Gleichberechtigung

Zu wenig Frauen in öffentlichen Unternehmen

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig © dpa/Maurizio Gambarini
Manuela Schwesig im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Der neue Public Women-on-Board-Index misst, wie gut öffentliche Unternehmen in Deutschland bei der Frauenförderung abschneiden. Bundesfamilienministerin Schwesig ist mit dem Ergebnis nicht zufrieden - und will die gesetzlichen Regelungen nun ausdehnen.
Korbinian Frenzel: Wer mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, der sollte nicht vergessen, dass drei Finger auf ihn selbst zurückzeigen. Gustav Heinemann hat das mal gesagt, ein schönes Wort des Sozialdemokraten, das ganz wunderbar passt zu unserem Thema jetzt. Die Regierung will bekanntermaßen, dass die Wirtschaft mehr Frauen in Führungspositionen bringt. Eine Quote ist in Vorbereitung.
Nun kommen heute Zahlen an die Öffentlichkeit, die uns eins zeigen: Dort, wo der Staat selbst Arbeitgeber ist, oder auch in Unternehmen, die ihm gehören, sieht es mit Frauen auf Chefsesseln kaum besser aus, weder in den Aussichtsräten noch in den Vorständen. Das ergibt eine Studie der Initiative "Frauen in Aufsichtsräte", die heute vorgestellt wird und die, das muss man anerkennen, mit finanziert wird von dem Hause, dessen Chefin wir jetzt sprechen: Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig. Guten Morgen!
Manuela Schwesig: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Ein bisschen mehr Gleichberechtigung als in der freien Wirtschaft gibt es, aber wirklich nur ein bisschen mehr im öffentlichen Bereich. Haben Sie da selbst ihre Hausaufgaben nicht gemacht, bevor Sie anderen, der Wirtschaft nämlich, welche geben?
Schwesig: Na, ich gebe ja beiden Hausaufgaben, wenn wir mal bei dem Bild bleiben, einmal der Wirtschaft und im öffentlichen Bereich. Sie haben völlig recht, man kann nicht der Wirtschaft Dinge abverlangen, die der öffentliche Bereich selbst nicht einhält, und ich muss sagen, dass in den vergangenen Jahren nicht darauf geachtet worden ist, dass auch gerade die Bundesregierung dafür sorgt, dass da, wo sie Positionen besetzt, genug Frauen in der Spitzenposition ankommen.
Frenzel: Wie kann das sein? Warum kann das bei öffentlichen Unternehmen so sein, wobei es ja eben diese Debatte gibt seit Jahren schon.
Bund ist selbst kein Vorbild bei der Besetzung von Spitzenposten
Schwesig: Das ist eine gute Frage. Das ganze Thema Frauen und Führungspositionen wurde leider in den letzten Jahren vernachlässigt, und deshalb ist es jetzt Aufgabe der neuen Bundesregierung, vor allem meine Rolle als Frauenministerin, dafür zu sorgen, dass wir endlich in dieser Frage vorankommen. Das ist ein großes Gerechtigkeitsthema. Es geht hier nicht um ein paar Spitzenpositionen alleine. Es ist so, dass wir mit Frauen in Spitzenpositionen die Türen für Frauen in allen Bereichen aufstoßen, und wenn wir uns das mal anschauen, wie die Spitzenpositionen besetzt sind, dann müssen wir feststellen, dass die Wirtschaft nur 18 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten hat, und in öffentlichen Unternehmen sind es 25.
Aber wenn wir auf den Bund schauen, dann nur 20. Und das ist natürlich zu wenig, und deswegen werde ich mit einem Gesetz dafür sorgen, gemeinsam mit Heiko Maas, dass wir zukünftig mindestens 30 Prozent Frauen in den Spitzenpositionen haben. Im Bund ist sogar –
Der Deutsche-Bahn-Tower in Berlin mit dem DB-Logo in rot
Öffentliche Unternehmen wie die Deutsche Bahn sollen zukünftig Spitzenpositionen zu 30 Prozent mit Frauen besetzen.© picture-alliance / dpa / Kay Nietfeld
Frenzel: Diese Zahl, Frau Schwesig, die gilt für Aufsichtsräte bei großen Unternehmen, aber zum Beispiel bei öffentlichen Unternehmen, da haben Sie diese Quote gar nicht vor. Warum eigentlich nicht?
Schwesig: Wir haben ein Gesetz, das vorschreibt, dass wir in den öffentlichen Unternehmen und in Gremien, die der Bund zu besetzen hat, sogar eine 50/50-prozentige Besetzung machen müssen. Dieses Gesetz existiert schon seit sehr, sehr vielen Jahren. Leider hat sich bisher keiner daran gehalten. Und deshalb schärfe ich dieses Gesetz jetzt an.
Frenzel: Wir schärfen Sie das?
Schwesig: Wir schärfen das zum Beispiel so an, dass Unternehmen, die bisher gar nicht von dem Gesetz erfasst worden sind, wie zum Beispiel die Deutsche Bahn oder die Deutsche Flugsicherung, zukünftig unter dieses Gesetz fallen, und wir wollen auch dafür sorgen, dass zukünftig alle Bundesminister sich auch an dieses Gesetz halten müssen. Denn da wurde in der Vergangenheit auch etwas zu leichtsinnig mit umgegangen.
Frauen stoßen an eine "gläserne Decke"
Frenzel: Das heißt ganz konkret, es würde jetzt nicht Ronald Pofalla zur Bahn gehen, sondern vielleicht Annette Schavan?
Schwesig: Es müssen ja nicht immer die Politiker sein, die die Politik verlassen, die dort hingehen. Wir haben viele tolle Frauen, und das möchte ich hier ausdrücklich noch mal sagen, es wird oft so getan bei dem Thema Frauen in Spitzenpositionen, Frauenquote, dass jetzt da oben welche Frauen hinsollen – darum geht es ja gar nicht.
Es geht darum, dass wir genug qualifizierte Frauen in Deutschland haben, die aber an eine gläserne Decke stoßen. Die erleben, dass für sie der Fahrstuhl immer in der Mitte hängen bleibt und sie nicht ganz nach oben kommen, obwohl heute Frauen besser qualifiziert sind denn je. Die meisten Abiturientinnen sind Mädchen, und die meisten, die einen Studienabschluss haben, sind auch junge Frauen – also an der Qualifikation kann es nicht liegen.
Frenzel: Ja, woran liegt es denn? Frau Schwesig, wenn ich Sie höre und die guten Absichten höre, dann frage ich mich, was sind wirklich Ihre Sanktionsmöglichkeiten? Das klang gerade noch nicht so scharf. Können Sie Unternehmen, öffentliche wie auch private, wirklich dazu zwingen, dazu bringen und auch sanktionieren, wenn sie diese Dinge nicht einhalten? Die 50/50 zum Beispiel, die Sie für den öffentlichen Bereich versprochen haben?
Schwesig: Ja. Und es muss leider sein. Wir haben ein Gesetz vorbereitet, der Justizminister Heiko Maas und ich. Dieses Gesetz stimmen wir gerade in der Bundesregierung ab, und Ziel ist es, vorzugeben für alle Unternehmen, die an der Börse notiert sind und mehr als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, dass zukünftig eine Quote von mindestens 30 Prozent in den Aufsichtsräten gelten muss. Und wenn die nicht eingehalten wird, dann bleibt die Besetzung leer. Dann darf nicht besetzt werden, und das ist schon ziemlich hart, weil sich dann auch Stimmenverhältnisse verschieben in den Aufsichtsräten. Und dieses Gesetz wird gelten für Wirtschaft und für den öffentlichen Bereich.
Ein Mann im Anzug trägt ein kleines Baby auf dem Arm, im Hintergrund ist ein Schild mit der Aufschrift "Tagungszentrum" zu sehen.
Doppelte Ausnahme: Männer und Führungskräfte in Teilzeit, die sich um ihre Kinder kümmern.© dpa/picture alliance/Rainer Jensen
"Die Arbeitswelt ist eine Männerwelt"
Frenzel: Man kann die Sache ja auch mal von einem anderen Blickwinkel sehen. Offenbar helfen bisher alle guten Absichten nicht, und ich unterstelle mal, dass gerade der Staat gute Absichten hat, wenn er Unternehmen führt. Dass all das nicht hilft, liegt das vielleicht daran, dass die Arbeitswelt eine Männerwelt ist?
Schwesig: Die Arbeitswelt ist eine Männerwelt, und wir haben es mit einer großen Ungerechtigkeit für Frauen zu tun. Frauen bekommen 22 Prozent weniger Einkommen als Männer, Frauen erleben das spätestens, wenn sie sich für Kinder entscheiden, dass sie immer noch Nachteile haben. Frauen erleben, dass, wenn sie in Teilzeit gehen für die Familie, sie oft keine Chance haben, wieder zurück zu kommen, und nur zweitklassige Jobs machen. Und Frauen erleben, dass sie nicht in Spitzenposition ankommen, obwohl in unserem Grundgesetz steht, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte haben sollen, ist das so nicht in der Arbeitswelt.
Und deswegen spielt es jetzt eine große Rolle, ob es uns gelingt, mit einem Gesetz dafür zu sorgen, dass viel mehr Frauen in Spitzenpositionen ankommen, weil sich dann die Arbeitswelt für alle Frauen ändern wird. Das ist mir ganz wichtig zu betonen. Es ist kein Elitenthema. Und es muss endlich die Arbeitswelt offener und frauenfreundlicher werden.
Viele typische Verhalten in der Arbeitswelt schrecken auch, ehrlich gesagt, die Frauen ab, und deswegen ist es wichtig, dass sich auch das Klima und die Chancen in der Arbeitswelt ändern. Das kann Politik nicht alleine richten, aber Politik ist jetzt gefordert, ganz klar mit Gesetzen ranzugehen, und deswegen wird es ein Gesetz für Frauen in Führungspositionen geben, ein Gesetz für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, und wir wollen zum Beispiel das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit ermöglichen.
Frenzel: Sie haben da gerade ein bisschen gelacht, als Sie gesagt haben, die abgrenzenden Mechanismen oder die abschreckenden Mechanismen dieser Arbeitswelt der Männer – erleben Sie das in der Politik?
"Gemischte Teams sind einfach erfolgreicher"
Schwesig: Ja, ich erlebe das natürlich auch in der Politik, und es ist einfach gut, es zu spüren, dass es immer mehr Frauen auch in der Politik gibt, auch wir zum Beispiel im Kabinett jetzt mehrere Frauen sind, und auch Frauen, die zum Beispiel den Spagat zwischen Beruf und Familie wagen. Es ist nicht so, dass wir die besseren Menschen sind, aber gemischte Teams, die sind einfach erfolgreicher, und das haben übrigens viele Unternehmensberatungen schon längst belegt, und ich frage mich eigentlich, warum Unternehmen ihre Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, um Lohnkosten zu sparen, anstatt dafür zu sorgen, dass die Teams gemischt sind, denn wir wissen aus Studien, dann kann man den Gewinn um 48 Prozent erhöhen.
Ich kann Ihnen aber die drei Gründe nennen, warum Frauen oft aus Spitzenpositionen herausgehalten werden. Das ist Macht, Einfluss und Geld. Genau darum geht es. Wenn Sie sich die öffentlichen Unternehmen anschauen, da werden 300 Milliarden Euro umgesetzt. Übrigens von vielen taffen Frauen, wenn wir allein in die Krankenhäuser schauen, wo viele Ärztinnen tätig sind. Und was meinen Sie, wer freiwillig Macht, Einfluss und Geld abgibt? Niemand.
Ein Baby auf einem Computerbildschirm im Büro
Büro und Baby, Job und Familie: Für viele Eltern ist das ein ständiger Balanceakt.© dpa / picture alliance / Jens Büttner
Frenzel: Lassen Sie uns mal über einen reden, bei dem mir all diese Begriffe sofort einfallen. Sie haben ja einen Parteichef und Vizekanzler, der sich extra mittwochs immer den Nachmittag frei nimmt, um sein Kind von der Kita abzuholen. Das war zumindest das Versprechen. Haben Sie ihn daran schon manchmal erinnern müssen?
Schwesig: Na ja, meine Aufgabe ist es nun nicht, die Kabinettsmitglieder zu kontrollieren, aber Siegmar Gabriel und ich, wir sprechen oft darüber. Er fragt mich, wie geht es bei dir zu Hause, und ich frage, wie geht es bei Marie. Und er versucht, das zu tun, und wenn er es kann, macht er das. Ich hab übrigens die gleiche Regel, dass ich mittwochs nach dem Kabinett nach Hause fahre. Heute ist es wegen einem anderen Termin nicht möglich, aber dafür ist es dann morgen möglich. Man versucht, sich das so hin und her zu schieben, und ich bin froh, dass es eben auch zunehmend Männer gibt, die sagen, hey, ich hab eine Familie, und ich möchte nicht nur zum Gute-Nacht-Kuss zu Hause sein, sondern ich möchte auch mein Kind von der Kita abholen.
Frenzel: Das sagt die Bundesministerin für die eine große Hälfte unserer Gesellschaft, für die Frauen nämlich – Manuela Schwesig, ich danke Ihnen für das Interview!
Schwesig: Danke und einen schönen Tag!
Frenzel: Ebenso!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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