Gleichberechtigt, aber nicht auf Augenhöhe
Der Staatsvertrag zwischen dem Land Bremen und den islamischen Religionsgemeinschaften erleichtert den Bau von Moscheen und erlaubt die Bestattung nach islamischen Vorschriften. Noch aber fehlt der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts - und damit sind wichtige Privilegien verbunden.
Im Keller ist die Moschee, oben das Café - ein großer, karger Raum, einfache Stühle, schlichte Tische, kahle Wände. Nach dem Gebet treffen sich hier die Männer zu einem Plausch.
"Wir befinden uns hier in der Kuba-Moschee in Bremen-Hemelingen, eine der ältesten Moscheen in Bremen überhaupt, 1974 gegründet."
Mustafa Yavuz ist Vorsitzender der Schura, eines Dachverbandes islamischer Gemeinschaften in Bremen. Sozialpädagoge ist er, Vater von vier Kindern, 46 Jahre alt. Der Bart und die schulterlangen Haare, die er hinter den Ohren trägt, sind graumeliert. Den Vorsitz in der Schura übt er ehrenamtlich und unentgeltlich aus. Frau und Familie stecken da zurück.
"Meine Tochter, die jetzt in der Grundschule ist, hat abends mal gesagt, Papa, wann hast du denn keinen Termin."
Zusammen mit Vertretern zweier anderer Dachverbände islamischer Religionsgemeinschaften hat Mustafa Yavuz vor kurzem den Staatsvertrag mit dem Senat Bremen unterschrieben. Sein Vorgänger, der den Vertrag ausgehandelt hat, trat von seinem Amt zurück – zu aufwändig waren die terminlichen Verpflichtungen für den freiberuflichen Dolmetscher und Übersetzer.
Mustafa Yavuz arbeitet im öffentlichen Dienst, er hat flexible Arbeitszeiten. Für den Termin im Rathaus feierte er Überstunden ab. Jederzeit erreichbar soll auch er sein. Im Gegensatz zu den hauptamtlichen Vertretern der katholischen und evangelischen Kirchenverwaltung opfert Mustafa Yavuz seine Freizeit.
Doch auch Kirchenvorstände, erwidert Hans-Ludwig Frese, Religionswissenschaftler an der Universität Bremen, würden ehrenamtlich arbeiten.
"Der Unterschied liegt natürlich darin, dass der Kirchenvorstand auf eine funktionierende, professionelle Struktur zurückgreifen kann – etwa Sekretariate, überhaupt Leute, die am Telefon sitzen, die Post aufmachen und beantworten und so weiter. Natürlich ist es als erstes die Aufgabe der Religionsgemeinschaften selber zu entscheiden, wie weit sie sich professionalisieren wollen oder nicht."
Die islamischen Religionsgemeinschaften zeichnen sich aus durch eine hohe und weitgefächerte Ungebundenheit. Deutsche Behörden erwarten hier eine organisatorische Vereinheitlichung.
"Es wird von Regierungsinstanzen verlangt, wir brauchen eine Telefonnummer. Wenn wir mit euch Muslimen etwas zu klären haben, dann muss es eine Instanz gegen, an die wir uns wenden können und die dann rechtsmäßig und theologisch abgesichert uns eine Auskunft geben kann. Das Problem ist aber, dass so eine vereinheitlichte Struktur aus der Sicht vieler Muslime auch erst einmal unislamisch ist, dass dies dem Islam nicht inhärent ist als Struktur. Das heißt, es würde vielleicht auch zu etwas wie einer Verkirchlichung des Islam führen. Das müssen die Muslime auch sehr gut überlegen, ob sie das wollen."
Der kürzlich unterzeichnete Staatsvertrag zwischen dem Bundesland Bremen und den islamischen Religionsgemeinschaften erleichtert den Bau von Moscheen, erlaubt die Bestattung nach islamischen Vorschriften, regelt die Befreiung an islamischen Feiertagen. Nach wie vor aber bleibt den islamischen Religionsgemeinschaften der Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts vorenthalten - im Gegensatz zur jüdischen Gemeinde und den christlichen Kirchen. Norbert Schlichting, in der Bremer Senatskanzlei zuständig für kirchenrechtliche Angelegenheiten, erklärt warum.
"Die Voraussetzung für die Verleihung der Körperschaftsrechte, da gilt immer noch die Weimarer Reichsverfassung, das ist die Gewähr der Dauer und eine gewisse Verfasstheit. Diese Verfasstheit heißt, sie muss einen gewissen Stand in der Gesellschaft haben, eine gewisse Wahrnehmbarkeit. Gewähr der Dauer, da sagt man, ein Zeitraum von 30 Jahren muss erfüllt sein, dass zumindest ein Generationswechsel erkennbar war, um zu sehen, dass es nicht nur ein Modetrend in Anführungszeichen war. Und bei den Mitgliederzahlen hat man gesagt, ein Promille der Landesbevölkerung muss der Religionsgemeinschaft angehören."
Yavuz: "Wenn man das in Bremen hochrechnet, wären das 500 bis 600 Mitglieder, das würde alleine die Fathi-Gemeinde in Gröpelingen aufbringen, sodass schon jetzt das Kriterium erfüllt würde, was die Mindestanforderungen an Mitgliedschaften anbetrifft."
40.000 bis 60.000 Menschen, schätzt der Schura-Vorsitzende Mustafa Yaruz, würden sich in Bremen zum islamischen Glauben bekennen. Mitgliedslisten dagegen lägen nicht vor. Feste Vereinsstrukturen widersprächen der islamischen Auffassung, wonach der unmittelbare Bezug zwischen Allah und den Gläubigen durch nichts und niemanden beeinträchtigt werden dürfte. Ein Klerus, wie er in der evangelischen und katholischen Kirche existiert, wäre den Muslimen in hohem Maße fremd und suspekt.
Trotz allem: Die islamischen Religionsgemeinschaften streben den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts an – nicht allein um auf Augenhöhe zu sein mit den beiden christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde. Als Körperschaft dürften die Muslime eigene Friedhöfe unterhalten. Nur eine Körperschaft hat das Recht, standesamtlich als eigenständige Religion erfasst zu werden. Nur eine Körperschaft kann den Staat damit beauftragen, Mitgliedsbeiträge einzuziehen. 70 bis 80 Prozent der Ausgaben decken die Kirchen über festgesetzte Mitgliedsbeiträge, die der Staat den Kirchenmitgliedern vom Lohn abzieht - die Kirchensteuer. Der größte Posten entfällt dabei auf Personalkosten. Feste Mitgliedsbeiträge kennen die Muslime hingegen nicht. Jedem ist freigestellt, wie viel er seiner Gemeinde zahlt.
Yavuz: "Wir möchten und haben uns teilweise schon professionalisiert, was die Arbeit auf Bundesebene der Spitzenverbände der islamischen Religionsgemeinschaften anbetrifft. Dort gibt es hauptamtlich Beschäftigte. Nur auf regionaler Ebene ist es so, dass diese Ebene noch nicht geschaffen worden ist. Wir können uns in diesem Punkt nicht mit den Kirchen nicht messen. Wir sind als islamische Religionsgemeinschaften organisatorisch recht neu und da muss man gucken, wie die islamischen Religionsgemeinschaften sich in diesem Punkt weiterentwickeln."
Die Männer verlassen das Café in der Kaba-Moschee. Sie verabschieden sich von Mustafa Yaruz. Der Vorsitzende der Schura hat für ihre Fragen immer ein offenes Ohr. Ob eines Tages, wenn auch die islamischen Religionsgemeinschaften den Körperschaftsstatus besitzen werden, das Finanzamt auch von ihnen einen festen Beitrag einziehen wird, hängt davon ab, ob die islamischen Gemeinden den Staat damit beauftragen. Genauso gut ließen sich Personalkosten für hauptamtlich Beschäftigte wie bisher durch Spenden oder freiwillige Mitgliedsbeiträge finanzieren. Allein die Höhe entscheidet, wie viel Mitarbeiter fest eingestellt werden können.
Yavuz: "Wir haben schon zum Beispiel vor einem halben Jahr einen Assistenten des Vorstandes bei uns in der Schura, einen Studenten, der eben dementsprechend finanziert wird von der Schura. Das ist eine zusätzliche Hilfe, aber noch keine dauerhafte Möglichkeiten, die auch Bestand haben."
Zwei ereignisreiche Wochen liegen hinter Mustafa Yavuz. Der Staatsvertrag ist ausgehandelt und unterzeichnet. Im Vorfeld hat er mit allen politischen Parteien gesprochen, mit der Senatskanzlei mehrfach, mit den Kirchen und auch der jüdischen Gemeinde. Das hat viel Zeit gekostet. Zeit, die er nicht vergütet bekommt. Das Café ist mittlerweile leer. Nun will auch Mustafa Yavuz nach Hause. Frau und Kinder warten schon.
"Wir befinden uns hier in der Kuba-Moschee in Bremen-Hemelingen, eine der ältesten Moscheen in Bremen überhaupt, 1974 gegründet."
Mustafa Yavuz ist Vorsitzender der Schura, eines Dachverbandes islamischer Gemeinschaften in Bremen. Sozialpädagoge ist er, Vater von vier Kindern, 46 Jahre alt. Der Bart und die schulterlangen Haare, die er hinter den Ohren trägt, sind graumeliert. Den Vorsitz in der Schura übt er ehrenamtlich und unentgeltlich aus. Frau und Familie stecken da zurück.
"Meine Tochter, die jetzt in der Grundschule ist, hat abends mal gesagt, Papa, wann hast du denn keinen Termin."
Zusammen mit Vertretern zweier anderer Dachverbände islamischer Religionsgemeinschaften hat Mustafa Yavuz vor kurzem den Staatsvertrag mit dem Senat Bremen unterschrieben. Sein Vorgänger, der den Vertrag ausgehandelt hat, trat von seinem Amt zurück – zu aufwändig waren die terminlichen Verpflichtungen für den freiberuflichen Dolmetscher und Übersetzer.
Mustafa Yavuz arbeitet im öffentlichen Dienst, er hat flexible Arbeitszeiten. Für den Termin im Rathaus feierte er Überstunden ab. Jederzeit erreichbar soll auch er sein. Im Gegensatz zu den hauptamtlichen Vertretern der katholischen und evangelischen Kirchenverwaltung opfert Mustafa Yavuz seine Freizeit.
Doch auch Kirchenvorstände, erwidert Hans-Ludwig Frese, Religionswissenschaftler an der Universität Bremen, würden ehrenamtlich arbeiten.
"Der Unterschied liegt natürlich darin, dass der Kirchenvorstand auf eine funktionierende, professionelle Struktur zurückgreifen kann – etwa Sekretariate, überhaupt Leute, die am Telefon sitzen, die Post aufmachen und beantworten und so weiter. Natürlich ist es als erstes die Aufgabe der Religionsgemeinschaften selber zu entscheiden, wie weit sie sich professionalisieren wollen oder nicht."
Die islamischen Religionsgemeinschaften zeichnen sich aus durch eine hohe und weitgefächerte Ungebundenheit. Deutsche Behörden erwarten hier eine organisatorische Vereinheitlichung.
"Es wird von Regierungsinstanzen verlangt, wir brauchen eine Telefonnummer. Wenn wir mit euch Muslimen etwas zu klären haben, dann muss es eine Instanz gegen, an die wir uns wenden können und die dann rechtsmäßig und theologisch abgesichert uns eine Auskunft geben kann. Das Problem ist aber, dass so eine vereinheitlichte Struktur aus der Sicht vieler Muslime auch erst einmal unislamisch ist, dass dies dem Islam nicht inhärent ist als Struktur. Das heißt, es würde vielleicht auch zu etwas wie einer Verkirchlichung des Islam führen. Das müssen die Muslime auch sehr gut überlegen, ob sie das wollen."
Der kürzlich unterzeichnete Staatsvertrag zwischen dem Bundesland Bremen und den islamischen Religionsgemeinschaften erleichtert den Bau von Moscheen, erlaubt die Bestattung nach islamischen Vorschriften, regelt die Befreiung an islamischen Feiertagen. Nach wie vor aber bleibt den islamischen Religionsgemeinschaften der Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts vorenthalten - im Gegensatz zur jüdischen Gemeinde und den christlichen Kirchen. Norbert Schlichting, in der Bremer Senatskanzlei zuständig für kirchenrechtliche Angelegenheiten, erklärt warum.
"Die Voraussetzung für die Verleihung der Körperschaftsrechte, da gilt immer noch die Weimarer Reichsverfassung, das ist die Gewähr der Dauer und eine gewisse Verfasstheit. Diese Verfasstheit heißt, sie muss einen gewissen Stand in der Gesellschaft haben, eine gewisse Wahrnehmbarkeit. Gewähr der Dauer, da sagt man, ein Zeitraum von 30 Jahren muss erfüllt sein, dass zumindest ein Generationswechsel erkennbar war, um zu sehen, dass es nicht nur ein Modetrend in Anführungszeichen war. Und bei den Mitgliederzahlen hat man gesagt, ein Promille der Landesbevölkerung muss der Religionsgemeinschaft angehören."
Yavuz: "Wenn man das in Bremen hochrechnet, wären das 500 bis 600 Mitglieder, das würde alleine die Fathi-Gemeinde in Gröpelingen aufbringen, sodass schon jetzt das Kriterium erfüllt würde, was die Mindestanforderungen an Mitgliedschaften anbetrifft."
40.000 bis 60.000 Menschen, schätzt der Schura-Vorsitzende Mustafa Yaruz, würden sich in Bremen zum islamischen Glauben bekennen. Mitgliedslisten dagegen lägen nicht vor. Feste Vereinsstrukturen widersprächen der islamischen Auffassung, wonach der unmittelbare Bezug zwischen Allah und den Gläubigen durch nichts und niemanden beeinträchtigt werden dürfte. Ein Klerus, wie er in der evangelischen und katholischen Kirche existiert, wäre den Muslimen in hohem Maße fremd und suspekt.
Trotz allem: Die islamischen Religionsgemeinschaften streben den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts an – nicht allein um auf Augenhöhe zu sein mit den beiden christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde. Als Körperschaft dürften die Muslime eigene Friedhöfe unterhalten. Nur eine Körperschaft hat das Recht, standesamtlich als eigenständige Religion erfasst zu werden. Nur eine Körperschaft kann den Staat damit beauftragen, Mitgliedsbeiträge einzuziehen. 70 bis 80 Prozent der Ausgaben decken die Kirchen über festgesetzte Mitgliedsbeiträge, die der Staat den Kirchenmitgliedern vom Lohn abzieht - die Kirchensteuer. Der größte Posten entfällt dabei auf Personalkosten. Feste Mitgliedsbeiträge kennen die Muslime hingegen nicht. Jedem ist freigestellt, wie viel er seiner Gemeinde zahlt.
Yavuz: "Wir möchten und haben uns teilweise schon professionalisiert, was die Arbeit auf Bundesebene der Spitzenverbände der islamischen Religionsgemeinschaften anbetrifft. Dort gibt es hauptamtlich Beschäftigte. Nur auf regionaler Ebene ist es so, dass diese Ebene noch nicht geschaffen worden ist. Wir können uns in diesem Punkt nicht mit den Kirchen nicht messen. Wir sind als islamische Religionsgemeinschaften organisatorisch recht neu und da muss man gucken, wie die islamischen Religionsgemeinschaften sich in diesem Punkt weiterentwickeln."
Die Männer verlassen das Café in der Kaba-Moschee. Sie verabschieden sich von Mustafa Yaruz. Der Vorsitzende der Schura hat für ihre Fragen immer ein offenes Ohr. Ob eines Tages, wenn auch die islamischen Religionsgemeinschaften den Körperschaftsstatus besitzen werden, das Finanzamt auch von ihnen einen festen Beitrag einziehen wird, hängt davon ab, ob die islamischen Gemeinden den Staat damit beauftragen. Genauso gut ließen sich Personalkosten für hauptamtlich Beschäftigte wie bisher durch Spenden oder freiwillige Mitgliedsbeiträge finanzieren. Allein die Höhe entscheidet, wie viel Mitarbeiter fest eingestellt werden können.
Yavuz: "Wir haben schon zum Beispiel vor einem halben Jahr einen Assistenten des Vorstandes bei uns in der Schura, einen Studenten, der eben dementsprechend finanziert wird von der Schura. Das ist eine zusätzliche Hilfe, aber noch keine dauerhafte Möglichkeiten, die auch Bestand haben."
Zwei ereignisreiche Wochen liegen hinter Mustafa Yavuz. Der Staatsvertrag ist ausgehandelt und unterzeichnet. Im Vorfeld hat er mit allen politischen Parteien gesprochen, mit der Senatskanzlei mehrfach, mit den Kirchen und auch der jüdischen Gemeinde. Das hat viel Zeit gekostet. Zeit, die er nicht vergütet bekommt. Das Café ist mittlerweile leer. Nun will auch Mustafa Yavuz nach Hause. Frau und Kinder warten schon.