Hass aus der Mitte der Gesellschaft
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Antisemitische Attacken, Angriffe auf Polizisten, Aggressionen gegen Geflüchtete: Gewalt komme zunehmend aus der Mitte der Gesellschaft, warnt der Konfliktforscher Andreas Zick. Eine Ursache seien menschenverachtende Vorurteile.
Steigt die Bereitschaft in der Bevölkerung, Hassgefühle in Gewalt umschlagen zu lassen? Beim Blick auf aktuelle Nachrichten stellt sich dieser Eindruck rasch ein. Auch der Konfliktforscher Andreas Zick zeigt sich alarmiert.
Neu ist die Entwicklung nach seiner Darstellung allerdings nicht: Schon 2011 hätten Daten aus der Bevölkerung eine Verrohung gezeigt, nicht nur in Randgruppen, sondern auch in Mittelschichten. Zick nennt als Beispiel Menschen mit autoritären Staatsvorstellungen.
"Was wir in Deutschland erlebt haben, ist eine riesige Gewaltwelle", sagt er. "Wir reden in den letzten Jahren von Tausenden von Gewalttaten, die auf Hass basieren. Das ist eine Verschiebung sozialer Normen in der Gesellschaft. Offensichtlich wird mehr Gewalt gebilligt zur Durchsetzung von Interessen, um Identitäten klarzumachen oder auch um an bestimmte Ressourcen zu kommen."
Das Dunkelfeld sei trotz Strafverfolgung sehr groß, betont der Forscher. Und zu Alltags- beziehungsweise Mikroaggressionen fehlten noch die Daten. "Insofern müssen wir auch von viel mehr Gewalt in der Gesellschaft ausgehen, auch wenn sich das jetzt furchtbar dramatisch anhört. Es ist aber so."
Vor allem im Bereich der politisch motivierten Kriminalität, auch im Internet, zeigten die Daten eine "Hasswelle". Es seien "immer mehr Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die sich verleiten lassen, die sich radikalisieren lassen von bestimmten gewaltbereiten Gruppen".
Die Aggressionsbereitschaft sei abhängig von jenen, mit denen sich ein Mensch umgebe, so Zick weiter:
"Die Gewaltaffinität steigt, wenn Sie sich identifizieren mit Gruppen, die ein höheres Ausmaß an Gewalt billigen, wenn Sie die Zugehörigkeit aus diesen Gruppen bekommen, wenn Sie meinen, Sie bekommen über diese Gruppen einen Anschluss, einen Selbstwert, wenn Sie meinen, Sie bekommen über diese Gruppen einen Einfluss."
Soziale Normen haben sich verschoben
Der andere Faktor sei das "Bewusstsein sozialer Normen". Diese hätten sich verschoben, was sich unter anderem in Gewalt gegen Angehörige im öffentlichen Dienst zeige. Zick betont, dass man die Entwicklung sehr ernst nehmen müsse. Häufig fühlten sich Kommunen überfordert.
Im Alltag fehle es an Gewaltprävention. Nach der Schule finde diese quasi nicht statt. Prävention müsse es schon im Vorfeld von Gewalt geben: "Wir müssen an menschenfeindliche Vorurteilsbilder ran", so Zick.
(bth)