Glenn Miller statt Händel

Von Gunnar König |
Ein Schlaganfall zwang den Countertenor und Kammersänger Jochen Kowalski 2002 zum Schweigen. Jetzt ist er zurück und kombiniert seine außergewöhnliche Stimme mit – für ihn – ungewöhnlicher Musik: dem Swing. Zusammen mit dem Capital Dance Orchestra interpretiert er bekannte und weniger bekannte Swingklassiker der 30er und 40er Jahre im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt.
"Die quälen mich", sagt Kammersänger Jochen Kowalski und meint damit die Musiker des Capitol Dance Orchestras, die ihn bei seinem Swingdebüt begleiten. Immer wieder wird mitten im Song abgebrochen, das Arrangement verändert, setzt Kowalski noch mal an.

Die Idee, den Countertenor Swingtitel singen zu lassen kam von Robert Mudrinic , der Orchesterchef. Er hatte schon im vergangenen Herbst Nina Hagen auf die Bühne und zum Swing geholt und ihr damit einen unerwarteten musikalischen Erfolg beschert.

"Die Reihe ist entstanden durch die Idee, verschiedene Künstler aus verschiedenen Genres zu nehmen und die Swingtitel singen zu lassen, bzw. alte Musik aus den 30er, 40er Jahren. Die Intention ist, ganz krasse Gegensätze zu nehmen. Auf der einen Seite die Punklady Nina Hagen, auf der anderen Countertenor Jochen Kowalski. Jeder macht ja heute Frank Sinatra, und Rat pack und so. Mit Kowalski, das ist was ganz anderes und ich finde das super."

Mit großen Gesten, dem unvermeidlichen Schal um den Hals und gut gelaunt interpretiert Kowalski die Titel, die das Orchester für ihn ausgewählt hat.

"Erstmal hat mir das Orchester einiges vorgeschlagen, dann hab ich dem Orchester einiges vorgeschlagen, von dem, was ich so in der Badewanne singe, die noch nie jemand gehört hat. Einiges hab ich schon öffentlich gesungen, einiges aber auch noch nicht."

Zu den Titeln, die er dem Orchester vorschlug, gehören einige russische Swingtitel aus den 30er, 40er Jahren, über die Orchesterchef Mudrinic sagt:

"Ich wusste gar nicht, dass die Russen eben auch versucht haben, diese Swingschiene zu fahren, die auch die Amerikaner entwickelt haben, die haben das kopiert mehr oder weniger und nen eigenen Stil entwickelt."

Die Titel brachte Kowalski aus Russland mit. In Moskau unterrichtet er einmal im Jahr selbst junge Countertenöre und fand dabei die Swingsongs.....

"....teilweise auf Flohmärkten in Moskau, Kiew, Petersburg, von alten Schallplatten. Und die Herren vom Capitol Dance Orchestra, die haben erstmal gesagt: Gibt es so was überhaupt? Und ich hab gesagt: Kommt, ich spiel euch mal was vor und vielleicht habt ihr Lust, das mit mir zu machen."

So ganz sicher fühlt er sich allerdings in dem für ihn neuen Metier noch nicht und gibt zu:

""Ich bin sehr nervös, da unten sitze tausend Leute und jeder erwartet sich nen anderen Kowalski. Na ja egal, gut."

Der scheinbar unverwüstliche Kammersänger wird sicherlich diesen Ausflug ins Swing Metier heute Abend mit Bravour meistern. Eine noch größere Herausforderung allerdings ist es für ihn derzeit in sein altbekanntes Metier, die Oper zurückzukehren, denn für das - nach wie vor feste- Ensemblemitglied der Komischen Oper blieben die Angebote nach seinem Schlaganfall leider aus. Vielleicht kann dieser neue Beweis seiner Vielfältigkeit heute Abend auch daran etwas ändern.