Alles steril?
Hauptursachen für Behandlungsfehler in Krankenhäusern sind falsch verabreichte Medikamente und mangelnde Hygiene. Ein Krankenhaus, das früh reagiert hat, ist die Berliner Charité: Dort ist eine Hygieneberaterin beschäftigt.
Kathrin Kelterborn kommt fast immer unangemeldet. Sie darf jede Station betreten, in jedes Krankenzimmer schauen, bei jeder OP dabei sein, bei jeder Visite mitgehen. Rausgeschmissen wurde sie bisher noch nie.
Auf dem Zimmer liegen vier Patienten. Aus ihren Nasen und Mündern ragen Schläuche. Neben jedem Bett steht ein Computerbildschirm. Bunte Kurven und Zahlen zeigen den Blutdruck, die Sauerstoffsättigung, den Pulsschlag an. Die Hygieneschwester stellt sich still in eine hintere Ecke des Raumes, wartet.
"Also das ist schon wichtig, dass ich einfach mal dastehe. Mittlerweile bin ich bekannt und sie wissen, wenn ich dastehe, aha, dann bleibe ich zwei, drei Stunden, begucke mir das alles."
Ein Pfleger betritt den Raum. Der junge Mann beugt sich über einen Patienten, führt ihm vorsichtig einen Schlauch in den gelegten Tubus hinein, um angesammeltes Sekret abzusaugen.
Kathrin Kelterborn nickt zufrieden. Bei dieser medizinischen Maßnahme, auch Indikation genannt, trägt der Pfleger einen sterilen Handschuh. Völlig korrekt, sagt Kelterborn. Schaltet ihr iPad an, macht sich eine kleine Notiz auf einem elektronischen Fragebogen, beobachtet weiter. Dabei lässt sie ihren Blick eher schweifen, beobachtet aus ihren Augenwinkeln, niemand soll sich kontrolliert fühlen. Doch genau das ist die Aufgabe der Hygieneschwester. Sie überprüft, ob Pflegepersonal und Ärzte steril genug arbeiten.
"Jetzt kommt ja die nächste Indikation, er hatte Kontakt zum Patienten, jetzt hat er Kontakt nach potentiell infektiösem Material. Mal gucken, wie er sich weiter verhält."
Auch diesmal macht der junge Pfleger alles richtig.
Ein Oberarzt betritt das Zimmer, zwei junge Ärztinnen begleiten ihn. Kathrin Kelterborn haben sie nicht bemerkt. Sie stellen sich neben das erste Krankenbett, schauen auf den Monitor, die Patientin schläft. Der Oberarzt erläutert den jungen Frauen ausführlich das Krankheitsbild, fasst dabei immer wieder Tisch und Bildschirm an.
"Wenn er dann jetzt weggeht, müsste er die Hände desinfizieren. Die Geräte sind alle mit Bakterien besiedelt. Das können wir nicht verhindern. Wir können nur verhindern, dass er die Bakterien mitnimmt zum nächsten Patienten. Das ist eben das was diese Indikation verlangt."
Fünfzehn Minuten später stehen Oberarzt und Ärztinnen vor dem zweiten Krankenbett. Keiner von ihnen hat sich die Hände desinfiziert. Kathrin Kelterborn schaut unzufrieden, deutet mit der Hand auf zwei fest installierte Desinfektionshalter. Auf jedem Patiententisch stehen zusätzlich blaue Fläschchen gefüllt mit einer alkoholischen Desinfektionslösung.
"Jetzt trägt er die Keime aus der unmittelbaren Patientenumgebung Patientin A hier rüber zu Patientin B. Dann gibt es eine Mischflora. Und wir wollen einfach verhindern, dass sich die Keime dieser Patientin mischen. Und deshalb ist es sehr wichtig, wenn er dort rausgeht, seine und die Keime der Patientin A, nicht mitnimmt. Das hat er leider nicht gemacht. Dieses Sprichwort, der Fisch stinkt vom Kopf her, trifft in der Hygiene super. Wenn der Chefarzt meint, das wäre unwichtig, werden die ihm Nachfolgenden genauso handeln und das merken wir sehr verstärkt."
Bei einem ihrer nächsten Besuche will sie den Ärzten und Pflegern aufzeigen, wie hoch die Bereitschaft des Personals auf der Intensivstation ist, sich die Hände einwandfrei zu reinigen. Auf einer Frühchenstation geht man mit diesem Thema viel sensibler um.
Zwei Stunden später und zwei Etagen tiefer. Kathrin Kelterborn fischt aus einer Plastiktasche ein neues Produkt heraus. Peer Sänger, leitender Pfleger des Bereichs Herzkatheder, freut sich über ihren Besuch.
"Das sind Desinfektionstücher. Davon haben wir insgesamt drei. Und diese drei wendet man hintereinander an. Da haben wir als erstes die Reinigung. , du nimmst da Tuch raus, reinigst und verwirfst es, dann kommt die Desinfektion darauf"
Das neue Produkt soll helfen, eine Sonde einfacher und schneller zu reinigen, die bei vielen Patienten benutzt. Die Hygiene, betont Peer Sänger, ist nicht nur beim Personal das A und O, sondern auch bei den Medizinprodukten.
"Wenn die nicht eingehalten wird, dann hat man genügend Möglichkeiten, den Patienten stärker zu schädigen."
Kathrin Kelterborn nimmt sich Zeit. Erklärt, wie die einzelnen Tücher funktionieren, drängt dann auf einen gemeinsamen Termin mit dem Vertreter. Peer Sänger nickt. Das Mittel ist bereits gelistet. Deshalb kann die Schulung der Pfleger bald beginnen. Ein nächster Schritt für eine noch bessere Hygiene in der Charite.
"Denn mach´s gut Peer, tschüß ... du auch. Danke, danke für alles, war ganz doll wichtig, ja."