Gisela Steineckert

Vertrauen in die Utopie

07:26 Minuten
Die Lyrikerin Gisela Steineckert sitzt auf einer Bühne und dreht sich lächelnd zum Publikum um.
Die Lyrikerin Gisela Steineckert ist seit über 60 Jahren als freischaffende Autorin unterwegs. © imago / Daniel Schäfer
Irmtraud Gutschke im Gespräch mit Andrea Gerk |
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Gisela Steineckert hat, ohne es zu wollen, eine Wendehymne geschrieben: "Als ich fortging" ist eigentlich ein Liebeslied. Neben Tausenden von Songtexten hat sie über 40 Bücher verfasst - heute wird die Berliner Schriftstellerin 90 Jahre alt.
Lieder wie "Als ich fortging" von Dirk Michaelis, "Komm, wir malen eine Sonne" von Frank Schöbel oder "Ein Winter ist mir widerfahr'n" von Veronika Fischer haben eins gemeinsam: Die Texte stammen von der Lyrikerin Gisela Steineckert.
Tausende Songs sind dank der gebürtigen Berlinerin entstanden. Dazu schrieb sie Gedichte und Prosa. Die DDR-Führung bedachte Steineckert dafür mit hochkarätigen Auszeichnungen wie dem Vaterländischen Verdienstorden in Bronze oder dem Nationalpreis der DDR.

Unkorrumpiert und bodenständig

Die Lyrikerin ließ sich dadurch nicht korrumpieren und blieb bodenständig, sagt die Autorin Irmtraud Gutschke, die aus ihren Gesprächen mit Steineckert ein Buch gemacht hat ("Gisela Steineckert. Das Leben hat was", Das Neue Berlin, 16,99 Euro). Als Ikone würde sie sich nicht bezeichnen: "Ich glaube, da würde sie sagen, nein, das bin ich doch nicht."
Steineckert war zunächst Sprechstundenhilfe, bevor sie als Redakteurin beim Satire-Magazin "Eulenspiegel" arbeitete. "Dann wurde sie gefragt, ob sie ein Hörspiel machen will", berichtet Gutschke. Und obwohl es nicht leicht war, in der DDR mit freiberuflicher Arbeit über die Runden zu kommen, hat Steineckert es geschafft.

Lieder auf den Leib geschrieben

Für Lieder hatte die inzwischen 90-Jährige ein besonderes Händchen. Und doch wussten die meisten Fans von Frank Schöbel nicht, dass die Texte von Steineckert stammten. Sie selbst hingegen wollte die Künstler ganz genau kennenlernen: "Sie hat mit den Sängerinnen und Sängern, bevor sie ein Lied für sie schrieb, eine persönliche Beziehung aufgebaut. Sie hat sie nach ihren Vorlieben gefragt. Sie hat versucht, sie gut kennenzulernen, damit sie ihnen die Lieder auf den Leib schreiben kann. Die Lieder sollten so sein, dass gar keiner merkt, dass sie nicht von der Sängerin, dem Sänger stammt", so Gutschke.
Und so entstand auch einer der berühmtesten Songs: "Als ich fortging". Gespielt von der Band "Karussell", gesungen von Dirk Michaelis.
Ursprünglich ein Liebeslied, wurde es im Herbst 1989, als alle fortgingen, zur Wendehymne. Gisela Steineckert blieb in der DDR. Sie sei so voller Grundvertrauen gewesen, dass sie immer an die Utopie geglaubt hat und das heute auch nicht verleugnet, sagt Gutschke: "Sie hat alles Mögliche kritisch gesehen, sie hat das auch den Mund aufgemacht. Aber das bedeutete nie, die DDR ganz und gar zu verneinen."
(beb)
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