Glaubenswechsel

Es gibt hierzulande keine Zahlen darüber, wie viele Menschen zum Islam konvertieren. Dennoch ist der Eindruck entstanden, die Zahl solcher Konvertiten habe zugenommen. Die Journalistin Cornelia Filter ist in ihrem Buch "Mein Gott ist jetzt Allah und ich befolge seine Gesetze gern" der Frage nachgegangen, welche Motive Menschen zum Glaubenswechsel bewegen.
Cornelia Filter ist viel unterwegs gewesen, weit im Osten Deutschlands hat sie Konvertiten besucht, im Norden und Süden, und vor allem im Westen. Sie berichtet von dem Erweckungserlebnis eines CDU-Mannes und von einer Frau, die sich mit 40 Jahren scheinbar urplötzlich von ihren Eltern abwandte, mit denen sie immer noch zusammenlebte, einen Moslem heiratete, den sie kaum kannte, und zum Islam konvertierte.

Es sind fremde Geschichten, die Cornelia Filter zu hören bekommt, es sind befremdliche Situationen, die sie erlebt, wenn sie Moscheen besucht, an religiösen Zusammenkünften teilnimmt. Manchmal aber fühlt sie sich auch verblüffend wohl, weil sie Menschen begegnet, die überaus warmherzig sind und gebildet und mit denen sie im Gespräch grundlegende Gemeinsamkeiten feststellt und die sie – so wirkt es gelegentlich – auch ein wenig beneidet um ihre Gewissheit und um ihre Gemeinschaftserlebnisse.

Cornelia Filter bezeichnet sich als zweifelnde Katholikin und als überzeugte Feministin. So ist es nur konsequent, dass sie sich vor allem für Konvertitinnen interessiert und für die Rolle der Frau im Islam. Die interessantesten Sätze dazu sagt ihr allerdings ein Mann, Sulaiman Wilms, der 38-jährige Chefredakteur der "Islamischen Zeitung":

"Was die Frau, die halbnackt am Strand oder im Park liegt, und die Frau mit Kopftuch verbindet, ist, dass sie nichts haben als ihren Körper. Reine Körperlichkeit auf der einen Seite, verhüllte Körperlichkeit auf der anderen – das ist ein Phänomen des Modernismus."

Cornelia Filter beobachtet, dass die zum Islam konvertierten Frauen gerade auch die Frage der Kleidung besonders ernst nehmen:

"Es fällt auf, dass alle jungen Konvertitinnen, mit denen ich sprach, Abbaya oder streng gebundene Kopftücher und islamisch korrekte Kleidung tragen. Die Verhüllung sei vorgeschrieben, bekundeten sie. Doch sie erklärten mir auch, dass diese vor Sexismus schütze. Gaby sagte sogar, die Verhüllung sei demonstrativ antisexistisch. Also gewissermaßen der Protest gegen eine pornografisierte Umwelt und sexuelle Männergewalt. Das sollte uns Nicht-Muslime zum Nachdenken bringen: über den Zustand unserer Laisser-faire-Gesellschaft."

Fragen der Gleichberechtigung stellt Cornelia Filter jedem und jeder und überall, und sie trifft auf eine gestandene Feministin bei ihren Gesprächen mit Konvertitinnen und auch deren Ehemann überrascht sie angenehm.

Anders gesagt: Die Autorin begegnet einer so großen Vielfältigkeit von Motiven und Lebensweisen, dass es schwer fällt, die Einzelschicksale miteinander zu verbinden. Zum einen unterscheiden sich die islamischen Glaubensrichtungen stark und außerdem muss zwischen religiösen und kulturellen Einflüssen unterschieden werden; zum anderen sind die persönlichen Motive der Konvertiten zu betrachten:

"Bei manchen war es die Abenteuerlust, die sie in muslimische Länder führte, oder das Faszinosum Orient in Büchern und Filmen. Manchmal die Sehnsucht nach Religiosität und Spiritualität in einer säkularen, materialistischen Welt oder die Sehnsucht nach Regeln in einer chaotischen Welt. Einige trieb der Wunsch nach Gerechtigkeit in einer rücksichtslosen Welt. Auch Antikapitalismus, die Schönheit des Korans, die Geborgenheit in einer Glaubensgemeinschaft oder der Schutz vor Sexismus durch den Schleier waren Beweggründe."

Die Vielfalt, mit der Cornelia Filter es bei ihrem Thema zu tun hatte, sorgt für die größte Schwäche ihres Buches: Sie reiht Einzelschicksale aneinander, ohne weit genug in die Tiefe zu gelangen, um sie wirklich verständlich zu machen oder auch zu ergründen, ob es etwas Übergeordnetes gibt, was die Einzelnen dann doch verbindet.

Das Verbindende könnte der Wunsch nach einem tragfähigen Glauben sein. Dieser Wunsch scheint immer auf, manchmal auch Enttäuschung durch das Christentum. Was es bedeutet, wenn Konvertiten selbst zu Missionaren werden, ahnt man, wenn man die Äußerungen des ehemaligen Boxers Pierre Vogel liest:

"Für mich ist es natürlich wichtig, dass meine Eltern zum Islam kommen. (…) Das weiß meine Mutter ja auch, dass es, wenn jemand den Islam nicht annimmt, der Weg in die Verdammnis ist."

Das hätte auch ein gläubiger Katholik sagen können. Und das ist vielleicht die Stärke von Cornelia Filters Reportage: Die Vielfalt, der sie begegnet, zeigt: Ob ein Glaube konstruktiv oder destruktiv wirkt, hängt immer auch vom Einzelnen ab.

Aber das ist eine Binsenweisheit, und deshalb hätte ich mir zum Schluss des Buches ein ausführlicheres Resümee, eine beherzte Analyse der Autorin gewünscht. Dafür nimmt sie sich nur sechs Seiten. Und so bleibt der Eindruck eines Buches, das Einzelfälle abbildet – oft sind es bloß seitenlange Abschriften der Gespräche –, Mosaiksteine präsentiert, die kein Bild ergeben. Vielleicht aber ist das auch gar nicht möglich.

Rezensiert von Barbara Dobrick

Cornelia Filter: Mein Gott ist jetzt Allah und ich befolge seine Gesetze gern. Eine Reportage über Konvertiten in Deutschland
Piper Verlag 2008
253 Seiten, 18 Euro