Überflüssig oder wichtiger denn je?
Die ersten von ihnen hießen Frauenbeauftragte, heute sind sie in der Regel Gleichstellungsbeauftragte. Wie haben sich ihre Aufgaben geändert, und brauchen wir sie heute noch? Eine Bilanz am Beispiel von Niedersachsen.
Im Neuen Rathaus in Hannover. Mehr als 100 Frauen feiern Jubiläum. 25 Jahre "Landes -arbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros in Niedersachsen." Und: die Gleichstellungs- beauftragten lassen sich auch ein bisschen feiern. Von der ehemaligen niedersächsischen Frauenministerin Heidrun Merk zum Beispiel.
"Ihnen, liebe Frauen, sage ich Danke. Für all diese Tätigkeiten, die sie leisten. Und: Erheben Sie ihre Stimme, so gut Sie können. Stellen Sie ihre Stacheln aus und lassen Sie sich nichts bieten. Auf grobe Klötze gehört ein grober Keil. Alles Gute für die Zukunft!"
Ob in Niedersachsen, Hamburg oder Schleswig Holstein – die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten steht nur selten im Licht der Öffentlichkeit. Und nicht jeder weiß sie wirklich zu schätzen.
Mann:"Mein Gefühl ist, dass wir da schon angekommen sind. Deswegen, worüber reden wir da noch? Es gibt wichtigere Themen."
Frau:"Das gibt Frauen mehr Sicherheit, mehr Selbstbewusstsein. Das wir auch was können. Nicht nur die Männer."
Mann:"Keine Ahnung, was die macht. Die Gleichstellung zwischen Mann und Frau wahrscheinlich."
Frau: "Vielleicht guckt sie, ob es auch so umgesetzt wird, wie es gedacht ist. Aber wie im Einzelnen, kann ich mir nicht so vorstellen."
Zweite Frau: "Sie sorgt dafür, dass die Frauen die gleichen Rechte haben wie die Männer. Fängt beim Gehalt an, Mobbing usw. Ecken bestimmt oft an. Ist nicht leicht, der Job."
Von Hannover nach Göttingen. Mitten hinein in den frauenpolitischen Alltag.
Christine Müller: "Da ist ja geplant die zentrale Veranstaltung zu sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz..."
Frau: "Von der Linie her ist das doch klar, das Programm geht jetzt in den Druck, das ist die fachliche Veranstaltung."
Müller: "Ja."
Im Göttinger Frauenbüro
Dienstbesprechung bei Christine Müller im Frauenbüro der Stadt Göttingen. Es geht um das Programm zum Internationalen Tag "Nein zu Gewalt an Frauen". Christine Müller, kurze, dunkelblonde Haare, Brille, humorvoll blitzende Augen, macht sich seit mehr als 23 Jahren stark für Frauen. Ihr Ziel: zur verfassungsrechtlich garantierten Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Göttingen beizutragen.
"Meine Bezeichnung, meine Funktion ist Gleichstellungsbeauftragte. Die Organisationseinheit, die ich leite, ist das Frauenbüro der Stadt Göttingen. Und das bringt für mich so die gesellschaftliche Realität zum Ausdruck. Nämlich dass Frauen immer noch das Geschlecht sind, das in Macht und Positionen unterrepräsentiert ist und da einen großen Nachholbedarf hat. Und Männer das Geschlecht ist, ihr müsst auch mal da was abgeben. Und zugleich zu sagen, Gleichstellung muss auch von männlicher Seite gelebt werden."
Alle Türen stehen offen im Frauenbüro im Neuen Rathaus. An den Wänden: ein Portrait der Göttingerin Dorothea Schlözer, der ersten deutschen Doktorin der Philosophie. Und Cartoons, unter anderem von Franziska Becker. Von ihrem großen geschwungenen Schreibtisch aus hat Christine Müller einen weiten Blick über die alte Universitätsstadt. Nach Hannover berief Göttingen als zweite Stadt in Niedersachsen 1987 eine hauptamtlich tätige Frauenbeauftragte.
"Göttingen ist relativ gut aufgestellt, dadurch dass es einfach auch ´ne lange Tradition als Universitätsstadt mit der Frauenbewegung gibt. Und die Infrastruktur ganz gut aufgestellt ist."
Zwei festangestellte Mitarbeiterinnen hat die 52 Jahre alte Gleichstellungsbeauftragte an ihrer Seite. Angegliedert ist auch die "Koordinierungsstelle Frauenförderung in privater Wirtschaft". Der Jahresetat ist klein, die Aufgabe dagegen groß. Umso wichtiger: ein gut funktionierendes Netzwerk. Das Frauenforum Göttingen, ein Bündnis aus frauenpolitisch engagierten Frauen und Vertreterinnen von Frauenprojekten,spielt dabei eine entscheiden de Rolle.
"Was ein bisschen mein Kind ist, aus dem Frauen-Streik-Komitee `94 geboren. Da sind die Frauenprojekte vertreten, Gewerkschaftsfrauen, Parteifrauen. Da immer wieder zu gucken, wie halte ich dieses Netzwerk am Laufen, wie kann ich was organisieren. Wie können die beteiligt werden, wie bringen die sich auch selber ein, wo kann ich zurückgehen und sagen, ok, wir als Frauenbüro halten die Fäden in der Hand. Und ohne uns könnte das gar nicht laufen. Da bin ich einfach stolz drauf."
Die zentralen Themen reichen von Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben, über Wiedereinstieg in den Beruf, gendersensible Stadtplanung, Mädchenarbeit, bis hin zu interner Arbeit in der Stadtverwaltung. Manche Themen sind heute noch genauso aktuell wie damals, als Christine Müller anfing. Gewalt gegen Frauen etwa. Die gebe es zwar immer noch, dennoch habe sich durch das Gewaltschutzgesetz viel getan.
"Sie wird wahrgenommen und sie wird verfolgt. Da ist ein ganz großer Sinneswandel bei der Polizei. Und letztendlich zu sehen, dass sich Gleichstellungsbeauftragte da rausziehen können, weil da haben wir inzwischen die Fachstellen, nämlich Notruf, Frauenhaus etc. die akzeptiert werden. Wo die Polizei sagt, mit euch arbeiten wir ganz eng zusammen."
Rund 1400 hauptamtliche Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte gibt es bundesweit. Seit 20 Jahren arbeiten Gleichstellungbeauftragte auch ganz selbstverständlich in den niedersächsischen Städten, Landkreisen und Gemeinden. Im Großen und Ganzen stehe das Land im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht schlecht dar, sagt Annette Wiede, Geschäftsführerin der "Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros in Niedersachsen", der "lag".
"Wenn man sich die gesetzlichen Vorgaben anguckt, dann ist Niedersachsen nach wie vor im Mittel und verbessert sich hoffentlich immer weiter. Dadurch, dass wir uns jetzt vermehren werden, dass es mehr Gleichstellungsbeauftragte geben wird in den Kommunen, verbessert sich die Stellung im Vergleich zu anderen Bundesländern erheblich."
Vor neun Jahren wurden die Niedersächsische Gemeindeordnung NGO und die Niedersächsische Landkreisordnung NLO geändert. Nur noch Landkreise, große selbständige Städte und kreisfreie Städte müssen hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte beschäftigen. Die Folge: Immer mehr von ihnen arbeiten nebenberuflich oder ehrenamtlich. Etwa jede drittehauptamtliche Stelle wurde inzwischen abgeschafft oder umgewandelt. Doch eine Trendwende ist in Sicht: die Landesregierung hat vor kurzem beschlossen, die Position der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten wieder vom Jahr 2016 an zu stärken.
Gleichstellungsarbeit im Landkreis Peine
Silke Tödter ist Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Peine. Hauptamtlich. Mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung ist sie auch eine der Pionierinnen.
"Mein Sinn nach Gerechtigkeit hat mich immer angetrieben, auch nach Geschlechtergerechtigkeit. Aus eigener Erfahrung, aber auch, was ich in der Gesellschaft erlebe. Und ich denke, es braucht Motoren dafür. Ich bin ja auch eine Idealistin. Es ist für mich nicht ein Beruf, es ist eine Berufung. Wir sind eine gute Institution, die Themen der Zeit zu erkennen, das auch in der Öffentlichkeit klar zu machen und dafür zu kämpfen."
Von ihrer Kampfeslust hat Silke Tödter im Laufe der Jahre nichts verloren. Seit ihrem Amts-antritt engagiert sie sich auch für das Netzwerk der Gleichstellungsbeauftragten. In der "Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros in Niedersachsen", der "lag". Aber auch auf Bundesebene. Zurzeit ist sie im Vorstand der "lag".
"Wir müssen uns in die Frauenpolitik einmischen, wir müssen mitgestalten. Heute mehr mit Gesprächen als mit Stellungnahmen, die sind erfolgreicher. Es geht darum, deutlich zu machen, wir sind eine frauenpolitische Kraft."
Und dafür bräuchten die Gleichstellungsbeauftragten hauptamtliche Kolleginnen.
"Wir waren hier ein super Team von hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten, in jeder kleinen Gemeinde. Bis auf ein, zwei waren die Frauen teilzeitbeschäftigt. Wir waren schlagkräftig gemeinsam, konnten Dinge gemeinsam auf den Weg bringen. Jetzt bin ich hier wieder alleine mit ein paar Nebenamtlichen und Ehrenamtlichen, die kaum in Erscheinung treten."
Silke Tödter beobachtet immer wieder: Mit einer halben Stelle oder gar ehrenamtlich ist der anspruchsvolle Job kaum zu schaffen. Allein schon, weil es dann nicht möglich ist, in der Verwaltung gut eingebunden zu sein.
Auf zum nächsten Termin. Führungsrunde beim Landrat Franz Einhaus.
Franz Einhaus: "Meine Damen und Herren, herzlich Willkommen zu unserer Führungsrunde..."
Von Anfang an setzte sich Silke Tödter für mehr Frauen in Führungspositionen ein. Mit Erfolg: Fast jede zweiteleitende Position in der Kreisverwaltung ist inzwischen in weiblicher Hand.
Tödter: "Ja, wir haben ja das Mentoring Programm Horizonte, ich denke, das ist ein erfolgreiches Programm...
Einhaus: "Ich freue mich, dass da die Führungskräfte mitmachen und ich hoffe, dass Beteiligung hier im Hause entsprechend ansprechend ist, so dass das Projekt auch erfolgreich weitergeführt werden kann. Gibt es noch weitere Punkte?
Tödter: "Mehr habe ich nicht..."
Rund 130 000 Einwohner gehören zum Landkreis Peine.
Sigrid Häfner: "Im ländlichen Bereich im Landkreis Peine haben wir angesiedelte Arbeiterschaft und Landwirtschaft, kleines Bildungsbürgertum. Man muss ganz andere Veranstaltungen, Zielgruppen erreichen. Und wir sind eher in der Planung tätig, Jugendhilfeplanung, Regionalplanung. Es ist etwas abstrakter, dadurch auch nicht so spektakulär, für die Bürgerinnen und Bürger zu erkennen, was machen die denn eigentlich."
Der erste Gleichstellungsbeauftragte von Göttingen
Wieder zurück zu der Jubiläumsfeier in Hannover. Sigrid Häfner, die erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Göttingen und Mitbegründerin der "lag", erinnert sich in ihrem Vortrag an die Anfangsjahre.
"Die Frauen und Gleichstellungsbeauftragten wurden auf Druck der Politik berufen. Mir ist kein Fall bekannt, in dem Verwaltungen von sich aus danach verlangt hätten. So konnte es passieren, dass 1987 eine Frauenbeauftragte an ihrem ersten Arbeitstag, als sie einen artigen Antrittsbesuch bei ihrem Chef, dem Oberstadtdirektor machte, nicht etwas freundlich begrüßt wurde, sondern lediglich zu hören bekam, Sie wissen, dass niemand in der Verwaltung hier sie wollte?"
Das wäre so heute nicht mehr möglich. Einige Themen jedoch ziehen sich wie ein Roter Faden durch die Geschichte der Frauen- und Gleichstellungspolitik. Das zeigte sich vor allem, als die Gleichstellungsbeauftragten gemeinsam eine Art "Schnelldurchlauf" präsentierten. Aus 25 Jahren Landeskonferenzen und Stellungnahmen.
"Auswirkungen von Hartz 4 auf Frauen / NGO, NLO Aktion ´Geht Frauenpolitik baden?` / Kinderbetreuung / Finanzierung Mädchenhäuser / Familienpolitik versus Frauenpolitik / Aktionswochen ´Balance Familie-Beruf´ ..."
Auf manchen Baustellen dauert die Arbeit eben etwas länger. Almut von Woedtke, die Leiterin der Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung, Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte in Hannover, hält das trotzdem nicht davon ab, zu feiern. Erst das 20-jährige Jubiläum der Vernetzungsstelle, dann 25 Jahre lag.
"Es ist ja eine Arbeit, die nicht immer ganz leicht ist und wir sind dann auch leicht geneigt, über die Schwierigkeiten betrübt zu sein. Aber nein, es sind ja in den letzten 20, 25 Jahren so viele frauenpolitische Erfolge passiert, an die wir uns auch erinnern müssen. Und deshalb ist es ganz wunderbar, dass wir diese beiden Jubiläen jetzt haben feiern können."
Almut von Woedtke kennt den Job von der Pike auf und arbeitet nun als Leiterin der Vernetzungsstelle eng mit den Gleichstellungsbeauftragten zusammen. Die Vernetzungsstelle informiert und berät sie, organisiert Fortbildungen und landesweite Projekte in Zusammenarbeit mit Landes- und Bundesministerien. Almut von Woedtke weiß also, wovon sie spricht. Und was ist aus ihrer Sicht der bisher größte Erfolg?
"Gleichstellungsarbeit ist nicht mehr wegzudenken aus den Kommunen. Wenn wir mal an Arbeit in den Verwaltungen intern denken, Transparenz in Personalentscheidungen hat Einzug gehalten. Da sind noch ganz viele Fragen, aber es ist doch diese erste Sensibilität sicher erreicht und nicht rückholbar."
Auch der Chef von Silke Tödter, Landrat Franz Einhaus, hat die Erfahrung gemacht: Es lohnt sich, in Gleichstellungspolitik zu investieren.
"Der Start war nicht ganz einfach. Wenn wir Bilanz ziehen, kann man sagen, dass es wichtig war, diesem Thema auch ein Gesicht zu geben, eine besondere Position in der Verwaltung. Um aus dieser starken Position sich einbringen zu können. Ich denke schon, dass sich die Kultur im Landkreis Peine, dass bei den Betrachtungen auf berufliche Perspektiven geschlechterübergreifend geschaut wird. Und das ist auch ganz wesentlich der Gleichstellungsbeauftragten zu verdanken."
Es habe sich was in den Köpfen bewegt, sagt er. Das meint auch Wolfgang Meyer, bis vor kurzem Oberbürgermeister von Göttingen.
"Nicht bei allen, sage ich jetzt mal kritisch. Aber die meisten haben das jetzt schon akzeptiert, dass die Arbeit notwendig ist, dass wir sie auch brauchen. Sie arbeitet ja z.B. auch eng mit der Personalverwaltung zusammen, der ganze Bereich Kitas, Frauen und Beruf, die ganzen klassischen Themen, die wir ja auch erfolgreich umsetzen müssen. Weil wir z.B. davon ausgehen, dass wir einen Fachkräftemangel haben werden, weil die Bevölkerung drastisch abnimmt."
Idee einer feministischen Kontrollinstanz
Ursprünglich waren die Frauenbüros gedacht als feministische Kontrollinstanzen, als institutionalisierte Frauenpolitik. In der Praxis haben Gleichstellungsbeauftragte bisher vor allem eine eher beratende Funktion. Alleine können sie wenig erreichen. Nur mit politischen Mehrheiten und das heißt: mit guten Bündnispartnern und -partnerinnen. Wie die 35 Jahre alte Sozialpädagogin Ute Zillig vom Frauen-Notruf in Göttingen.
"Die Zusammenarbeit ist für uns in verschiedener Hinsicht fruchtbar. Einfach ´ne breite Form von Öffentlichkeit, ´ne Nähe zur Lokalpolitik, zu unterschiedlichen Fraktionen, ´ne Nähe zur Stadtverwaltung. Wir finanzieren dann auch Veranstaltungen zusammen, Broschüren. Also wir haben eine sehr breite Form von Unterstützung."
Politik für Frauen ohne Gleichstellungsbeauftragte? Unvorstellbar auch für Eva Schlaugat, Peiner SPD Politikerin und Mitgründerin des Frauenhauses, und Gabriele Jakob, CDU Politikerin aus Hannover.
Eva Schlaugat: "Jemand muss den Hut aufhaben bei dieser Aufgabe, Gleichstellung nach vorne zu bringen. Die wirkliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu organisieren, mit der Politik in´s Gespräch zu kommen."
Gabriele Jakob: "Sie sitzen mit am Tisch, bei jeder Drucksache haben sie Mitspracherecht, und auch die Stellungnahme der Frauenbeauftragten kann man einsehen. D.h. wir können uns immer erkundigen, was sagt die Gleichstellungsbeauftragte zu dem Thema. Es geht ja nicht nur um Gewalt gegen Frauen und Kinder, es geht ja auch um Bebauungspläne, um Kultur. Und immer sollen auch die Frauen berücksichtigt werden, also Gender Mainstreaming."
Gabriele Jakob war unter anderem Mitglied im Niedersächsischen Landtag und frauenpolitische Sprecherin der Union. Gender Mainstreaming: Dieser etwas andere Blick habe schon Einiges bewegt, sagt sie.
"Früher hat man sich keine Gedanken gemacht, da hat man eben eine U-Bahn gebaut, die sehr dunkel war, wo Frauen Ängste hatten. Da gibt es jetzt eben Frauenbeauftragte, die sagen, nee, das ist eine dunkle Stelle, da können Gefahren lauern, da gehen Frauen abends nicht hin. Die wollen auch ins Konzert, da muss mehr Licht her, das müssen wir anders gestalten. Und aus dem Grunde finde ich das wichtig, dass die da sind."
Trotzdem wird immer wieder wird laut darüber nachgedacht, ob sie nicht überholt seien in einer Gesellschaft, in der eine Frau Bundeskanzlerin ist. Die Göttinger Gleichstellungs- beauftragte Christine Müller, Landrat Franz Einhaus und die Politikerin Gabriele Jakob:
Christine Müller: "Ich dachte immer im neuen Jahrhundert wird´s geschafft sein. Und das war das 2000nder."
Franz Einhaus: "Sie sind nicht überholt, das Aufgabenspektrum wird sich verlagern. Weil sich die Rahmenbedingungen verändern. Ein Ende ist noch nicht absehen, weil es darauf ankommen wird, sowohl bei den Männern wie bei den Frauen, die entsprechenden Möglichkeiten zur Wirkung zu bringen, da ist noch `ne ganze Menge zu tun."
Gabriele Jakob: "Wir sind zwar gleichberechtigt, aber wir sind nicht gleichgestellt und so lange Frauen nicht die gleiche Macht haben, nicht an allen Entscheidungspunkten sitzen, um ihre Meinung zu sagen, so lange brauchen wir Gleichstellungsbeauftragte. Denn wir sind erst gleichberechtigt, wenn in allen Gremien, Funktionen die Frauen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil an Ämtern, Mandaten, an der Macht beteiligt werden."
Immer noch ungleiche Bezahlung
Davon sind Frauen auch in Niedersachsen noch weit entfernt. Und nach wie vor müssen sie knapp drei Monate länger Geld verdienen, um das Jahresgehalt ihrer Kollegen zu erreichen. So schnell wird den Gleichstellungsbeauftragten also nicht die Arbeit ausgehen. Außerdem kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu, z.B. die Integration von Frauen zu fördern. Das Betätigungsfeld ist auch seit den 90er-Jahren vielschichtiger geworden.
"Da musste man erst mal die Fahne hoch halten. Jetzt sind wir dabei, dieFelder auch zu beackern, zu sichern, auch in die Details zu gehen. Wir haben vor zwei Jahren eine Expertise gemacht, was brauchen wir, um Frauen mit Migrationshintergrund den Zugang zu unserem System zu ermöglichen. Wen brauche ich da an anderen Verbündeten, wenn ich mit muslimischen Frauen arbeite. Oder wo lerne ich dann wieder ganz viel und muss sagen, ja ok, lass uns das mal so und so machen. Und anders, als ich dachte. Das finde ich ganz spannend."
"Vor 30 Jahren, da war die Gleichstellungsbeauftragte stark im Fokus der Öffentlichkeit. Was ist das für eine Frau, oh, die haben wir jetzt, was macht die, jetzt soll die mal tun. Und die -Arbeit hat sich ja professionalisiert. Die Person selbst muss gar nicht immer so stark im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Es kommt darauf an, was die Verwaltung, der Rat oder Kreistag auf Grund von ihren Anregungen entscheidet."
"Man ist erst mal offen für die Themen, aber wenn es um die Umsetzung geht, ist es nicht immer einfach. Und das Problem ist eher, dass die Politik das Thema Gleichberechtigung sich nicht mehr auf die Fahnen geschrieben hat."
"Es ist ja auch jetzt wieder ein Phase, in der sich herausstellen wird, ob Frauenpolitik wirklich etabliert ist in der Bundesrepublik Deutschland oder ob es mehr etwas war für die Schönwetterphasen. Ich hoffe auf gute Fortschritte für die Frauen in diesem Lande in einer nicht einfachen Zeit."
Da wird wohl jede Gleichstellungsbeauftragte zustimmen. Gesagt hat es Angela Merkel, die damalige Bundesfrauenministerin, als sie die Vernetzungsstelle in Hannover eröffnete. Trotz der mahnenden Worte. Gleichstellungspolitik scheint in vielerlei Hinsicht doch wohl eher etwas für Schönwetterphasen zu sein. Die Arbeitsbedingungen der Frauen- und Gleichstellungsbüros haben sich verschlechtert, in Zeiten leerer Kassen werden Mittel für Frauenprojekte oft gekürzt und es gibt auch immer wieder Rückschläge. Jahrelang kämpften die Gleichstellungsbeauftragten mit Frauenverbänden und Politikerinnen über alle Parteigrenzen hinweg für die Novellierung von "NGO und NLO", also für die Stärkung von hauptamtlicher Gleichstellungsarbeit. Immerhin. Nach einigem hin und her will die niedersächsische Landesregierung nun die Kommunalverfassung entsprechend ändern. Für lag Geschäftsführerin Annette Wiede ein Schritt in die richtige Richtung.
"Dadurch dass wir jetzt auch mal `ne Verbesserung haben. Es gibt noch viele andere Punkte, die es zu verbessern gilt in der Kommunalverfassung. Da müssen wir jetzt abwarten, wie die Diskussionen dazu laufen. Da gibt es weitreichendere Forderungen der Gleichstellungsbeauftragten. Und das muss man jetzt im Gesetzgebungsverfahren abwarten."
Was also können Gleichstellungsbeauftragte tatsächlich bewirken? Sind Sie nicht doch eher nur "zahnlose Tigerinnen"?
"Nein, keine zahnlose Tigerin. Da würde man den amtierenden Gleichstellungsbeauftragten nicht gerecht. Aber ich denke, dass man weiter gehen könnte. Ich bin eine vehemente Verfechterin der Quote. Dann würde die Gleichstellungsbeauftrage noch mehr Zähne kriegen, als sie schon hat."
"Da mal zu sagen, wir hatten eine Vereinbarung, bis 2008 solltet ihr mehr Frauen in höhere Ämter bringen, in die Vorstände. Das ist nicht erreicht und jetzt ist es mit den Lippenbekenntnissen vorbei, jetzt kommt das Quorum. Ich glaube, dass man sich dann bewegt. Und diese Kraft und diesen Willen, den sollte Politik aufbringen, um das durchzusetzen."
Es ist noch viel zu tun
Doch das alleine reicht nicht aus, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Da muss an weiteren Stellschrauben gedreht werden. Die Gleichstellungsbeauftragten fordern unter anderem ein Entgeltgleichheitsgesetz, die Abschaffung von Betreuungsgeld und Ehegattensplitting und eine Arbeitszeitverkürzung. Debattiert wird auch über Sanktionen.
"Das Thema Sanktionen muss man differenziert sehen. Wenn man dieses Instrument überstrapaziert, dann wird es zum Bumerang und führt zu Abwehrmechanismen. Ich halte mehr davon, wie in anderen Bereichen auch, dass man gut argumentiert."
"Das hat sich gezeigt in den 20 Jahren, in denen wir jetzt Erfahrung mit den Gleichberechtigungsgesetzen haben, dass es nicht reicht, gute Regelungen in diese Gesetze zu schreiben. Wir brauchen Sanktionen, die gewährleisten, dass die Regelungen umgesetzt werden."
"Wenn Führungskräfte nicht Frauenförderung machen, müsste man z.B. die Möglichkeit haben, dass sie anders bezahlt werden. VW hat das mal eine Zeitlang gemacht, also Boni oder Beförderung nur in Führungspositionen, wenn sie auch Gleichberechtigung fördern. Das fände ich wichtig."
"Feminismus ist was Topmodernes, weil unser Herz auch mit euch schlägt..."
Eine kleine Tanz- und Gesangseinlage von jungen Frauen zum 25-jährigen Jubiläum des Göttinger Frauenbüros.
"Das war einfach total klasse. Wo wir, meine Kolleginnen und ich, das Gefühl hatten, oh ja super, wir werden hier wahrgenommen, geschätzt und wir sind nicht die einzigen. "
Doch für viele, vor allem junge Frauen, ist Emanzipation kein Thema mehr. Erst wenn sie Kinder haben stellen sie oft fest, dass Frauen doch noch nicht ganz so gleichberechtigt sind, wie sie dachten.
"Ich würde mir von Ihnen mehr Engagement wünschen. Viele sind sehr bewusst in dem Thema, sie haben heute nur ganz andere Formen, sich zu positionieren. Sie organisieren sich seltener in Parteistrukturen, sie machen eher Aktionen zu bestimmten Themen. Diese Internetaktion, als es damals ging um den Sexismus, da haben sie weltweit ganz viel gepostet. Was mir daran gefehlt hat, ist, was haben sie gefordert? Ich wünsche mir mehr als eine Kampagne. Es geht ja auch darum, Gesellschaft zu gestalten und nicht nur zu beklagen, dass es schlecht ist."
25 Jahre "Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros in Niedersachsen" und 20 Jahre Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung, Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte in Hannover. Die erste Generation der Gleichstellungsbeauftragten geht nach und nach in den Ruhestand, beziehungsweise "Unruhestand." Die neue rückt nach. Und wird vielleicht Einiges ganz anders machen.
Ich gehöre ja zu den Dinosaurierinnen. Wir sind irgendwie Idealistinnen der ersten Stunde und harte Kämpferinnen. Wir mussten auch viel erkämpfen, heute ist es auch nur ein Beruf manchmal. Trotzdem bin ich gespannt, was die jungen Kolleginnen daraus machen, denn irgendwann sind die jungen Frauen dran. Wir haben unseren Teil getan.