Mütterrente bitte auch für Väter!
Ein allein lebender Vater von sechs Kindern erinnert sich: Er hat gekocht, geputzt und die Kinder zum Musikunterricht gefahren. Bei der Rente nützt ihm das rein gar nichts. Der Autor Martin Ahrends findet das ungerecht.
Mein Vater wollte mit Haushalt und Kindern nur dann zu tun haben, wenn es ihm nottat, er also sein Essen, frische Wäsche, gebügelte Hemden, geputzte Schuhe oder absolute Ruhe im Haus brauchte, weil er sich zum Mittagsschläfchen hingelegt hatte. Manchmal hat er uns ins Auto geladen und hat einen Ausflug gemacht, und wehe, wir ließen uns nicht gehörig beglücken. Ansonsten gingen ihn Hauswesen und Familienleben nichts an, das war Muttersache. Er bestimmte das so, weil er das Geld verdiente.
Ich wollte meine Rolle in der Familie grundsätzlich anders spielen. Ohne allerdings ein Vorbild zu haben. Mein Grundsatz war: Familie geht vor Beruf. Ich war nicht bis zum Abend in der Redaktion wie die karrierebewussten Kollegen, war auch nicht bei all den Empfängen und Tagungen, wo die wichtigen Kontakte geknüpft werden. Ich hab abends lieber den Kindern was vorgelesen, war auf Klassenspielen und Elternabenden.
Ein moderner Mann und Vater wollte ich sein, im Eltern-Gespann wollte ich gleichberechtigt sein, hab mir also die Hausarbeit mit meiner Frau geteilt, hab auf dem Heimweg von der Erwerbsarbeit die Einkäufe erledigt, hab die Kinder zu all den Geburtstagen, zum Ballett und zum Kieferorthopäden kutschiert, mich nicht nur um die Fahrbereitschaft, Haus und Garten, sondern auch um den ganzen Schriftverkehr mit den zuständigen Institutionen gekümmert, um die Korrespondenzen mit der Kindergeldkasse, dem Bafög-Amt, der Wohngeldstelle und allen anderen Quälgeistern. Ich hab gekocht, geputzt, Schularbeiten mitgemacht, das jeweilige Instrument mit geübt. Das war auch, aber nicht nur Spaßvergnügen.
Wenn ich Rentner bin, habe ich weniger als den Hartz-IV-Satz
Ich hab meine Vaterpflichten ernst genommen, glaube ich. Ich war auch bei den Kindern, wenn meine Frau an den Wochenenden ihre Fortbildungen absolviert hat. Beim beruflichen Wiedereinstieg war sie mir dann zwei Nasenlängen voraus, gehaltsmäßig.
Nun sind unsere sechs Kinder aus dem Haus, und ich wohne, inzwischen ohne Frau, recht bescheiden zur Miete. Aber auch diese Wohnung werde ich mir nicht mehr leisten können, wenn ich in zwei Jahren Rentner bin. Denn ich teile das Schicksaal vieler geschiedener Mütter und Hausfrauen: Meine künftige Rente liegt unter dem Hartz-IV-Satz.
Als ich nun davon hörte, dass die neue Mütterrente auch für Väter gilt, habe ich mir von der Rentenversicherung die Formulare kommen lassen und gleich alles ausgefüllt. Erst danach habe ich die Details der Erläuterungen entdeckt. Und dort las ich folgendes:
"Kindererziehungszeiten (…) können für denselben Zeitraum jeweils nur einem Elternteil zugeordnet werden, entweder der Mutter oder dem Vater. Bei gemeinsamer Erziehung des Kindes durch die Mutter und den Vater werden die Erziehungszeiten grundsätzlich dem Elternteil angerechnet, der das Kind überwiegend erzieht. Lassen sich überwiegende Erziehungsanteile eines Elternteils objektiv nicht feststellen, sind die Erziehungszeiten bei der Mutter anzurechnen."
Ich würde nie behaupten, unsere Kinder überwiegend erzogen zu haben. Wir haben uns die Familienarbeit geteilt. Warum wird nicht auch dieser Rentenpunkt geteilt? Die Mütterrente soll Gerechtigkeit schaffen, doch ich empfinde sie als ungerecht. Und nicht nur das: Ich fürchte, sie untergräbt unsere Versuche, neue Männer und Väter zu sein.
Martin Ahrends, Autor und Publizist geboren 1951 in Berlin. Studium der Musik, Philosophie und Theaterregie. Anfang der 80er Jahre politisch motiviertes Arbeitsverbot in der DDR. 1984 Ausreise aus der DDR. Redakteur bei der Wochenzeitung Die Zeit und seit 1996 freier Autor und Publizist.