Gesundheitswesen

Betrug in der ambulanten Pflege

Eine Frau wird in einem Seniorenheim von einer Pflegerin betreut.
Eine Frau wird in einem Seniorenheim von einer Pflegerin betreut. © dpa/picture alliance/Jens Kalaene
Von Birgid Becker |
Seit Jahren häufen sich Berichte über betrügerische Pflegedienste: Russische Banden sollen sich an Alten, Schwachen und Kranken bereichert haben, wir lesen von Skandalen um Hörgeräte, Herzklappen und falsche Zähne. Es gibt viele Facetten des Betruges in diesem Metier – und entsprechend wenig einfache Lösungen, kommentiert Birgid Becker.
Für Korruption und Betrug ist das Gesundheitswesen eine Hochrisikozone. Es gab Skandale um Hörgeräte, Herzklappen, künstliche Hüftgelenke, falsche Zähne…
Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency stellt lakonisch fest: "Das öffentliche Gesundheitswesen ist besonders anfällig für Korruption, weil es intransparent und komplex ist".
Und weil es viel Geld bewegt – mehr als elf Prozent des Bruttosozialprodukts fließen dort hinein. Da passen die neuen Berichte über betrügerische Pflegedienste bestens ins Bild – und tatsächlich gibt es seit Jahren immer wieder aufflammende Skandale in diesem Bereich. Berlin hatte seine Betrugsserie, Hannover auch, vor Jahren schon.
Was jetzt aufschreckt, sind die Schätzungen über die Schadenshöhe und die Annahme, dass das Geschehen Züge organisierter Kriminalität trägt – und, vielleicht ist es auch dies, dass das Reizwort von russischen Banden in kaum einer Überschrift fehlt. Nun ja, es muss zumindest einiges an Fachexpertise im deutschen Sozialversicherungsrecht vorhanden sein, um so mit den Schwächen des Systems zu hantieren. Es wäre nicht völlig erstaunlich, wenn die vermeintlich russischen Banden eine sehr deutsche Kommandozentrale hätten.
Auf jeden Fall aber: Rund eine Milliarde Euro an Schaden, das wäre immens. Für die jetzt als besonders korruptionsanfällig ausgemachte häusliche Krankenpflege belaufen sich die Kosten der Krankenkassen ja nur auf 5,3 Milliarden insgesamt.

Weit oben auf der Skala menschlicher Abscheulichkeiten

Mehr noch als die finanzielle Dimension lässt allerdings der Umfang der Unanständigkeit erschrecken. Bereicherung an Alten, Schwachen und Kranken – das ist weit oben auf der Skala menschlicher Abscheulichkeiten anzusiedeln.
Wobei es zur ganzen Geschichte des Skandals gehört, dass Pflegebedürftige und deren Angehörige auch als Komplizen der Betrüger in Erscheinung treten. Bei den jetzt öffentlich gemachten Fällen soll es so gewesen sein, dass sich die Verbrecher aus den Pflegediensten ihr erschlichenes Geld mit den Verwandten von Koma- und Beatmungspatienten geteilt haben.
Es gibt viele Facetten des Betruges in diesem Metier – und entsprechend wenig einfache Lösungen. Ja, es ist absurd, dass bei Leistungen, die nach dem Sozialgesetzbuch 5 für die Krankenkassen erbracht werden, weniger kontrolliert werden kann als bei Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 11, das für die Pflege zuständig ist. Ja, es fehlt in vielen Staatsanwaltschaften an Experten für das Sozialversicherungsrecht. Und letztes ja, ja - es ist viel zu einfach, in Deutschland einen ambulanten Pflegedienst zu gründen.
Die neue Dimension des Skandals, wenn sie sich bewahrheitet, könnte dazu führen, dass an all diesen vielen Stellen nachgefasst wird. Das wäre gut. Betrüblich wäre es, wenn dieser Skandal auch all denjenigen schadet, die ihre nicht leichte Aufgabe in der Pflege anständig und ehrlich verrichten. Und die sind wohl immer noch in der Mehrheit.
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