Gleichberechtigung im Radsport

Eine Tour de France für Frauen

05:10 Minuten
Radsport-Aktivistinnen von "Donnons des Elles au Vélo".
"Ich bin sicher, wenn es mehr Rennen gäbe, würden auch mehr Frauen zum Radsport kommen", sagt die Aktivistin Anna Barrero. © Mickael Gagne Photographies
Von Jutta Heeß |
Audio herunterladen
Mit einem Radrennen vor der Tour de France will das Projekt "Donnons des Elles au Vélo" auf die Diskriminierung von Frauen im Radsport aufmerksam machen. 13 Fahrerinnen treten an. Mit ihrer Protestfahrt fordern sie eine Tour de France für Frauen.
Vor zwei Jahren, Sommer 2017: Elf Radrennfahrerinnen erklimmen den Mont du Chat in Frankreich, rund zehn Prozent Steigung, die Strecke führt von 600 auf 1.500 Meter. Sie fahren jede Etappe der Tour de France einen Tag vor den Männern – bis ins Ziel nach Paris. Bejubelt werden sie von den Fans, die sich zum Teil schon vor der Männertour mit ihren Wohnwagen an der Strecke postiert haben.
Die Gruppe der Radfahrerinnen nennt sich "Donnons des Elles au Vélo", was so viel heißt wie "Frauen, rauf aufs Fahrrad". Es ist aber auch ein Wortspiel, denn "elles" hört sich an wie das französische Wort "ailes", Flügel. Dem Frauenradsport Flügel verleihen – das steckt hinter der Idee der inoffiziellen Frauen-Tour, die in diesem Jahr zum fünften Mal stattfinden wird. 13 Radsportlerinnen werden dabei sein. 2015, beim ersten Mal, waren es nur drei. Initiatorin Claire Floret erinnert sich an den Moment, als die Idee für diese Tour innerhalb ihrer Radsport-Gruppe geboren wurde:
"Wir haben uns gefragt, warum es so wenige Frauen im Radsport gibt. Im Französischen Radsportverband gibt es lediglich zehn Prozent Frauen. Zudem sieht man kaum Frauenradsport im Fernsehen, es ist also schwierig, sich mit einer Radsportlerin zu identifizieren. Also dachte ich mir, man muss etwas tun, damit der Frauenradsport sichtbarer wird und der beste Moment ist dafür natürlich die Tour de France."
Eine Gruppe von Radfahrerinnen vor dem Arc de Triomphe.
Die Aktivisten der "Donnons des Elles au Vélo" vor dem Arc de Triomphe.© Mickael Gagne Photographies
Claire Floret ist Amateurradsportlerin, sie arbeitet als Erzieherin. Keine der Frauen, die in diesem Jahr mitfahren werden, ist Profi. Es sind zum Beispiel Ingenieurinnen, Lehrerinnen, eine Polizistin. Aber alle wollen ein Zeichen setzen für ihre Sportart. Denn die wenigen Frauen-Radrennen, die es gibt, sind schlecht dotiert, das Sponsoren-Interesse gering, die Medien berichten so gut wie gar nicht. Ist diese Tour deshalb auch ein Protest-Rennen?
"Ja, absolut! Ich sage sogar, es ist ein militantes Projekt mit der Forderung nach Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Wir wollen nicht die gleiche Rundfahrt, also drei Wochen mit Etappen von 200 Kilometern, da wären die Leistungsunterschiede zwischen den Frauen-Teams zu groß. Wir wünschen uns erstmal eher eine Tour de France für Frauen, die dem Giro Rosa ähnelt: zehn Etappen zwischen 120 und 150 Kilometern. Aber wir wünschen uns, dass die Tour de France für Frauen zur selben Zeit stattfindet, wie die Männer-Rundfahrt, um von der Infrastruktur und dem medialen Interesse zu profitieren. Das ist bei der Italien-Rundfahrt nicht so."

Zu wenige Radrennen für Frauen

Auch die spanische Radsportlerin und Sportwissenschaftlerin Anna Barrero bemängelt, dass die offizielle Tour de France der Frauen abgeschafft wurde. Sie sagt, dass die Organisatoren und Verbände keine plausiblen Gründe hätten, keine Frauen-Tour auszurichten. Und sie beklagt, dass es insgesamt zu wenige Radrennen für Frauen gibt. Somit gibt es auch kaum Anreize für Radsportlerinnen, und dadurch weniger Mädchen und junge Frauen, die sich für Radsport entscheiden.
"Ich glaube, es gibt weniger Radsportlerinnen, weil wir weniger Möglichkeiten haben. Ich bin sicher, wenn es mehr Rennen gäbe, würden auch mehr Frauen zum Radsport kommen. Keine Frauen, keine Rennen, keine Chancen. Aber in den letzten fünf Jahren ist Frauenradsport größer geworden, jetzt ist es Zeit, dass die Organisatoren für Gleichberechtigung sorgen."
Die Gruppe der Radsportlerinnen
Ein Teil der Gruppe von "Donnons des Elles au Vélo". © Mickael Gagne Photographies
Das Projekt "Donnons des Elles au vélo" sorgt jedenfalls für Aufmerksamkeit. Das mediale Interesse an der Frauenfahrt wurde von Jahr zu Jahr größer. Claire Floret sagt über die Atmosphäre im Frauen-Peloton:
"Im letzten Jahr waren wir 13 Frauen und insgesamt 1.500 Menschen sind einzelne Etappen mit uns gefahren. Wir waren echt eine Menge Leute. Und die Stimmung war super. Das ist wirklich ein kämpferisches Abenteuer, ein sportliches Abenteuer, aber auch ein menschliches Abenteuer. Denn mit den Leuten, die mit uns fahren, sprechen wir natürlich über den Frauenradsport."
Die Tour vor der Tour ist eine ernstzunehmende Protestfahrt gegen Benachteiligungen von Frauen im Radsport. Aber auch eine Werbung für erfolgreiche und leistungsstarke Radsportlerinnen: In den letzten vier Jahren absolvierten jeweils alle Teilnehmerinnen die komplette Strecke der Männertour und erreichten das Ziel in Paris.
Mehr zum Thema