Gianna Molinari: Hier ist noch alles möglich
Aufbau Verlag, Berlin 2018
192 S., 18 Euro
Einsame Frau sucht wildes Tier
Eine Nachtwächterin streift übers Fabrikgelände und hält Ausschau nach dem wilden Tier - dem Wolf. Gianna Molinaris Roman "Hier ist noch alles möglich" schwankt zwischen Traum und Wirklichkeit und erzählt von der Sehnsucht nach einer aufregenden Existenz.
Früher hat sie in einer Bibliothek gearbeitet, jetzt wohnt sie in einem karg möblierten Raum auf dem Fabrikgelände. Sie trifft nur die wenigen Menschen, die hier noch arbeiten. Die Fabrik steht kurz vor der Abwicklung. Sie ist bescheiden und wortkarg, gibt nicht viel preis von ihrem früheren Leben: "Ich möchte die Arbeit als Nachtwächterin nicht gegen meine frühere Arbeit in der Bibliothek eintauschen. Zwar haben die beiden Arbeitsstellen einige Gemeinsamkeiten. In der Bibliothek suchte ich nach bestellten Büchern und trug sie zusammen. In der Fabrik suche ich nach einem Wolf. In der Bibliothek wie auch bei der Arbeit als Nachtwächterin ist das Tageslicht rar."
Die 1988 geborene Schweizer Autorin erzählt lapidar, spröde und genau instrumentiert von einer Seelenexkursion der besonderen Art. Nacht für Nacht überprüft die junge Frau die Zäune, schaut auf die Überwachungskameras, um ihn endlich einmal zu sehen: den Wolf. Sie scheint ihn herbei zu sehnen, den Einbruch der Naturgewalt in ihre seelen- und ereignislose Existenz. Eine Grube wird umständlich ausgehoben, eine Falle für dass wilde Tier, von dem niemand weiß, ob es tatsächlich da ist.
Die 1988 geborene Schweizer Autorin erzählt lapidar, spröde und genau instrumentiert von einer Seelenexkursion der besonderen Art. Nacht für Nacht überprüft die junge Frau die Zäune, schaut auf die Überwachungskameras, um ihn endlich einmal zu sehen: den Wolf. Sie scheint ihn herbei zu sehnen, den Einbruch der Naturgewalt in ihre seelen- und ereignislose Existenz. Eine Grube wird umständlich ausgehoben, eine Falle für dass wilde Tier, von dem niemand weiß, ob es tatsächlich da ist.
Fixiert auf seltsame Begebenheiten
Die Suche nach dem Wolf wird zu einer Suche nach einer eigenen Geschichte. Die Autorin umkreist ihre Figur, verweigert jedoch jeden Blick nach innen. Die Nachtwächterin erforscht und notiert seltsame Begebenheiten, von denen erzählt, die nicht aufgeklärt werden konnten: Was hatte es mit der Leiche eines dunkelhäutigen Mannes auf sich, der als Toter aus einem Flugzeug fiel, in der Maschine offenbar schon erfroren war? Wer der Mann war, woher er kam, konnte nie geklärt werden. Und die Ähnlichkeit der Nachtwächterin mit dem Bild auf einem Fahndungsplakat bleibt auch ein Rätsel. Wirklichkeit und Imagination vermischen sich.
Der Roman entwickelt einen großen Sog, verrät sein Geheimnis nicht, verweigert sich einem Plot mit Spannungsbögen oder empathischen Figurenzeichnungen. Stattdessen gibt es in dem schön gemachten Buch Zeichnungen, Fotos und unterschiedliche Typographien als Zugabe, als Lektüre-Hilfestellungen. Am Ende sitzt ein - realer oder erträumter - Wolf im Zimmer der Heldin, und man fühlt sich an den starken Film "Wild" von Nicolette Krebitz erinnert, in dem es um den Versuch einer Zähmung ging und die Sehnsucht einer jungen Frau nach dem wilden Tier, das die fade Existenz auslöscht.
Der Roman entwickelt einen großen Sog, verrät sein Geheimnis nicht, verweigert sich einem Plot mit Spannungsbögen oder empathischen Figurenzeichnungen. Stattdessen gibt es in dem schön gemachten Buch Zeichnungen, Fotos und unterschiedliche Typographien als Zugabe, als Lektüre-Hilfestellungen. Am Ende sitzt ein - realer oder erträumter - Wolf im Zimmer der Heldin, und man fühlt sich an den starken Film "Wild" von Nicolette Krebitz erinnert, in dem es um den Versuch einer Zähmung ging und die Sehnsucht einer jungen Frau nach dem wilden Tier, das die fade Existenz auslöscht.