Ärger eint die Brics-Staaten
Im russischen Ufa arbeiten die Brics-Staaten an einer gemeinsamen Wirtschaftsstrategie. Doch momentan eine die Staatengruppe vor allem der Ärger über die Weltbank und IWF, sagt der Wirtschaftsprofessor Rolf Langhammer. Die Brics sei keine homogene Staatengruppe.
Allerdings erwartet Langhammer, Professor für internationalen Handel an der Otto Beisheim School of Management in Koblenz, dass die Brics-Staaten als Zusammenschluss von Schwellenländern an Bedeutung gewinnen werde und die Gruppe größer werden wird.
Bei der Zusammenkunft im russischen Ufa eine die Mitgliedsstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika derzeit vor allem der Ärger über die ungerechten Stimmverhältnisse im Internationalen Währungsfonds (IWF) und in der Weltbank. Die Stimmverhältnisse gäben das Gewicht dieser Länder im Welthandel und in der Weltproduktion nicht richtig wieder. Die Reformvorschläge lägen derzeit im US-Kongress auf Eis.
Unterschiedliche Interessen
"Das ist im wesentlichen der größte Ärger und das ist im wesentlichen, was sie eint", sagte Langhammer. Es handele sich bei den Brics aber um keine homogene Staatengruppe. Brasilien und Südafrika seien sehr interessiert an guten Handelsbeziehungen zu den USA. Auch China sei in seiner Rhetorik von der derzeitigen Aggression der russischen Führung weit entfernt.
Wirtschaftsstrategie in Sicht
"Man hat jetzt versucht, in Ufa eine gemeinsame Wirtschaftsstrategie auf den Weg zu bringen", sagte der Volkswirt, der auch für das Institut für Weltwirtschaft in Kiel tätig ist. Es sei unklar, ob das gelingen werde. Dabei gehe es um eine Fülle von Themen, wie den Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus, Gesundheitspolitik, aber auch eine neu zu schaffende Rating-Agentur. "Man wird sehen, ob man unter diesem breiten Fächer gemeinsame Interessen aufspannen kann", sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Die Dominanz Chinas sei dabei aber ein gewisses Problem.
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: In der russischen Stadt Ufa beginnt heute ein zweitägiges Treffen der sogenannten Brics-Gruppe. Aber haben diese Länder wirklich mehr gemein als Anfangsbuchstaben, aus denen sich ein schickes Wort bilden lässt? Bevor wir dieser Frage nachgehen, erklärt unser Korrespondent Hermann Krause, was sich Gastgeber Wladimir Putin von diesem Treffen verspricht.
Hermann Krause über das heute beginnende Brics-Gipfeltreffen in Russland, über das wir jetzt vertiefend mit Rolf Langhammer reden wollen. Er ist Mitarbeiter des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel und Professor für internationalen Handel an der Otto Beisheim School of Management in Koblenz. Schönen guten Morgen, Herr Langhammer!
Rolf Langhammer: Guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Putin will dem Westen zeigen, dass es auch ohne ihn geht, hieß es da gerade. Ist das auch im Sinne der anderen Brics-Staaten?
Langhammer: Nein, das ist es nicht. Brasilien vor allen Dingen ist sehr interessiert an guten Beziehungen, Handelsbeziehungen zu den USA. Das Gleiche gilt auch für Südafrika. Auch China ist sicherlich in seiner Rhetorik weit entfernt von der Aggressivität, die Herr Putin an den Tag legt.
Kassel: Das heißt, wir reden hier im Grunde genommen nicht über eine homogene Staatengruppe?
Langhammer: Nein, ganz und gar nicht. Was sie eint, ist der Ärger über die aus ihrer Sicht ungerechten Stimmverhältnisse in den Bretton-Woods-Institutionen, also Währungsfonds und Weltbank. Da haben sie recht. Diese Stimmverhältnisse geben das Gewicht dieser Länder im Welthandel und in der Weltproduktion nicht richtig wieder. Da liegen die Reformvorschläge für einen größeren Anteil der Länder an den Stimmrechten im amerikanischen Kongress auf Eis. Das ist im Wesentlichen der größte Ärger, und das ist auch, was sie eint.
Chinas Dominanz als Problem
Kassel: Solche Gipfeltreffen finden ja inzwischen regelmäßig statt. Das letzte gab es letztes Jahr in Recife in Brasilien, kurz nach der Fußball-WM. Wie verlaufen denn solche Treffen? Harmonisch? Oder gibt es auch aufgrund dieser Unterschiede auch immer wieder Spannungen?
Langhammer: Das ist schwer zu sagen. Man hat jetzt versucht in Ufa, eine gemeinsame Wirtschaftsstrategie auf den Weg zu bringen. Ob das gelingt, weiß man nicht. Der Fächer ist sehr, sehr breit gespannt, was die Projekte anlangt. Das geht vom Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus bis hin zur Gesundheitsversorgung bis hin zur Gründung einer eigenen Ratingagentur und so weiter. Man wird sehen, ob man unter diesem breiten Fächer gemeinsame Interessen aufspannen kann. Aber klar ist, die Dominanz Chinas aufgrund seiner wirtschaftlichen und vor allen Dingen finanziellen Stärke ist schon ein gewisses Problem, denn natürlich bestimmt dann China auch gerne, wo es lang geht.
Kassel: Es gibt ja nun im Prinzip diese Investitionsbank, Entwicklungsbank, von der auch vorhin die Rede war, schon länger, und es gibt sie auch wieder nicht. Was ist denn da eigentlich im Moment Stand der Dinge?
Langhammer: Ja, da muss man auseinanderhalten, die Brics-Bank ist im Grunde genommen keine Infrastrukturinvestitionsbank, das ist die asiatische Infrastrukturinvestitionsbank. Und daneben gibt es noch den sogenannten Seidenstraßenfonds, der im Wesentlichen von China gefördert wird. Zwischen diesen drei Institutionen gibt es schon gewisse gemeinsame Schnittmengen. Aber entscheidend ist, dass die Brics-Bank einen Reservefonds auflegen will, der, ähnlich wie beim Währungsfonds Ländern helfen soll, die in Zahlungsbilanzschwierigkeiten sind. Und da trägt China mit 41 Prozent den Hauptanteil, und da ist man natürlich dann auch wieder von China abhängig.
Hilfe für Zentralasien möglich
Kassel: Und es stellt sich die Frage, welchen Ländern und unter welchen Umständen man damit helfen würde. Es hieß ja nun gestern aus Russland, Griechenland habe da keine Hilfe zu erwarten. Ist das möglicherweise nur eine vorläufige Mitteilung?
Langhammer: Nein, nach den Statuten gehört Griechenland nicht dazu. Aber es könnte Ländern geholfen werden, die in der Region tätig sind, zum Beispiel den zentralasiatischen Staaten, natürlich auch den Mitgliedern selbst. Aber – das ist an sich ein interessantes Phänomen –, diese Länder müssten auch ein gutes Verhältnis zum Währungsfonds haben, der Währungsfonds müsste sie zumindest mit einem Programm unterstützen, dann würden sie bis zu 70 Prozent ihres Länderanteils auch an Krediten von der Brics-Bank bekommen. 30 Prozent wären dann gesichert für Länder, die, wenn man so will, kein gutes Verhältnis zum Währungsfonds haben. Also man grenzt sich nicht total von den traditionellen Finanzierungsinstitutionen ab.
Kassel: Es gibt diesen Begriff Brics seit knapp 15 Jahren. 2001 hat ihn der Ökonom Jim O'Neill erfunden. Damals war es nur Bric, das S für Südafrika kam 2009 hinzu, ist aber auch schon eine Weile her. Gibt es nicht inzwischen auch schon weitere Länder, die prinzipiell in diese Gruppe gehören würden?
Langhammer: Ja, natürlich. Gemeint sind im Grunde genommen Schwellenländer. Und dann spricht man von N11, das sind die "Next Eleven", das sind also die Länder, die, wie beispielsweise Vietnam oder auch die Türkei, über einen Anteil am Weltbruttoinlandsprodukt von etwa ein bis 1,5 Prozent verfügen. Es gibt fragile Staaten. Also man ist da sehr erfinderisch im Schaffen neuer Kürzel. Entscheidend ist, es sind alles Schwellen- und Entwicklungsländer, eine klare Definition und Abgrenzung gibt es nicht. Aber das sind schon die führenden Länder in ihren Regionen. Es sind eben Ankerländer, das heißt, sie haben Einfluss auf die Nachbarländer in ihrer Region. Und das macht im Grunde genommen diese Gruppe so interessant.
Wachstum in Sicht
Kassel: Heißt das aber – ich meine, aussprechen könnte man es nicht mehr mit der Türkei, Bricst – heißt das, diese Gruppe wird auf die Dauer zerbrechen, oder wird sie tatsächlich konkret größer werden?
Langhammer: Nein, sie wird wahrscheinlich größer werden, denn es gibt ja dann die Berührungspunkte zu den anderen Institutionen. Die Schanghai-Gruppe wurde erwähnt, da sind die zentralasiatischen Staaten drin. China versucht, im Rahmen einer transpazifisch-asiatischen Freihandelsorganisation auch die Länder Südostasiens einzubinden im Wettkampf mit den USA, die das auch versuchen. Also man wird sicherlich nicht bei dieser Fünfergruppe allein bleiben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.