Die Spree als Erholungsraum
Bei Starkregen stößt die Berliner Kanalisation schnell an ihre Grenzen, mit der Folge, dass Abwässer in Spree und Landwehrkanal geleitet werden. Der Ingenieur Ralf Steeg hat ein gewässerschonendes Auffangsystem entwickelt und kämpft seit Jahren für eine saubere Spree.
Wenn es in Berlin stark regnet, ist die bestehende Kanalisation schnell überfordert. Dann müssen Abwässer in Spree und Landwehrkanal geleitet werden. "Abwassereinleitungen in der Hauptstadt eines der reichsten Länder der Erde, das darf nicht sein", meint der Ingenieur Ralf Steeg, Geschäftsführer der Firma Luri Watersystems. Er hat ein System von Auffangbehältern entwickelt, das die Gewässer entlasten soll und kämpft seit Jahren für dessen Umsetzung.
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Neues Jahr, neues Glück auch für den Wassermann. Ralf Steeg kämpft dafür, dass aus der Berliner Spree ein sauberer Fluss wird. Dafür hat er seine eigene Technologie entwickelt, dafür braucht er Geld, dafür braucht er Unterstützer, auch politische Unterstützer. Jetzt beginnt ein neues Jahr mit einem neuen regierenden Bürgermeister in Berlin, und daran knüpft Ralf Steeg gewisse Hoffnungen. Guten Morgen!
Ralf Steeg: Schönen guten Morgen!
Welty: Was versprechen Sie sich von Michael Müller und wo hat Klaus Wowereit Sie enttäuscht?
Steeg: Klaus Wowereit hat uns eigentlich auch oft unterstützt, aber ich habe das Gefühl, dass in dieser Stadt das Bewusstsein für eine saubere Spree noch nicht so richtig vorhanden ist. Und ich knüpfe da jetzt natürlich an den neuen Bürgermeister neue Hoffnungen, das heißt, dass er das mit auf sein Programm nimmt.
Überlaufende Hauptstadtkanalisation
Welty: Was muss er denn da tun?
Steeg: Das Hauptproblem in Berlin ist die überlaufende Mischkanalisation. Das heißt, immer wenn es ganz stark regnet, dann ist das Volumen der bestehenden Kanalisation ziemlich schnell ausgeschöpft, und dann müssen Massen von Abwasser über Notauslässe in die Gewässer eingeleitet werden, das heißt in die Spree und zum Beispiel in den Landwehrkanal.
Welty: Laienhaft ausgedrückt, die Kanalisation läuft über.
Steeg: Genau, die läuft über, und damit das Wasser eben nicht aus den Gullys spritzt oder in die Keller läuft, leitet man das über Rohre in die Gewässer ein, in die Spree und in den Landwehrkanal. Und das tut den Gewässern natürlich überhaupt nicht gut, weil das richtig verschmutztes Abwasser ist. Das heißt, alles, was aus den Haushalten kommt, alles, was von den Straßen abgewaschen wird.
Das Abwasser in Auffangbehältern "zwischenparken"
Welty: Und Sie hätten eine Idee dagegen, wie das verhindert werden kann?
Steeg: Wir haben ein ganz, ganz simples System entwickelt, das funktioniert so einfach wie ein Baukastensystem, also fast so wie ein Legobaukasten. Und wir installieren vor den Rohren, die in die Gewässer münden, große Auffangbehälter. Und dann läuft das Abwasser eben nicht mehr in die Flüsse, sondern läuft in diese Behälter. Und wenn der Regen vorbei ist, dann wird es aus diesen Behältern wieder zurück gepumpt und gelangt über die Kanalisation zum Klärwerk, da, wo es hingehört.
Welty: Es wird praktisch geparkt.
Steeg: Genau, es wird geparkt. Man kann sich das so vorstellen wie große Eimer, und diese Eimer sind unter der Wasseroberfläche und fangen das gesamte verschmutzte Abwasser auf.
Erholungsinseln im Fluss
Welty: Wenn diese Idee so einfach wie genial ist, warum ist dann bislang nichts passiert in diese Richtung?
Steeg: Wir arbeiten jetzt schon viele Jahre an dem Projekt – es gibt natürlich auch allerhand Leute, die versucht haben, das zu verhindern, aber wir haben es geschafft, die erste Anlage steht. Und was ganz toll ist, die Technische Universität Berlin hat uns jetzt bescheinigt, dass das System super läuft, also besser als bestehende Systeme, und wir sind auch kostengünstiger und wir können viel schneller bauen. Und jetzt ist es natürlich so, die Leute müssen sich das erst mal anschauen. Und ich hoffe, dass dann eben auch der neue regierende Bürgermeister sagt, okay, das System ist super.
Unsere Anlagen haben aber noch einen ganz besonderen Clou, und zwar entstehen durch die Anlagen Inseln im Fluss, und diese Inseln kann man gestalten. Das heißt, man kann oben Sonnendecks installieren oder man kann kleine Garten- und Parkanlagen darauf errichten oder auch ein Café, das man dann eben mit dem Schiff ansteuern kann – dann isst man eben da ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte und fährt dann eben weiter.
Welty: Ist das so die Vorstellung, die Sie mit einer sauberen Spree verbinden, sozusagen eine Insel, eine Parklandschaft auf dem Wasser?
Keine Beeinträchtigung der Schifffahrt
Steeg: Ja, also zwischen der Elsenbrücke, das ist dort, wo das Allianz-Hochhaus steht, und der Schleuse Mühlendamm bräuchte man 14 Anlagen, um das Abwasser abzufangen, und dann gäbe es im Prinzip fast keine Einleitung mehr. Und diese 14 Inseln, die stelle ich mir so vor wie eine Kette von schönen Inseln eben, und jede hat eine andere Funktion. Also wie gesagt, manche sind eben Parkanlagen, manche dürfen von Menschen vielleicht gar nicht betreten werden – da freut sich dann der Reiher oder der Biber –, und manche erfüllen eben einfach den Zweck, dass man sich da oben drauf erholen kann.
Welty: Was passiert dann mit der Schifffahrt?
Steeg: Also die Inseln sind ja eher klein, das heißt ...
Welty: Na ja, aber auch eine kleine Insel kann ein gewaltiges Hindernis darstellen.
Steeg: Also wir haben ja eine jetzt gebaut im Osthafen, und die nimmt genau 0,2 Prozent der Wasserfläche ein. Man kann das ja mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt genau ausknobeln, wo eine Insel hin kann und wo sie auch hinpasst, und das geht eigentlich gut, muss ich sagen.
Fantasielose Haptstadtpolitiker?
Welty: Warum ist in Berlin so schwierig, was in Hamburg mit der Elbe oder in München mit der Isar viel einfacher erscheint?
Steeg: Ja, das ist eine Frage, da denke ich auch bis heute drüber nach. In Berlin fehlt vielleicht einfach die Fantasie, muss ich sagen, bei bestimmten Entscheidern. Und ich würde die gerne mal einladen, zum Beispiel einfach mal nach Bern zu fahren und sich dort anzugucken, was da im Sommer los ist. Es ist nämlich so, dass die gesamte Bevölkerung der Stadt runterrennt zum Fluss. Die schnappen sich alle einen Picknickkorb und sitzen dort eben und freuen sich des Lebens. Und das ist natürlich eine unglaubliche Lebensqualität, die dann in so eine Stadt reinkommt. Und wenn man das zum Beispiel in München betrachtet – die Isar ist ja jetzt seit einigen Jahren sauber –, das Problem in München ist gerade, dass die gar nicht mehr wissen, wie sie der Besuchermassen Herr werden sollen, also sie müssen jetzt fast ein Management einführen, weil der Fluss richtig überlaufen wird, und die Münchner freuen sich natürlich extrem darüber.
Ein sauberer Fluss hat ja auch noch viele andere Vorteile, das heißt, Kinder können zum Beispiel darin schwimmen lernen. Das sind wohnungsnahe Erholungsflächen, man muss nicht kilometerweit fahren. Ich hab mal den Versuch gemacht, und zwar mit einer Mutter mit drei Kindern zum Wannsee zu fahren. Da sind Sie eine Stunde in der S-Bahn unterwegs, und wenn Sie ankommen, sind Sie schon völlig hinüber. Und dann sitzen Sie da zwei Stunden und erholen sich und haben wieder die gleiche Prozedur auf dem Rückweg. Also das heißt, Erholungsräume, die man in fünf Minuten erreichen kann, sind ganz, ganz wichtig.
"Wir dürfen der nachfolgenden Generation keinen Friedhof hinterlassen"
Welty: Ist dieses Plus an Lebensqualität auch das, was Sie motiviert, jetzt seit Jahren da dranzubleiben an dem Thema und eben für eine saubere Spree zu kämpfen?
Steeg: Na ja, zum einen bin ich natürlich stolzer Berliner, das heißt, ich möchte, dass es dieser Stadt gut geht und dass die Leute, die hier leben, dass die glücklich sind, und ich kann als Ingenieur ein bisschen dazu beitragen. Und zum anderen ist es natürlich so, wir dürfen der nachfolgenden Generation keinen Friedhof hinterlassen oder kein Chaos oder keine zerstörte Umwelt. Das heißt, Abwassereinleitungen in der Hauptstadt eines der reichsten Länder der Erde, das darf nicht sein.
Welty: Woher nehmen Sie das Durchhaltevermögen?
Steeg: Ich finde es wichtig, dass man die Sachen zu Ende führt, die man angefangen hat, und nicht, dass man nur drüber redet, was man alles tun könnte und eventuell machen könnte, sondern dass man sagt, okay, ich gehe in mich, überprüfe, ob das zu schaffen ist, was ich vorhabe, und wenn man dann der Meinung ist, dass es so ist, dann soll man es auch zu Ende führen.
Welty: Ralf Steeg kämpft seit Jahren für eine saubere Spree, und das tut er auch 2015. Wir sagen erst mal danke für dieses Gespräch hier in Deutschlandradio Kultur.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.