Die poetische Kraft des Protests
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Er ist nicht nur ein musikalischer Superstar Brasiliens, sondern war auch der erste schwarze Kulturminister. Beim Wassermusik-Festival hatte Gilberto Gil sein neues Album im Gepäck und begeisterte mit einem "Wohlfühlkonzert".
Der Südatlantik und seine musikalischen Kulturen stehen in diesem Jahr im Fokus des Wassermusik-Festivals im Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Da darf die Musik Brasiliens nicht fehlen. Und mit ihr ein Superstar des Landes: Gilberto Gil.
Der Singer-Songwriter hat eine eigene kulturpolitische Bewegung mitbegründet: den Tropicalismo. Seit den späten 1960er-Jahren veröffentlichte Gil mehr als 50 Alben und stand gemeinsam mit Stevie Wonder und Jimmy Cliff auf der Bühne. Zwischen 2003 und 2008 war Gil zudem Kulturminister unter dem linken Ex-Präsidenten Lula da Silva.
Raggae-Duo mit der zehnjährigen Enkelin
Sein Konzert im Haus der Kulturen der Welt in Berlin ließ sich in zwei Hälften unterteilen: Eine ruhige, etwas beschwerliche erste Hälfte, die einen glauben machte, dass Gil in die Jahre gekommen und ein wenig müde sei, sagt Musikkritikerin Katrin Wilke im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Seine Stimme, die durch eine schwere Krankheit gelitten habe, sei leise gewesen, der 77-Jährige habe kraftlos gewirkt. Im zweiten Teil sei plötzlich ein voll Vitalität und Spielfreude sprühender Gil zu beobachten gewesen, der mit seiner zehnjährigen Enkelin ein witziges Reggae-Duo sang und so temperamentvoll spielte, wie das Publikum es von seinen regelmäßigen Auftritten in Berlin gewohnt sei.
Besonders gefiel Katrin Wilke, dass Gil mit einer agileren, jüngeren Band auftrat, mit der er sich ein besonderes Konzept für sein aktuelles Album "Ok Ok Ok" überlegt hatte. "Es war das Altbewährte und Gutvertraute zu hören, auch wenn ein anderes Repertoire gespielt wurde."
Persona non grata für die brasilianische Regierung
Dass Gilberto Gil für die amtierende Regierung in Brasilien eine Persona non grata ist und auf einer sogenannten Feindesliste mit 700 anderen Prominenten steht, habe der Musiker mit keinem Wort erwähnt. "Es war ein Wohlfühlkonzert", urteilt Katrin Wilke. Aber: "Wer seine Texte versteht, merkt, dass er seine subtile poetische Protestkraft und seine Sozialkritik auf anderen Wegen platziert. Auch die Musik hat ihre Kanten. Es ist nicht alles nur geschmeidig."
(aba)