Gleichstellung im Bundestag

Parlamentarierinnen suchen nach neuen Wegen

U.a. Familienministerin Franziska Giffey, Michelle-Jasmin Müntefering, Dr. Katarina Barley, Bundesministerin der Justiz , SPD. Lars Klingbeil macht Selfie.
Viele Parlamentarierinnen wünschen sich einen höheren Frauenanteil im Bundestag. © imago/Metodi Popow
Adam Soboczynski im Gespräch mit Anke Schaefer |
Im Bundestag sitzen in dieser Legislaturperiode so wenige Frauen wie seit 20 Jahren nicht. Unser Studiogast, Zeit-Journalist Adam Soboczynski, findet zwar, dass sich das ändern sollte. Aber Eingriffe in das Wahlgesetz sieht er kritisch.
Parlamentarierinnen von Union, SPD, FDP, Grünen und Linkspartei planen nach "Spiegel"-Informationen am morgigen Donnerstag ein fraktionsübergreifendes Treffen. Es wäre das erste Mal in der Geschichte des Bundestags. Debattiert werden soll ein bundesweites Paritätsgesetz, das den Bundestag weiblicher machen würde. Die Regelung soll dafür sorgen, dass die gleiche Anzahl von Männern und Frauen im Parlament festgelegt wird. Derzeit liegt der Frauenanteil im Parlament nur bei 30,9 Prozent. Auch die AfD wurde zu dem Treffen eingeladen, kommt aber nicht.
Adam Soboczynski
Der Zeit-Journalist Adam Soboczynski © picture alliance/dpa/Foto: Jens Kalaene
Der Zeitgeist sei eigentlich ein ganz anderer, sagte unser Studiogast, der Feuilleton-Chef der Wochenzeitung "Die Zeit", Adam Soboczynski, im Deutschlandfunk Kultur. Er zeigte sich deshalb erstaunt über den geringen Anteil der Frauen im Bundestag.

Nicht up to date

Der Journalist erinnerte an die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) im Oktober, bei der sie den männlich dominierten JU-Vorstand kommentiert habe. "Frauen bereichern das Leben, nicht nur im Privaten, auch in der Politik", sagte Merkel damals und kritisierte, dass in der CDU nur ein Drittel Frauen seien und die meisten über 60. Das entspreche auch nicht der Bevölkerung. "Das sah nicht besonders up to date aus", sagte Soboczynski über den konservativen Nachwuchs der Union.

Veränderung in den Parteien nötig

Dass Brandenburg ein Paritätsgesetz beschlossen hat, beurteilt er trotz seiner Sympathie für eine repräsentative Vertretung von Frauen kritisch. "Ich finde einen Eingriff ins Wahlrecht immer eine gefährliche Sache", sagte Soboczynski. Nach 1945 sei man mit dem Gesetz nicht so schlecht gefahren. Er würde daran nicht ohne Not all zu viel ändern. Die Parteien sollten vielmehr innerhalb ihrer Strukturen dafür sorgen, dass Frauen besser vertreten wären. Das sei notwendig und wünschenswert. "Ich glaube, dass Parteien, die das nicht tun, auch in Zukunft große Nachteile davon tragen werden." Es sei dennoch ein Unterschied, ob Parteien sich eine Frauenquote selbst auferlegten oder dafür ein Wahlgesetz geändert werde. Für ihn sei im Wahlkreis vor allem die Qualifikation eines Politikers entscheidend, weniger das Geschlecht.
(gem)

Adam Soboczynski wurde 1975 im polnischen Toruń geboren. Er siedelte 1981 mit seiner Familie vor Ausrufung des Kriegsrechts aus der damaligen Volksrepublik Polen in die Bundesrepublik Deutschland über. Der Journalist ist studierter Literaturwissenschafter und leitet seit 2013 zusammen mit Iris Radisch das Feuilleton der Wochenzeitung "Die Zeit".

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