Glaubensfest und Protest

Von Norbert Sommer |
Eine Million Jugendliche feiern kommende Woche den Weltjugendtag in Madrid. Doch während die einen mit dem Papst singen und beten, halten die Jugendproteste in Spanien weiter an. Ein Kommentar.
Als zum Abschluss des letzten Weltjugendtages 2008 in Sydney offiziell Madrid als nächster internationaler Treffpunkt der katholischen Jugend ausgerufen wurde, konnte niemand ahnen, dass Spanien 2011 von massiven Jugendprotesten erschüttert werden würde. Wie wenig die kirchlichen Weltjugendtags-Planer mit dieser Situation gerechnet hatten, zeigt die hilflos wirkende Feststellung ihres Direktors, der Weltjugendtag sei doch ein Fest des Glaubens und gegen niemanden gerichtet, ja, die Demonstranten seien zum Gebet mit eingeladen.

Mit einem solchen Angebot und dem Hinweis, die Kirche habe Verständnis für viele Forderungen der spanischen Jugend, lässt sich wohl kaum die Kluft zwischen einer zumeist unpolitischen und oft unkritischen internationalen katholischen Jugendbewegung, "Generation Benedikt" genannt, und einer nationalen Protestbewegung frustrierter Jugendlicher überbrücken. Die einen wollen mit dem alten Chef einer uralten Hierarchie feiern, die anderen sehen sich als verlorene Generation, die oft mit 30 noch nicht einmal ihren ersten Job gefunden hat und fordern "Echte Demokratie jetzt!" inklusive basis-demokratischer Debatten. Genau das aber befürchtet die Kirchenleitung, nicht nur bei Weltjugendtagen, sondern grundsätzlich.

Bisher konnte sie die Jugendtreffen entsprechend "keimfrei" halten. Auf Weltjugendtagen fehlen Transparente mit politischen oder kirchenpolitischen Forderungen ebenso wie Resolutionen oder fordernde skandierte Parolen. Stattdessen Hosianna- Rufe wie "Johannes Paul II., wir stehen an Deiner Seite" oder "Benedetto, Benedetto". Aber auch Nachtwachen, Gebet, Gespräch, Meditation, Feiern, Gottesdienste . Das alles fromm und fröhlich, besinnlich und ausgelassen, ernsthaft und spielerisch. Es ist eine Mischung aus Freude am Leben und Pilgerfahrt, Happening und Frömmigkeit, Gespräch und Stille sowie Begegnung mit Jugendlichen aus anderen Ländern.

Die offizielle deutsche Weltjugendtagswerbung bestätigt diese Ausrichtung, heißt es dort doch: "Du möchtest die Freude am Glauben neu entdecken, viele neue junge Leute kennenlernen, den Papst treffen, Spanien erkunden, den ultimativen Sommerurlaub mit Sonne, Strand und Meer, dann komm doch mit uns zum Weltjugendtag in Madrid." Warum nicht? So etwas ist legitim und wird anscheinend von nicht wenigen Katholiken geschätzt. Man muss aber auch wissen ,dass die 1985 von Papst Johannes Paul II. gegründeten Weltjugendtage.

Anlass war damals das von der UNO ausgerufene Internationale Jahr der Jugend - was in erster Linie als Beitrag zur Neu-Missionierung der Welt im Blick auf die Jahrtausendwende verstanden wurde. Konservative Gruppierungen waren immer besonders stark engagiert und Ökumene spielt bis heute keine Rolle. Die Veranstaltungen waren ganz auf den Papst aus Polen ausgerichtet und der jetzige Papst, Joseph Ratzinger, sprach sich als oberster Glaubenshüter gegen diese für oberflächlich gehaltenen Massentreffen aus.

Nur weil sein Vorgänger unmittelbar vor dem für 2005 angesetzten Weltjugendtag in Köln starb, sprang er ein. Und plötzlich genoss er die Begeisterung der jungen Leute und sprach sich für eine Fortsetzung der Tradition aus, allerdings nur noch im Drei- statt im Zwei-Jahres-Rhythmus. Ob ihm wohl jemand sagt, dass die in Madrid versammelten jungen Menschen nicht repräsentativ für die katholische Jugend weltweit sind und dass sich nur noch 53 Prozent der spanischen Jugendlichen als katholisch bezeichnen und 61,8 Prozent nie in die Kirche gehen? Wahrscheinlich leider nicht.

Mehr zum Thema bei dradio.de
Festival der katholischen Jugend
"Wir wollen ein öffentliches Zerreißen des Fotos des Papstes organisieren"