Giacometti: "Alles ist Zeichnung"
Er stammte aus einem der hintersten Dörfer der Schweizer Berge. Als 21-jähriger ging er zum Studium nach Paris. Die meisten Werke, die der junge Alberto Giacometti schuf, zerstörte er wieder. Erst auf die Bitte seines Vaters ertrug er auch weniger vollendete Stücke. Das Kunsthaus Zürich zeigt mit "Aufbruch zur Avantgarde" Werke aus den schwierigen Anfangsjahren des berühmten Künstlers.
Alberto Giacometti: "C´est vrai que je suis rarement content, donc c´est pour cela que je continue à travailler."
Er war wirklich nie zufrieden. Ein unermüdlicher Arbeiter im Weinberg der Kunst, eine Art Sisyphos in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Und das war von Anfang an schon so. Die meisten Werke, die der junge Alberto Giacometti schuf, zerstörte er wieder. Erst die flehentlichen Bitte des Vaters ändert dies. Er möge doch bitte bedenken, so schrieb Giacometti Senior, der selber Künstler war, dass gerade die Momente, in denen man nicht mehr weiterweiß, in denen man feststeckt, dass genau diese Momente die wertvollsten seien, weil sie einem aufzeigten, was am schwersten falle, und damit auch das größte Potenzial offen legten.
Der junge Alberto hört danach auf, seine Skulpturen und Zeichnungen zu zerstören. Er geht nach Paris zum Studium zum damals bekanntesten Lehrer Bourdelle, und wird nach vielen Jahren des Zögerns und Scheiterns jener Alberto Giacometti, der heute in der ganzen Welt bewundert wird. Das Kunsthaus Zürich zeigt nun diese schwierigen Anfangsjahre mit gut 100 Werken.
Tobia Bezzola vom Kunsthaus Zürich: "Er hat als Sohn eines Künstlers, der sehr, sehr früh zu malen und zu zeichnen und zu modellieren beginnt, eine lange, lange und reiche Karriere hinter sich. Und wir versuchen nun zum ersten Mal, dem auch gerecht zu werden, in dem in der entsprechenden richtigen Proportion die zehner, die zwanziger und die dreißiger Jahre umfassend und gründlich dokumentiert und gezeigt werden."
Alberto Giacometti stammte aus Stampa. Einem kleinen Dorf im italienischen Teil der Schweiz im Bergell. Und er entstammte einer wahrhaft künstlerischen Familie. Der Vater war ein bekannter Maler, die Mutter und die Geschwister waren ebenfalls künstlerisch tätig, und immer wieder kehrte Alberto nach Stampa zur Familie zurück. Damit ihm Vater, Mutter und Brüder Modell saßen. Schon in diesen frühen Anfangsjahren entdeckt Alberto etwas, das er sein Leben lang beibehielt: die Bedeutung der Zeichnung für sein Werk. 1965, ein Jahr vor seinem Tod, sagte er:
"Alles ist Zeichnung. Eine Skulptur ist eine Zeichnung im dreidimensionalen Raum. Ein Gemälde ist eine Zeichnung mit Farben. Man kann sagen, zumindest für mich gilt das: Alles ist bloß Zeichnung."
Und noch etwas entdeckt der junge Giacometti, der sich wie seine Zeitgenossen auch in den zwanziger Jahren durch die Plastiken der afrikanischen und ozeanischen Völker anregen lässt: die Bedeutung der Augen für das Entstehen einer Skulptur.
Alberto Giacometti: "Wenn ich nicht arbeite, dann habe ich das Gefühl, dass alles klar ist. Ich sehe sogar den fertigen Kopf vor mir. Wenn ich dann anfange zu modellieren, ist alles wieder verloren. Ich fange bei Null an. Was mich am meisten am Kopf interessiert, sind die Augen. Wenn ich die Augen erfasst habe, die Nasenwurzel, den Abstand zwischen den Augen, den Blickwinkel, dann kann die Arbeit losgehen. Alles andere entsteht nur aus diesen Augen."
Der junge Mann aus dem hintersten Dorf der Schweizer Berge, der als 21-Jähriger zum Studium in die pulsierende Kunstzentrale Paris geht, er bekommt schnell Kontakt zu den Surrealisten, die seine Plastiken bewundern. Giacometti schafft abstrakte Skulpturen, da er der Meinung ist, dass man das Lebendige überhaupt nicht wiedergeben könne. Er schafft Rätselspiele wie seine "Hängende Kugel" oder die lange "Nase", die in einem Käfig verloren im Raum hängen, als Bildhauer ist er ungeheuer innovativ.
Tobia Bezzola vom Kunsthaus Zürich: "Giacometti entwickelt insbesondere in den zwanziger Jahren neue Konzeptionen, ganz neue Ansätze der Skulptur, des Skulpturalen. Die sockellose Skulptur oder die begehbare Skulptur als Environnement, die Bewegung in der Skulptur usw., die dann für Bildhauer und Künstler ab den 60er, 70er, 80er Jahren bis heute wichtig werden und die sich ausentfalten und untersucht werden bis heute in der Gegenwart."
Auch wenn das Werk kein reales Abbild des Lebendigen sein könne, da alles Lebendige sich fortentwickle und sich jeder Festhaltung entziehe, so müsse doch jedes Werk selbst lebendig sein. Das war sein Anspruch. Von Anfang an. An den 100 ausgestellten Werken kann man dies nun überprüfen und erkennt: Egal ob der Kopf des Vaters oder der Mutter, der noch modellhaft der Plastik des 19. Jahrhunderts verhaftet ist und doch mit seinen seitlichen Abflachungen darüber hinausweist; egal, ob die so genannte "kubistische" Skulptur, bei der figürliche Elemente wie bei einem Zusammenstoß ineinanderverkeilt sind, oder ob bei Giacomettis dritter Ausdrucksform, den ethnografischen Skulpturen, die einen Löffel als Bauch oder eine Kelle als Haus nehmen – immer ist Giacometti einfallsreich und revolutionär. Ein Künstler, der immer Neues wollte und auch erreichte, und für den einzig der Weg das Ziel war. Ein Sisyphos eben...
"Ob man nun weiterkommt oder ob man scheitert, das ist genau dasselbe. Man kann nur weiterkommen, indem man scheitert. Je mehr man scheitert, desto weiter kommt man voran. Wenn man wirklich nicht mehr weiterweiß, wie man das Modelliermesser halten soll, dann kann man weiterkommen. Je mehr man scheitert, desto mehr erreicht man."
Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich zeigt die Anfangsjahre Giacomettis eindrucksvoll. Und auch Tobia Bezzola ist zufrieden:
"Die Durchdringung von Vollform und Hohlraum, die Untersuchung des Verhältnisses von Horizontalität und Vertikalität, also eher künstlerische, theoretische, abstrakte Probleme werden ihrerseits auch weiterentwickelt. Giacometti sprach immer von diesen Krisen und Brüchen. Aber es hängt alles mit allem natürlich sehr eng und sehr dicht zusammen. Ist nicht ein Künstler, der völlig Schluss macht und dann ein Jahr später kommt dann etwas völlig Neues. So ist das nicht!"
Service:
Die Ausstellung "Aberto Giacometti - Aufbruch zur Avantgarde" ist im Kunsthaus Zürichvom 16. Mai bis 26. August 2007 zu sehen.
Er war wirklich nie zufrieden. Ein unermüdlicher Arbeiter im Weinberg der Kunst, eine Art Sisyphos in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Und das war von Anfang an schon so. Die meisten Werke, die der junge Alberto Giacometti schuf, zerstörte er wieder. Erst die flehentlichen Bitte des Vaters ändert dies. Er möge doch bitte bedenken, so schrieb Giacometti Senior, der selber Künstler war, dass gerade die Momente, in denen man nicht mehr weiterweiß, in denen man feststeckt, dass genau diese Momente die wertvollsten seien, weil sie einem aufzeigten, was am schwersten falle, und damit auch das größte Potenzial offen legten.
Der junge Alberto hört danach auf, seine Skulpturen und Zeichnungen zu zerstören. Er geht nach Paris zum Studium zum damals bekanntesten Lehrer Bourdelle, und wird nach vielen Jahren des Zögerns und Scheiterns jener Alberto Giacometti, der heute in der ganzen Welt bewundert wird. Das Kunsthaus Zürich zeigt nun diese schwierigen Anfangsjahre mit gut 100 Werken.
Tobia Bezzola vom Kunsthaus Zürich: "Er hat als Sohn eines Künstlers, der sehr, sehr früh zu malen und zu zeichnen und zu modellieren beginnt, eine lange, lange und reiche Karriere hinter sich. Und wir versuchen nun zum ersten Mal, dem auch gerecht zu werden, in dem in der entsprechenden richtigen Proportion die zehner, die zwanziger und die dreißiger Jahre umfassend und gründlich dokumentiert und gezeigt werden."
Alberto Giacometti stammte aus Stampa. Einem kleinen Dorf im italienischen Teil der Schweiz im Bergell. Und er entstammte einer wahrhaft künstlerischen Familie. Der Vater war ein bekannter Maler, die Mutter und die Geschwister waren ebenfalls künstlerisch tätig, und immer wieder kehrte Alberto nach Stampa zur Familie zurück. Damit ihm Vater, Mutter und Brüder Modell saßen. Schon in diesen frühen Anfangsjahren entdeckt Alberto etwas, das er sein Leben lang beibehielt: die Bedeutung der Zeichnung für sein Werk. 1965, ein Jahr vor seinem Tod, sagte er:
"Alles ist Zeichnung. Eine Skulptur ist eine Zeichnung im dreidimensionalen Raum. Ein Gemälde ist eine Zeichnung mit Farben. Man kann sagen, zumindest für mich gilt das: Alles ist bloß Zeichnung."
Und noch etwas entdeckt der junge Giacometti, der sich wie seine Zeitgenossen auch in den zwanziger Jahren durch die Plastiken der afrikanischen und ozeanischen Völker anregen lässt: die Bedeutung der Augen für das Entstehen einer Skulptur.
Alberto Giacometti: "Wenn ich nicht arbeite, dann habe ich das Gefühl, dass alles klar ist. Ich sehe sogar den fertigen Kopf vor mir. Wenn ich dann anfange zu modellieren, ist alles wieder verloren. Ich fange bei Null an. Was mich am meisten am Kopf interessiert, sind die Augen. Wenn ich die Augen erfasst habe, die Nasenwurzel, den Abstand zwischen den Augen, den Blickwinkel, dann kann die Arbeit losgehen. Alles andere entsteht nur aus diesen Augen."
Der junge Mann aus dem hintersten Dorf der Schweizer Berge, der als 21-Jähriger zum Studium in die pulsierende Kunstzentrale Paris geht, er bekommt schnell Kontakt zu den Surrealisten, die seine Plastiken bewundern. Giacometti schafft abstrakte Skulpturen, da er der Meinung ist, dass man das Lebendige überhaupt nicht wiedergeben könne. Er schafft Rätselspiele wie seine "Hängende Kugel" oder die lange "Nase", die in einem Käfig verloren im Raum hängen, als Bildhauer ist er ungeheuer innovativ.
Tobia Bezzola vom Kunsthaus Zürich: "Giacometti entwickelt insbesondere in den zwanziger Jahren neue Konzeptionen, ganz neue Ansätze der Skulptur, des Skulpturalen. Die sockellose Skulptur oder die begehbare Skulptur als Environnement, die Bewegung in der Skulptur usw., die dann für Bildhauer und Künstler ab den 60er, 70er, 80er Jahren bis heute wichtig werden und die sich ausentfalten und untersucht werden bis heute in der Gegenwart."
Auch wenn das Werk kein reales Abbild des Lebendigen sein könne, da alles Lebendige sich fortentwickle und sich jeder Festhaltung entziehe, so müsse doch jedes Werk selbst lebendig sein. Das war sein Anspruch. Von Anfang an. An den 100 ausgestellten Werken kann man dies nun überprüfen und erkennt: Egal ob der Kopf des Vaters oder der Mutter, der noch modellhaft der Plastik des 19. Jahrhunderts verhaftet ist und doch mit seinen seitlichen Abflachungen darüber hinausweist; egal, ob die so genannte "kubistische" Skulptur, bei der figürliche Elemente wie bei einem Zusammenstoß ineinanderverkeilt sind, oder ob bei Giacomettis dritter Ausdrucksform, den ethnografischen Skulpturen, die einen Löffel als Bauch oder eine Kelle als Haus nehmen – immer ist Giacometti einfallsreich und revolutionär. Ein Künstler, der immer Neues wollte und auch erreichte, und für den einzig der Weg das Ziel war. Ein Sisyphos eben...
"Ob man nun weiterkommt oder ob man scheitert, das ist genau dasselbe. Man kann nur weiterkommen, indem man scheitert. Je mehr man scheitert, desto weiter kommt man voran. Wenn man wirklich nicht mehr weiterweiß, wie man das Modelliermesser halten soll, dann kann man weiterkommen. Je mehr man scheitert, desto mehr erreicht man."
Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich zeigt die Anfangsjahre Giacomettis eindrucksvoll. Und auch Tobia Bezzola ist zufrieden:
"Die Durchdringung von Vollform und Hohlraum, die Untersuchung des Verhältnisses von Horizontalität und Vertikalität, also eher künstlerische, theoretische, abstrakte Probleme werden ihrerseits auch weiterentwickelt. Giacometti sprach immer von diesen Krisen und Brüchen. Aber es hängt alles mit allem natürlich sehr eng und sehr dicht zusammen. Ist nicht ein Künstler, der völlig Schluss macht und dann ein Jahr später kommt dann etwas völlig Neues. So ist das nicht!"
Service:
Die Ausstellung "Aberto Giacometti - Aufbruch zur Avantgarde" ist im Kunsthaus Zürichvom 16. Mai bis 26. August 2007 zu sehen.