Eskalation nach Zwangsräumung
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Es begann mit Zwangsräumungen: Vier palästinensische Familien sollten ihre Wohnung im Jerusalemer Bezirk Sheikh Jarrah verlassen, israelische Siedler einziehen. Aus lokalen Protesten wurden die heftigsten Gewaltausbrüche im Nahen Osten seit Jahren.
Eigentlich sollten im Mai erstmals wieder Parlamentswahlen in den Palästinensergebieten stattfinden. Aber Präsident Abbas verschob die Wahl, "bis garantiert ist, dass Jerusalem und seine Bevölkerung daran teilnehmen". Israel sollte offiziell genehmigen, dass Palästinenser in Jerusalem wählen dürfen, was die israelische Regierung nicht tat.
Die kurzfristige Absage führte zu viel Unmut unter den Palästinensern, vor allem unter den Jüngeren. Diese junge Generation ist zermürbt von einer korrupten Regierung und seht sich nach Freiheit und Frieden. Sie wurde erst nach den Osloer Verträgen ab Mitte der 90er-Jahre geboren und hätte nun zum allerersten Mal gewählt.
Dann sollte es eine Zwangsräumung von vier palästinensischen Familien im Jerusalemer Bezirk Sheikh Jarrah geben. Israelische Siedler sollten dort einziehen. Das schürte Wut und immer neue Proteste in den Innenstadtgassen des arabischen Bezirks. Auch im arabischen Stadtviertel Sheikh Jarrah wurde so heftig protestiert wie seit Langem nicht mehr.
Ohne Netanjahu keine Eskalation?
Statt eines neuen Aufbruchs nach der Wahl brennt es jetzt in Israel und den Palästinensergebieten. Raketen fliegen aus dem Gazastreifen nach Israel. Und die israelische Armee greift aus der Luft Ziele der radikalen Hamas an. Auch Zivilisten werden bei diesen Luftschlägen getötet.
Beobachter sagen, dass Israels Ministerpräsident Netanjahu versucht, mit der Eskalation der Lage erneut an der Macht zu bleiben. Bei der Parlamentswahl in Israel ist seine Partei erneut stärkste Kraft geworden, sein Lager hat aber erneut keine absolute Mehrheit erhalten. Nun wird versucht, eine Koalition ohne Netanjahu zu bilden – eine "Koalition der Veränderung", wie sie sich nennt. Ob das gelingt, ist fraglich.
Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in Palästinensergebieten
Fest steht: Der Internationale Strafgerichtshof hat mit Ermittlungen begonnen. Er will untersuchen, ob es seit 2014 in den Palästinensergebieten zu Kriegsverbrechen kam. Sowohl gegen Israelis als auch Palästinenser soll ermittelt werden. Der Völkerrechtler Norman Paech findet das in doppelter Hinsicht einen Erfolg:
"Einerseits ist es endlich möglich, eine seit 1967 äußerst zweifelhafte völkerrechtliche Situation strafrechtlich zu untersuchen. Und zum zweiten ist es damit nun gelungen, nicht nur afrikanische Kriegsverbrecher – wie bisher immer – vor Gericht zu stellen, sondern auch diejenigen, die aus dem nördlichen und westlichen Bereich sind."