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Sir John Falstaff – Ritter von der fetten Gestalt
Wie aufhören? Diese Frage beschäftigte Giuseppe Verdi, der die Opernbühne nicht mit einem tragischen Stück verlassen wollte. So wurde der "Falstaff" zu seinem letzten Bühnenwerk – ein finales Lachen über diese Welt.
"Es gibt nur einen Weg, noch besser Schluss zu machen als mit 'Otello', nämlich siegreich mit 'Falstaff' zu enden. Nachdem Sie alle Schreie und Klagen des Menschenherzens ertönen ließen, mit einem Ausbruch von Heiterkeit abzuschließen."
Mit diesen Worten gelang es dem Librettisten Arrigo Boito, den greisen Giuseppe Verdi 1889 nach dem Erfolg des "Otello" zu einem weiteren Opernprojekt zu überreden. Nach kurzem Zögern erhielt der Dichter, der selbst ein versierter Komponist war, die Antwort des Maestro: "Amen, so möge es geschehen! Machen wir 'Falstaff'!"
Spaß mit Spießern
"Falstaff", überwiegend auf Shakespeares "Lustigen Weibern von Windsor" fußend, ist eine Komödie, aus deren Grundzügen sich allerdings ebenso gut eine Tragödie machen ließe, so wie fast alle Opern Verdis Tragödien sind. Deren Muster besteht darin, dass ein Einzelner sich gegen die Mehrheit behaupten muss.
In diesem Sinne ist auch die Gardinenpredigt zu verstehen, die Sir John Falstaff, der unangepasste, weil unzeitgemäße Ritter und Soldat, den Spießbürgern von Windsor hält: "Dutzendmenschen jeder Sorte treiben mit mir ihren Spaß und bilden sich darauf noch etwas ein."
Die Welt als Tollhaus
Ein Außenseiter hat eine geschlossene Gesellschaft herausgefordert, und die hat sich an ihm gerächt, hat es ihm in einer Verkleidungs- und Verstellungsorgie ohnegleichen heimgezahlt, ihm eine exorzistische Walpurgisnacht bereitet. Und doch bleibt Falstaff nur scheinbar unterlegen – am Ende gibt es keine eindeutigen Sieger und Besiegten.
Das Fazit aus Verdis und Boitos Theatrum mundi: Wo immer Menschen zusammentreffen und Einzelne mit einer Mehrheit in Konflikt geraten, sind sie einer unglücklichen und einer glücklichen Wendung der Dinge, sind sie einem tragischen und einem burlesken Ausgang gleich nahe. In einer Komödie reichen sich Freund und Feind die Hände – die Welt ist ein Narrenhaus.
Abschied von einer Institution
Diese Sendung wiederholen wir aus dem Jahr 2013 zu Ehren von Karl Dietrich Gräwe. Geboren 1937 in Bielefeld, war er einer der profiliertesten deutschen Operndramaturgen und Musikpublizisten. Ab 1976 wirkte er an der Deutschen Oper Berlin unter den Intendanten Siegfried Palm und Götz Friedrich. Intensiv arbeitete er mit dem Dirigenten und Komponisten Giuseppe Sinopoli zusammen, für dessen Oper "Lou Salomé" er 1981 das Libretto schrieb.
Fast ein halbes Jahrhundert lang war er auch in verschiedenen Rundfunkprogrammen zu hören; in den letzten Jahren konzentrierte er sich auf die "Interpretationen" von Deutschlandfunk Kultur. Am 14. Oktober ist Karl Dietrich Gräwe nach langer Krankheit im Alter von 82 Jahren gestorben.