Giorgio Agamben: Was ist Philosophie?
Aus dem Italienischen von Stefanie Günthner
Fischer, Frankfurt am Main 2018
192 Seiten, 18 Euro
Den Geheimnissen des Seins auf der Spur
In welchem Verhältnis stehen Sprache und Sein? Ist das Sein überhaupt ausdrückbar? Giorgio Agamben befasst sich in seinem neuen Buch mit den Grundfragen der Philosophie - und mit dem, was gesagt oder eben nicht gesagt werden kann.
"Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen." Mit seinem viel zitierten Satz aus dem "Tractatus logico-philosophicus" wollte der Philosoph Ludwig Wittgenstein nicht sagen, dass unangenehme Wahrheiten besser unerwähnt bleiben. Sondern, dass es unsinnig ist, über etwas zu sprechen, das sich nur zeigen kann.
An dieses Verhältnis von Sprache und Sein knüpft Giorgio Agamben in seinem neuen Buch an. In fünf Aufsätzen reflektiert der italienische Philosoph, Jahrgang 1942, der heute als Professor für Ästhetik in Venedig lehrt, Grundfragen der Philosophie.
Agambens zentrales Thema ist das Verhältnis von Philosophie zur Sprache. Die Menschheit, führt er in "Experimentum Vocis" aus, existiert für ihn nur in der "unauflöslichen Bindung an das Wort". Dennoch ist das der Sprache "vorausgesetzte" Sein letztlich nicht ausdrückbar. Die Vokabel Baum vertrete nur als "Zeichen" jene unnennbare Materie, die damit gemeint ist. Der stete Versuch, dieses "Unsagbare" dennoch zu sagen, begründet für Agamben das Paradox der "Unmöglichkeit des Sprechens".
Agambens zentrales Thema ist das Verhältnis von Philosophie zur Sprache. Die Menschheit, führt er in "Experimentum Vocis" aus, existiert für ihn nur in der "unauflöslichen Bindung an das Wort". Dennoch ist das der Sprache "vorausgesetzte" Sein letztlich nicht ausdrückbar. Die Vokabel Baum vertrete nur als "Zeichen" jene unnennbare Materie, die damit gemeint ist. Der stete Versuch, dieses "Unsagbare" dennoch zu sagen, begründet für Agamben das Paradox der "Unmöglichkeit des Sprechens".
Rückgriff auf die antike Philosophie
Anhänger des politischen Giorgio Agamben, des Schöpfers der Begriffe des "Lagers", der "Biopolitik" und des "Ausnahmezustandes", wie er sie in seinem Hauptwerk "Homo sacer" geprägt hat, kommen in dem Bändchen nicht auf ihre Kosten. Stattdessen erleben sie einen Agamben, der in einem nahezu zeitlosen Raum argumentiert. So philologisch, wie er die antike Philosophie durchkämmt, um den Geheimnissen des Seins auf die Spur zu kommen. Andere wissenschaftliche Kontexte zieht er kaum heran.
Als "Einführung in die Philosophie" kommt Agambens Band zu unsystematisch daher. Entsprechend fallen seine Definitionen der Disziplin eher zufällig ab. Wenig überraschend, dass Agamben als eine der herausragenden Aufgaben der Philosophie formuliert, "von dem schieren Umstand Kenntnis zu nehmen, dass wir sprechen und dass das Ereignis des Sprechens dem Lebewesen am Ort der Stimme zustößt".
Einen Stich ins Kulturpessimistische bekommt Agambens Denken dann bei dem wiederkehrenden Motiv der Krise des Westens. Mit der Globalisierung sieht er zu Recht das Ende der Dominanz der "absoluten" Sprache des Indoeuropäischen eingeleitet.
Einen Stich ins Kulturpessimistische bekommt Agambens Denken dann bei dem wiederkehrenden Motiv der Krise des Westens. Mit der Globalisierung sieht er zu Recht das Ende der Dominanz der "absoluten" Sprache des Indoeuropäischen eingeleitet.
Bleibt nur das Schweigen?
Der Vorwurf, die "Informatisierung" fixiere die Sprache in einem "Kommunikationscode, der an Tiersprachen erinnert" bleibt jedoch ebenso bloße Behauptung wie die Rede von der Sprache als "Geschwätz", der jedes Bewusstsein von dem verloren gegangen sei, "was nicht gesagt werden kann". Schweigen als Tugend der öffentlichen Rede?
Dennoch lassen sich aus dem Band progressive Ansätze destillieren. Etwa in dem Aufsatz "Zum Begriff des Erfordernisses". Den definiert er als den "Zustand der äußersten Entfaltung eines alle seine Möglichkeiten in sich bergenden Seins". Er nimmt dieser Bestimmung aber gleich wieder die Dynamik, wenn er sich das Erfordernis wie eine Idee vorstellt, die zwar beständig danach drängt, wirklich zu werden. Die aber ihre Gestalt verlöre, sollte ihr das jemals gelingen. Wovon man nur träumen darf, so ließe sich diese, für Agambens Denken typische Dialektik interpretieren, das darf man nicht realisieren.
Dennoch lassen sich aus dem Band progressive Ansätze destillieren. Etwa in dem Aufsatz "Zum Begriff des Erfordernisses". Den definiert er als den "Zustand der äußersten Entfaltung eines alle seine Möglichkeiten in sich bergenden Seins". Er nimmt dieser Bestimmung aber gleich wieder die Dynamik, wenn er sich das Erfordernis wie eine Idee vorstellt, die zwar beständig danach drängt, wirklich zu werden. Die aber ihre Gestalt verlöre, sollte ihr das jemals gelingen. Wovon man nur träumen darf, so ließe sich diese, für Agambens Denken typische Dialektik interpretieren, das darf man nicht realisieren.