"Schule kann nicht besser sein als die Gesellschaft"
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Aggressionen, Provokationen, Drohungen: Lehrkräfte erfahren immer wieder Gewalt an Schulen. Das könne bis hin zu einer Traumatisierung gehen, sagt Klaus Seifried. Der Schulpsychologe erklärt, was sich dagegen tun lässt.
Für den langjährigen Lehrer und Schulpsychologen Klaus Seifried ist Schule kein Kosmos, der vom Rest des gesellschaftlichen Lebens abgetrennt ist.
"So lange es in der Gesellschaft Gewalterfahrungen gibt, in der Familie oder auf der Straße, wird es das auch in der Schule geben", sagt er. "Schule kann nicht besser sein als die Gesellschaft." So würden auch Polizeibeamte und Feuerwehrleute im Einsatz bedroht.
An Schulen seien zwar Gewalt und Bedrohungen "die absolute Ausnahme", doch jeder Fall sei einer zu viel. Die Folgen derartiger Erfahrungen reichen laut Seifried von Kränkung bis Traumatisierung.
Viele Lehrerinnen und Lehrer zögen sich dann zurück. Doch das sei der falsche Weg: "Sie müssen mit Kolleginnen und Kollegen und der Schulleitung sprechen und sich auch Coaching und Supervision holen." Dabei gehe es zum Beispiel darum zu lernen, wie man deeskalierend handeln könne.
Und auch dies sei wichtig: Wertschätzung den Schülerinnen und Schülern entgegenzubringen und ihnen in der Schule Erfolge zu verschaffen. Wenn Lernende das Gefühl hätten, geachtet zu werden, werde die Gewalt auch abnehmen.
Gewalterfahrungen und fehlender Halt in Familien
Doch warum werden Schülerinnen oder Schüler überhaupt aggressiv? "Die Ursachen für Gewalt sind nicht anders als in der Gesellschaft auch", erklärt der Psychologe. "Kinder und Jugendliche, die erfahren haben, dass sie sich mit Gewalt durchsetzen können, dass sie Aufmerksamkeit bekommen, dass sie andere in Angst versetzen können, tun das."
Hintergrund seien eigene Ängste und Misserfolge, Frustrationen in der Familie oder in der Schule. In vielen Familien gebe es Gewalterfahrungen, und es fehle an Grenzen und Halt für die Kinder. "Das leben sie in der Schule ein Stück weit aus, weil sie dort Grenzerfahrungen machen und mit Regeln konfrontiert werden."
Grundsätzlich sei es aber so, "dass viele Schulen im sozialen Brennpunkt ein Ort der Stabilisierung für die Kinder und Jugendlichen sind". Wichtigster Faktor sei eine gute Schüler-Lehrer-Beziehung. Das funktioniere an vielen Schulen, an manchen aber nicht: Dort herrsche Anonymität, es gebe viele verschiedene Bezugspersonen, oft auch junge, unerfahrene Lehrkräfte oder Quereinsteiger.
(bth)