Feierabendpunks, aber keine Mädchen
Die Girl Band gilt als die Liveband der Stunde. Mit ihrem energetischen Post Punk kommen die vier jungen Männer aus Dublin für zwei Konzerte nach Deutschland. Fabian Reichle hat versucht, der Faszination dieser Band auf die Spur zu kommen.
"The Cha Cha Cha". Ein Song von Girl Band. Länge: 25 Sekunden. Schneller Höhepunkt, abruptes Ende. Der Text: vorwiegend Wortspiele, wenig Sinn. Für das amerikanische Online-Magazin Pitchfork, immerhin eine der wichtigsten Seiten, wenn es um alternative Popmusik geht, war das offenbar zu ungewöhnlich. Das Magazin hat "The Cha Cha Cha" nicht rezensiert, mit der Begründung, dies sei kein Song.
Die Stücke von Girl Band klingen, als wären sie das Produkt von ein paar herumblödelnden, versoffenen Jungs, die sich in der Garage eingesperrt haben. Aber der Schein trügt.
Eigentlich sind die Vier ganz brave Mittzwanziger: Jeans und Karohemd, nüchternes Auftreten. Das passt nicht so ganz zur Musik. Man erwartet junge Männer die sich radikal und laut gegen den Strom lehnen und etwas erschaffen, was man nicht erwartet. Eine Art Punk. Nur eben ohne Piercing in der Wange. Ob sie sich denn selbst als Punks bezeichnen?
Schlagzeuger Adam Faulkner: "Wir nehmen viel vom Ethos des Punks, also diesen Do-It-Yourself-Aspekt. Es geht uns mehr um die Mentalität als um den Klang der Musik, die uns beeinflusst hat."
Daniel Fox, Adam Faulkner, Dara Kiely und Alan Duggan haben sich zum Teil in der Schule kennengelernt. Manche von ihnen wohnen noch bei ihren Eltern. Aber jetzt steht eine Tour durch die USA an. Ihr bürgerliches Leben mit soliden Jobs mussten sie dafür erst mal an den Nagel hängen. Doch so wild die Musik klingt, auf der Bühne sehen die Jungs aus wie fleißige Musikarbeiter, fast schon ein bisschen gelangweilt. Einzig Frontmann Dara rastet aus, greift immer wieder nach seinem Hemd, als würde er es gleich zerreißen. Man fragt sich, ob diese Art von Performance eine gezielte Wirkung haben soll.
Bassist Daniel Fox winkt ab: "Unsere Musik kommt ganz von selbst, ich glaube, dass wir da gar nicht richtig darüber nachgedacht haben. Das passiert einfach, wenn vier Kerle in einem Zimmer verbringen."
Punk im Stil von 2015
Wer ein Stück komponiert, das kürzer als 30 Sekunden ist, muss sich aber zumindest mit Punk auseinandergesetzt haben. Punk- und Post-Punk-Elemente aus den Siebzigern und Achtzigern sind in der Musik von Girl Band nicht zu überhören. Und natürlich sind Größen wie die Sex Pistols und Joy Division den jungen Männern ein Begriff. Eine große Rolle spielten diese Bands in ihrer musikalischen Entwicklung aber nicht, wie Schlagzeuger Adam Faulkner erklärt:
"Meine Eltern sind sehr gläubige Christen, also wurde ich mir christlicher Musik erzogen, dazu viel Klassik. Diese Sachen höre ich mir aber kaum noch an. Mit 12 habe ich meinen eigenen Musikgeschmack entwickelt. Aber Daniel hatte schon früh mit guter Musik zu tun. Mein Vater war auch Musiker, als ich klein war spielte er mir immer King Crimson vor und ich bin mit den Beatles und den schrägeren Miles-Davis- Alben groß geworden. Diese obskure Musik so früh zu hören, hat mich sehr beeinflusst."
Girl Band machen Nischenmusik. Aber so krawalllastig ihr Sound ist, bleibt diese Musik doch nicht unzugänglich. "Holding Hands With Jamie", das Debüt der Band aus Dublin, ist nach heutigen Maßstäben produziert. Der verzerrte Bass und die Stimme von Sänger Dara, die er mit nihilistischer Attitüde einsetzt, sind ein echter Hinhörer. Girl Band liefern mit ihrer rauen Musik das Ventil, das wir uns oft wünschen, wenn wir hinter den glatten Oberflächen unserer Computerbildschirme verschwinden oder auf glänzenden Smartphones herumtippen. Tagsüber gehen die Bandmitglieder ihren Brotjobs nach und wohnen noch im Jugendzimmer. Und abends muss die Energie, die im bürgerlichen Alltag so gedeckelt wird, raus. Andere machen zum Ausgleich Yoga. Girl Band machen Punk – Punk im Stil von 2015.