Informationen des Schauspiels Köln zu "Glaubenskämpfer"
Religion ist keine Privatsache
Nuran David Calis hat am Schauspiel Köln ein Stück über "Glaubenskämpfer" collagiert: Menschen, die mit deutlicher Überzeugung ihre Religion in der Öffentlichkeit vertreten. Beeindruckende Persönlichkeiten, erregte Debatten – aber kein theatralischer Abend.
Die vier Schauspieler auf ihren weißen Stühlchen, die an der Rampe der großen Spielfläche aufgereiht stehen, sind wie wir, die Zuschauer. Sie fragen sich: Was soll die ganze Aufregung um den Glauben, der sich da plötzlich mit Macht in den Vordergrund aller weltpolitischen Debatten drängt? Wir hatten uns doch bequem eingerichtet in einer Liberalität und Toleranz, die von Religion wenig bis gar nichts mehr weiß und den Glauben allenfalls als diskret behandelte Privatsache angesehen hat.
Nuran David Calis lässt seine vier lauen Vertreter der aufgeklärten Moderne auf "Glaubenskämpfer" treffen in dem gleichnamigen Abend am Schauspiel Köln. Menschen, die mit Überzeugung und mit deutlichen äußeren Zeichen ihren Glauben auch in der Öffentlichkeit vertreten. Eine Gruppe von Kölner Bürgern aus der Keupstraße, die traurige Berühmtheit erlangt hat als Ziel des Nagelbombenattentats des NSU – Muslime türkischer Herkunft. Ein Vertreter der jüdischen Gemeinde und eine katholische Ordensschwester. Und ein junger Mann, der als 17-Jähriger zum Islam konvertiert und dann in die radikale Salafistenszene geraten ist, aus der er sich nach Jahren befreit hat.
Calis hat schon viele Theaterprojekte gemacht, in denen Laien Themen aus ihrer Lebenswelt auf die Bühne gebracht haben. Dazu müssen sie keine Rollen spielen, eine Handlung gibt es auch in "Glaubenskämpfer" nicht. Allenfalls die lockere Dramaturgie einer Talkrunde. Die Schauspieler sind Stichwortgeber, Fragesteller. Sie bitten darum, die wichtigsten Grundsätze der jeweiligen Religionen erläutert zu bekommen. Sie konfrontieren die Gläubigen mit Vorurteilen und Kritikpunkten – breiten Raum nimmt dabei natürlich das Thema "Islam und Gewalt" ein. Manchmal kommt es zu erregten Debatten, denen man allerdings deutlich anmerkt, dass sie inszeniert sind.
Keiner kann die Konflikte erklären
Weitaus stärker und authentischer sind die Geschichten, die die Glaubenskämpfer erzählen: von Erlebnissen, die sie geprägt haben, von ihrem ganz persönlichen Weg zum Glauben. Beeindruckende Persönlichkeiten begegnen einem da. Jeder hatte auf seine Weise zu kämpfen um den Glauben und keiner vermag Erklärungen oder gar Lösungsvorschläge zu geben für die brutalen Konflikte, die überall auf der Welt im Namen der Religion und ihrer traditionellen Werte ausgefochten werden: vom Terrorregiment des islamischen Staates bis zu den brennenden Asylbewerberheimen, die zur Rettung des christlichen Abendlandes angezündet werden. Es geht um Fragen, nicht um Antworten, das ist eine Stärke des Abends.
Dennoch hält er fest an einer utopischen Hoffnung: Es ist dieselbe, die Lessings Nathan in seiner Ringparabel versteckt hat. Im Kern sind die Religionen und auch die Gläubigen einander viel ähnlicher, als es äußerliche Merkmale oder politisch hochgespielte Gegensätze vermuten lassen. Das ist keine neue Idee, aber mit der Überzeugungskraft seiner Protagonisten kann Calis sie auf sehr berührende Weise vermitteln. Kein theatralischer, aber trotzdem ein spannender Abend.