfraße in Sachen Gesundheit. Doch die unreifen Früchte schmecken alles Andere als delikat, sie sind völlig ungenießbar.
Der Walnussbaum liefert aber nicht nur Nüsse, sondern auch ein eindrucksvolles Pestizid – das Juglon. Damit schützt er seine Früchte vor Schädlingen. Daneben scheidet er Juglon über die Blätter aus. So hält sich der Baum unliebsame Pflanzenkonkurrenz vom Leibe – unter seinem Blätterdach duldet er nicht mal den eigenen Nachwuchs. Die Wirkungsweise entspricht üblichen "chemischen" Herbiziden.
Die angeblichen Wunderkräfte der Schale
Früher half das Laub gegen Flöhe und Läuse. Heute hofft man, mit Juglon das Denguefieber, eine gefährliche Tropenkrankheit bekämpfen zu können. Es tötet jene Mücken, die das Virus übertragen. Zudem könnte es dazu beitragen, der Bilharziose, einer Wurmkrankheit vorzubeugen. Denn Juglon schädigt jene Wasserschnecken, die den Erreger verbreiten. Für viele Fische ist Juglon noch giftiger – und genau deshalb wird es in Aquakulturen als Fischbetäubungsmittel genutzt, um den Bestand leichter abfischen zu können. Als Grund für die Effekte wird seine starke antioxidative Wirkung angenommen.
Im Internet geht so manch eine Website nonchalant über mögliche Risiken für Mensch und Umwelt hinweg. Dort werden der grünen Schale und den Blättern der Walnuss wahre Wunderkräfte gegen die unterschiedlichsten Beschwerden und Krankheiten bescheinigt. Die Warnungen hingegen gelten den ach so gefährlichen "Kalorien" in der reifen, essbaren Nuss.
Ernährungs-Tipps sollen heute vor allem eins: auffallen. Alles andere tritt dahinter zurück. Deshalb sei aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes empfohlen, sich fürderhin an eine alte Redewendung zu halten: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Also Finger weg, egal ob von einem verlockenden Pilz im Wald oder von faszinierenden Ratschlägen im Netz. Mahlzeit!
Literatur
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Anon: Walnussbaum. Heilkräuter-Seiten, E. Marbach Verlag, Breisach, abgerufen 8.11.2016