"Getroffen haben wir uns mit Bankern aller Couleur"

Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Britta Bürger |
In die Sprache des Finanzmilieus musste Regisseur Christoph Hochhäusler sich erst einmal einlesen. Interessanterweise konnten ihm Frauen am plausibelsten von dieser Lebenswelt der Banken erzählen, die er im Film "Unter dir die Stadt" beschreibt.
Britta Bürger: Ein Film, der auf verschiedenen Ebenen Gänsehaut produziert, Christian Berndt hat ihn für uns gesichtet. Ein Spiel um Geld, Macht, Liebe, inszeniert in der kühlen, gläsernen Welt des Frankfurter Finanzdistrikts. Herzlich willkommen, Christoph Hochhäusler!

Christoph Hochhäusler: Hallo, ich freu mich!

Bürger: Sie haben für diesen Film intensiv im Bankermilieu recherchiert – mit was für Menschen haben Sie sich da getroffen und was haben Sie dabei versucht herauszubekommen?

Hochhäusler: Getroffen haben wir uns mit Bankern aller Couleur, aller Lebens- und Höhenlagen sozusagen, vom Vorstandsvorsitzenden bis zum pensionierten Fondsmanager. Was wir versucht haben herauszufinden, war eigentlich weniger jetzt irgendwie Fakten abzufragen als so ein atmosphärisches Gefühl für dieses Arbeiten – Zwischenmenschliches, Sprachliches, Kleidungsetikette, solche Dinge.

Bürger: Und mussten Sie die Sprache der Banker dafür selbst lernen?

Hochhäusler: Bis zum gewissen Grad muss man sich da einlesen, damit man weiß, was ROI bedeutet – Return on Investment – und solche Dinge, aber vieles bleibt unverständlich, das ist auch klar. Diese Sprache ist sehr stark durchsetzt von Termini technici, die den Laien erst mal abschrecken sollen wahrscheinlich auch.

Man muss das denn eben übersetzen, man muss dann eben versuchen, auch so zu fragen, dass plötzlich eine ganz konkrete Schilderung dabei rauskommt. Und interessanterweise waren es oft die Frauen, die dann am plausibelsten oder am konkretesten erzählen konnten von dieser Lebenswelt der Banken.

Bürger: Es wird einem immer wieder ziemlich unbehaglich dabei, etwa wenn ein Banker sagt, die Grafik sei das Entscheidende für die Kunden, die Leute wollen in den Kurven die Bestätigung ihres Bauchgefühls sehen. Da fühlt man sich doch irgendwie auch ertappt und denkt an seinen eigenen Bankberater, daran, ob man dem tatsächlich vertrauen kann. Welche Rolle spielt diese Kategorie Vertrauen in Ihrem Film?

Hochhäusler: Die ist natürlich ganz zentral, aber ich glaube, sie beschränkt sich gar nicht – und das ist ja noch schlimmer – gar nicht auf das Bankwesen oder auf diesen Sektor der Wirtschaft, sondern die hat unser ganzes Leben infiziert. Wir arbeiten alle immer mehr mit, sage ich mal, medialen Täuschungen – über unseren Lebenslauf zum Beispiel.

Ich habe neulich Leute getroffen, die waren Stunden damit beschäftigt, das Wohnmobil, das sie verkaufen wollten, per Photoshop zu reinigen, also nicht im Realen, sondern sie reinigen es dann mit Photoshop, sodass die Fliesen sauber aussehen. Diese Art von Abstraktion, die Manipulation auch so leicht macht, die durchzieht unser ganzes Leben, und natürlich spielt sie im Banking eine gefährliche Rolle.

Bürger: Sie setzen die gläsernen Bürotürme in Frankfurt am Main, die Konferenzräume, die Hotelzimmer wirklich auffällig in Szene, es ist alles extrem stilisiert, und es hat mich nicht gewundert, dass Sie vor Ihrem Studium der Regie an der Münchener Filmhochschule auch Architektur studiert haben in Berlin. Was spiegelt sich in diesen Räumen?

Hochhäusler: Man sucht ja als Filmemacher immer nach Gegenständen, nach Oberflächen, nach Handlungen, die man filmen kann, also das Sichtbare, und die Räume gehören eben zu den materialisierten Statements. Dieser Raum, in dem wir uns hier befinden, der erzählt etwas von der Zeit, in der er gebaut ist, er erzählt etwas von den Bedingungen des besetzten Berlins und so weiter.

Bürger: Unser schönes denkmalgeschütztes Hörfunkstudio.

Hochhäusler: Genau, genau. Und so kann man eben sagen, sind Gebäude Kristalle ihrer Zeit und erlauben es, Rückschlüsse zu ziehen: Wer ist das, der das baut, was will er sagen, wie ist es zu benutzen, was macht die Benutzung mit den Benutzern? Das ist ja hochinteressant sozusagen, wie fühlt man sich, wenn man eben so weit über der Stadt arbeitet. Hat es vielleicht Konsequenzen auf die Art, wie man denkt über die kleinen Figuren da unten?

Bürger: Geben Sie mal eine Antwort auf diese Fragen, die Sie selbst in den Raum werfen!

Hochhäusler: Oh, es gibt bestimmt einen Zusammenhang. Es verändert natürlich, wenn man den Boden, in Anführungszeichen, nie berührt, wenn man sein Geschirr nicht mehr selbst spült – sicher. Sicher verändert das. Das muss noch nicht in die Perversion führen, aber es ist zumindest als Gefahr vorhanden, für uns alle ja auch, also diese Abstraktion.

Bürger: Mit Nicolette Krebitz und Robert Hunger-Bühler haben Sie zwei Schauspieler zusammengebracht, die, wenn man das so sagen kann, riesige Temperaturschwankungen spielen müssen: von extremer Gefühlskälte bis hin zur größten erotischen Hitze. Und manchmal hat man ja bei Schauspielern das Gefühl, die kennen sich schon in- und auswendig von soundso viel anderen gemeinsamen Filmen.

Hier hat man aber das Gefühl, es treffen wirklich zwei Fremde aus völlig verschiedenen Welten aufeinander. Wie haben Sie mit den beiden gearbeitet, wie haben Sie die miteinander in Kontakt gebracht, insbesondere auch für die erotischen Szenen?

Hochhäusler: Wenn man eine Liebesgeschichte, welcher Art auch immer, besetzt, dann kann man das ja erst mal auf dem Papier toll finden. Könnte nicht der Name und der Name passen? Aber man muss es ausprobieren. Weil, es gibt immer einen Faktor im Schauspiel, der unkalkulierbar bleibt. Der chemische, also die Reaktion. Wenn etwas zwischen zwei Menschen passiert, dann kann man das nicht spielen. Man kann natürlich nachhelfen, aber wenn nicht grundsätzlich ein Funke da ist, da kann ich ihn nicht entfachen, dieses Feuer.

Und so war das Casting eine ganz wichtige Sache. Und da hat sich für mich herausgestellt, dass zwischen den beiden was passiert, also dass da eine Spannung entsteht, die durchaus auch nicht einfach war. Da sollte es ja auch so eine Art Machtspiel geben.

Bürger: Ja, ja, es ist mehr so ein Tauziehen als ein plötzliches Übereinander-Herfallen.

Hochhäusler: Genau, genau. Es geht ja immer auch um ein Kräftemessen wie, glaube ich, überhaupt gerne in der Liebe. Es geht auch um die Position sozusagen. Und ja, da schienen die beiden mir geeignet, und dann haben wir natürlich an den Charakteren vor allem einzeln gearbeitet, also wie kleiden sich die, wie bewegen sich die, wie sprechen die.

Robert hat zum Beispiel auch Banker getroffen, um sich ein Bild zu machen. Und es gab ein lustiges Treffen zwischen einem hochrangigen Banker und Robert, und Robert hat einen Anzug angezogen, weil er dachte, er muss jetzt ...

Bürger: Haltung einnehmen.

Hochhäusler: ... Haltung einnehmen, und der Banker hat gedacht, er müsste jetzt wie ein Künstler aussehen. Und so kamen sie sozusagen beide verwandelt, weil Robert im zivilen Leben so was nie tragen würde.

Bürger: Ich habe ihn ehrlich gesagt auch erst gar nicht erkannt.

Hochhäusler: Ja, ja, er hat sich dadurch schon ... So ein Maßanzug macht schon was mit einem Mann.

Bürger: Es wird ja immer wieder darüber diskutiert, wie man eine gelungene Sexszene in Szene setzt – was ist da Ihr Ansatz?

Hochhäusler: Ich glaube, es kann nicht so sehr um den Sex selber gehen, weil das ist ja etwas, was man erleben muss. Und das kann das Kino ja nicht leisten. Also im Gegenteil, wenn man eine Sexszene im Kino sieht, sieht man ja auch die Grenze des Kinos.

Aber was man zeigen kann, ist, dass Charaktere handeln sozusagen, und das haben wir versucht, also die Sexszene nicht als Körperhitze allein zu zeigen, sondern eigentlich als eine Handlung, die sich vom Dialog nicht wesentlich unterscheidet.

Bürger: Aber es ist doch eine schon spezielle Szene – ich denke an eine –, da sieht man im Dunkeln eigentlich immer nur wieder, so ein bisschen Licht fällt auf das Gesicht, auf die Haare, auf Hände, die in Haaren wühlen, man sieht den restlichen Körper überhaupt nicht.

Hochhäusler: Ja, ja, das stimmt. Das hat auch zu tun mit einer gewissen Scheu meinerseits. Sie leben ja in so einer sehr durchsexualisierten Welt, was das Visuelle betrifft, gleichzeitig behaupten ja viele, unsere Zeit sei prüder als jede andere zuvor. Und ich habe immer eine Scheu, sage ich mal, diese sexualisierten Klischees zu bedienen. Ich bin da auch schüchtern, glaube ich.

Eine Sexszene zu inszenieren, ist jetzt nicht auch meine Lieblingsaufgabe als Regisseur, drum versucht man eben Wege zu finden, die zum Erotischen oder zum Charakter führen, ohne jetzt, ja, auf das Naheliegende zu blicken.

Bürger: Sie haben für das Drehbuch einen nicht schlecht dotierten Förderpreis bekommen, und ich hab nachgeguckt, was es denn für ein Förderpreis ist, und gefunden, finanziert von der HypoVereinsbank. Fand ich pikant bei einem Film über das Gebaren der Finanzwelt.

Hochhäusler: Ja, ja, das fand ich auch pikant. Na ja, die haben natürlich keinen Einfluss auf die Jury und waren auch nicht sehr begeistert darüber, dass der Film das gewinnt. Ich meine, diese Art von Abhängigkeiten, die gibt es ja im Filmgeschäft oder überhaupt in der Kunst permanent. Man braucht Geld von Institutionen, die man möglicherweise gar nicht toll findet oder kritisieren muss oder will, und da gibt es natürlich dann auch Gefährdungen des Künstlers. Die sind ja so alt wie die Kunst selber. Also darf ich dem Diktator ein Lied singen oder dem König und so weiter. Ja.

Und die Fragen betreffen den Film natürlich auch, und man muss sich fragen lassen, korrumpiert das den Filmemacher, wenn er ein Bild des Staates zum Beispiel liefern soll, aber mit Staatsgeld arbeitet. Klar, die Frage muss man sich gefallen lassen, und man muss sie sich auch stellen. Ich glaube, dass es schon möglich ist, mit Staatsgeld, nur als Beispiel, Filme zu machen, die die Kunst sind, das heißt, die letztlich unbezahlbar sind, die letztlich auch unzähmbar sind, darum muss es gehen. Aber es ist schwierig, und es gibt diese Abhängigkeitsverhältnisse. Aber es gibt sie natürlich in jedem anderen System auch, die Fragen stellen sich dann nur anders.

Bürger: Am Donnerstag kommt er in die Kinos, der neue Film von Christoph Hochhäusler, "Unter dir die Stadt". Herzlichen Dank für das Gespräch!

Hochhäusler: Danke auch!