Gleichstellung

Die Frauenquote für Vorstände ist fällig

Frauen bei einem Kongress
Frauen bei einem Kongress: Hätten "Lehman Sisters" die Finanzkrise verhindert? © dpa / picture alliance / Bernd Thissen
Von Deborah Steinborn · 23.04.2014
Die schwarz-rote Koalition will börsennotierte Unternehmen gesetzlich zwingen, mehr Frauen in Führungspositionen zu berufen. Eine solche Vorgabe hält die Wirtschaftsjournalistin Deborah Steinborn - allen Protesten zum Trotz - für überfällig.
Ich bin eine amerikanische Journalistin. Als ich vor 20 Jahren erstmals nach Deutschland kam, konnte ich es kaum glauben: In der Wirtschaft hatten Frauen nichts zu sagen. So modern das Land in vielerlei Hinsicht auch war und ist, so war die Führung doch Männersache.
Als ich später Korrespondentin in Deutschland wurde, hatte sich so gut wie nichts gebessert. In den Dax-Konzernen fand sich nicht ein weibliches Vorstandsmitglied. Ich rief sie alle an und fragte, warum das so sei. Die schönste Antwort gab der Sprecher der Deutschen Bank. Wir beschäftigten mal eine Frau im Vorstand, sagte er, aber die ist leider verstorben.
Viel ging voran im Land für die Frauen, aber nicht der so wichtige Aufstieg in der Wirtschaft. Wichtig nicht nur für die Frauen und ihre echte Gleichberechtigung, wichtig auch für die Wirtschaft. Denn wenig ist so gut belegt wie das: Unternehmen mit gemischten Vorständen sind im Schnitt erfolgreicher als die anderen.
Das ist auch kein Wunder. Frauen bringen oft andere Perspektiven, Vorlieben und Stile ein. Sie sind risikobewusster, gerade in Boomzeiten - weshalb die Präsidentin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, auch sagt, die Finanzkrise wäre anders verlaufen, hätten wir es mit Lehman Sisters und nicht mit Lehman Brothers zu tun gehabt.
Frauen sind im Schnitt weniger karrierebesessen und weniger interessiert am Kampf Mitarbeiter gegen Mitarbeiter. Dafür sind ihnen das Team und seine Aufgabe wichtiger. Das belegen zahlreiche Studien. Frauen sind keine Wunderwesen, aber sie haben ihren Teil beizutragen - auf allen Ebenen der Wirtschaft, auch auf der höchsten.
Die Topmanager haben sich die Quote selbst eingehandelt
Bloß wollten die Männer das lange nicht einsehen. Jahr um Jahr wurden neue Vorstände ernannt, fast immer weitere Männer. Dabei ist doch klar: Unternehmen, die nicht nur aus 50 Prozent des Talentpools auswählen, sondern aus 100 Prozent einschließlich der Frauen, haben Vorteile. Und die Volkswirtschaft gedeiht auf Dauer auch nur, wenn die mit den besten Fähigkeiten auch an die wichtigsten Stellen kommen, unabhängig vom Geschlecht.
Doch hieß es immer wieder, die Frauen seien noch nicht so weit, man finde keine guten Frauen - oder schlicht, die Frauen wollten ja gar nicht. Auf die Idee, die Unternehmen so zu verändern, dass sie für beide Geschlechter attraktiv wurden, kamen die Chefs in Deutschland lange nicht. Und die Warnungen der Politik, sonst müsse man mit einer Quote nachhelfen, wurden ignoriert.
Zu lange. Jedenfalls in den Konzernen, während der Mittelstand längst 30 Prozent Frauen in seinen Führungszirkeln hat. Die Topmanager haben sich die Quote also selbst eingehandelt. Und jetzt, da sie nun tatsächlich kommt, hören sie noch immer nicht auf zu schimpfen. 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten? Unmöglich. Es gebe zu wenig Kandidatinnen, heißt es. Das stimmt nicht, es gibt allerdings - gerade in den Technikbranchen - zu wenig Fantasie.
Eine Quote ist immer nur die letzte Möglichkeit, ja. Aber die ist jetzt fällig. Wir leben in einer Zeit, in der Frauen mindestens so gut ausgebildet sind wie Männer. Wir leben auch in einer Zeit, in der schon über Fachkräftemangel geklagt wird. Und der Geburtenmangel wird spürbarer werden. Mit Immigration allein ist das Problem auch nicht zu lösen.
Deutschland braucht die Frauen, auch an der Spitze der Wirtschaft. Um fair zu sein, ja. Aber vor allem, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Ranking des World Economic Forum zur Geschlechtergerechtigkeit rangiert Deutschland nicht unter den ersten zehn. Geht es um den Anteil weiblicher Spitzenkräfte in den Großunternehmen, liegt das Land noch viel weiter hinten. Das darf so nicht bleiben.
Deborah Steinborn, Jahrgang 1969, ist Journalistin in Hamburg. Die Amerikanerin hat zwei Master Titel von der Columbia Universität in ihrer Heimatstadt New York. Sie war Finanzkorrespondentin für "Dow Jones" in New York und Frankfurt, und arbeitet jetzt als freie Journalistin für "The Wall Street Journal", "Forbes Magazine" und anderen Medien. Sie schreibt oft über die Schnittstelle von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, und ist Co-Autorin von "Anders Denken! Warum die Ökonomie weiblicher wird."
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Deborah Steinborn© Hannah Schuh
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