Die neue NATO
Es sei logisch, dass sie dich NATO auf Selbstverteidigung besinne, meint Annette Riedel. Doch diese Haltung berge die Gefahr, dass sich die Allianz und Russland wieder wie im Kalten Krieg gegenüber stünden. Stattdessen müsse die NATO weiterhin den Willen zeigen, mit Russland zusammenzuarbeiten.
Es ist schon so, dass eine NATO, die ein zahnloser Tiger ist, von einem Wladimir Putin vergleichsweise leicht auf einen Bettvorleger reduziert werden kann. Eine NATO, die im Ernstfall Wochen oder gar Monate braucht, bis sie militärisch auf eine Bedrohungslage reagieren kann, ist eine zahnlose NATO. Der Verteidigungsfall wartet nicht.
Dass der Verteidigungsfall eintreten könnte, gegenüber dem vermeintlichen Partner Russland, erscheint in diesen Wochen nicht mehr so ausgeschlossen, wie er es lange Zeit war. Dass die Sorge, es könne dazu kommen, in denjenigen NATO-Ländern, die in unmittelbarer Nachbarschaft des momentan schwer zu lesenden Russlands leben, größer ist als anderswo – sagen wir in Kanada – ist nachvollziehbar.
Insofern entspricht es der Logik des Bündnisses, sich auf seine Selbstverteidigung zu besinnen und die Fähigkeiten dazu so um- und aufzubauen, dass im Bedarfsfall alle Mitglieder – im Süden, Norden, Westen und Osten – auf mehr als versichernde Worte bauen können. Sonst wäre die NATO als Verteidigungsbündnis eine Farce. Und damit überflüssig. Nichts hat zu dieser Erkenntnis wirksamer beitragen können, als ein gewichtiger Nachbar im Osten, den man wiewohl nicht als Feind, so doch nicht mehr als Partner, als Freund, sondern als potenziell bedrohlich wahrnimmt.
Bewaffnete Konflikte unter der Schwelle des Krieges
Es gibt aber eine Gefahr, die in dieser Rückbesinnung auf den Gründungsgedanken der Nato liegt: Die Gefahr ist, dass die Allianz im Zuge von neuen schnellen Eingreiftruppen, Ost-Präsenz, Rückversicherung und Selbstvergewisserung in eine Konfrontation mit Russland gerät, die der des Kalten Krieges ähnelt. Nur dass die neue Konfrontation auf eine Welt träfe, in der Konflikte hybrid, bewaffnete Auseinandersetzungen wie in der Ost-Ukraine unterhalb der Schwelle eines erklärten Krieges ausgetragen werden. Was die Sache nicht vereinfacht.
Russland wird als Partner gebraucht. So richtig es ist, dass die NATO sich entschlossen und vor allem geschlossen zeigt, so essenziell wichtig ist es auch, dass sie die Bereitschaft signalisiert, grundsätzlich weiter mit Russland zusammen arbeiten zu wollen. Es ist richtig, dass die Allianz deshalb mit der angestrebten verstärkten Präsenz im Osten unterhalb der Schwelle bleibt, die bedeuten würde, dass die NATO, wie zuvor schon Russland, diesem wichtigen Element der europäischen Sicherheitsarchitektur ebenfalls de facto eine Absage erteilte. Allerdings, auch das muss gesagt werden, strapaziert sie mit den jetzt geplanten Maßnahmen den Interpretationsspielraum, den die Vereinbarungen mit Russland lassen, bis an die Grenze zur Trickserei.
Nächster NATO-Gipfel in Polen - ein kleines Signal
Beim Gipfel von Wales hat sich vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise eine NATO gezeigt, die sich ihrer Bedeutung für die Sicherheitspolitik ihrer Mitglieder – wieder – bewusst ist. Nicht Bettvorleger sein zu wollen, heißt noch lange nicht, in jeder Situation den Tiger geben zu müssen. Manchmal sind es tatsächlich schon kleine Signale, die einige Wirkung entfalten können, auch nach innen. Dass der nächste NATO-Gipfel im osteuropäischen Nato-Land Polen stattfinden wird, ist so eines.