Globale Landwirtschaft und ihr Preis
Seit vor fünf Jahren die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis oder Mais weltweit in die Höhe schossen, hat ein brutaler Wettlauf um Ackerland begonnen. Konzerne, Finanzgesellschaften und sogar Regierungen kaufen, stehlen oder sichern sich mit langfristigen Pachtverträgen weltweit große Ländereien. In seinem neuen Buch beschreibt der italienische Journalist Stefano Liberti die Ursachen und Folgen dieses "Landraubs" und nimmt seine Leser mit auf die lange Reise einer beeindruckenden Recherche.
Vom fruchtbaren Hochland Äthiopiens über Konferenzhotels in Genf und die Nahrungsmittelbörse in Chicago reist er zu Maisfeldern im Mittleren Westen der USA, zu Soja-Einöden in Brasilien und zu den Nussplantagen Tansanias. Er redet mit Bauern und Aktivisten, mit Regierungsvertretern und Agrarunternehmern, Investoren und Börsenspekulanten und schafft es so, das sehr vielschichtige Thema des globalen Landkaufs verständlich und nachvollziehbar darzustellen.
Die Opfer des "Landraubs" sind mühelos auszumachen – es sind die indigenen Völker und die Bauern ohne Landtitel in den Ländern des Südens. Weniger leicht sind aber die Schurken zu finden. Denn ist es verwerflich, wenn die arabischen Staaten versuchen, im fruchtbaren Äthiopien ihre Grundversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern – auch wenn Äthiopien dadurch seine Nahrungsmittelautarkie verliert? Kann man den Farmern in den USA vorwerfen, Mais für Biosprit anzubauen und so ein sicheres Einkommen zu haben – auch wenn dadurch zu wenig Mais für Nahrungszwecke produziert wird?
Langsam dringt man durch Libertis Recherche zum Kern der Probleme vor: Zwei unterschiedliche Entwicklungs- und Kulturmodelle stehen sich unversöhnlich gegenüber. Auf der einen Seite finden sich die Agrarunternehmen und große Institutionen wie die Weltbank, die auf eine industrialisierte Landwirtschaft setzen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Dass dies vielerorts in Afrika und Lateinamerikas böse Folgen für Umwelt und Arme hatte, übersehen sie gerne.
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die die gewachsene bäuerliche Kultur bewahren wollen – die ist aber in vielen Ländern chronisch unterentwickelt. Den Bauern fehlen Rechtstitel auf Anbauflächen, Lager- und Vermarktungsmöglichkeiten. Folglich verlieren sie immer wieder im Kampf gegen die Großen.
Eine Patentlösung bietet Stefano Liberti am Ende nicht. Das mag manchen Leser enttäuschen. Sein Buch aber ist ein Weckruf: Für die verantwortlichen Regierungen in den Ländern des Südens, denn sie sind es, die den Ausverkauf zulassen; für Institutionen wie Weltbank und Handelsorganisationen Investitionen in Ländereien zu kontrollieren und die Offenlegung der Vertrage zu verlangen; für Politiker im Norden, die über die Folgen des Biosprits nachdenken sollten.
Fazit: Libertis Analyse ist hochinteressant und spannend zu lesen. Jeder, der das Thema verstehen will, erhält hier fundierte Einblicke - aber eine abschließende Antwort, wie man den Landraub stoppt, bietet das Buch nicht.
Rezensiert von Günther Wessel
Stefano Liberti: Landraub - Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus
Aus dem Italienischen von Alex Knaak
Rotbuch Verlag, Berlin 2012
256 Seiten, 19,95 Euro
Die Opfer des "Landraubs" sind mühelos auszumachen – es sind die indigenen Völker und die Bauern ohne Landtitel in den Ländern des Südens. Weniger leicht sind aber die Schurken zu finden. Denn ist es verwerflich, wenn die arabischen Staaten versuchen, im fruchtbaren Äthiopien ihre Grundversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern – auch wenn Äthiopien dadurch seine Nahrungsmittelautarkie verliert? Kann man den Farmern in den USA vorwerfen, Mais für Biosprit anzubauen und so ein sicheres Einkommen zu haben – auch wenn dadurch zu wenig Mais für Nahrungszwecke produziert wird?
Langsam dringt man durch Libertis Recherche zum Kern der Probleme vor: Zwei unterschiedliche Entwicklungs- und Kulturmodelle stehen sich unversöhnlich gegenüber. Auf der einen Seite finden sich die Agrarunternehmen und große Institutionen wie die Weltbank, die auf eine industrialisierte Landwirtschaft setzen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Dass dies vielerorts in Afrika und Lateinamerikas böse Folgen für Umwelt und Arme hatte, übersehen sie gerne.
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die die gewachsene bäuerliche Kultur bewahren wollen – die ist aber in vielen Ländern chronisch unterentwickelt. Den Bauern fehlen Rechtstitel auf Anbauflächen, Lager- und Vermarktungsmöglichkeiten. Folglich verlieren sie immer wieder im Kampf gegen die Großen.
Eine Patentlösung bietet Stefano Liberti am Ende nicht. Das mag manchen Leser enttäuschen. Sein Buch aber ist ein Weckruf: Für die verantwortlichen Regierungen in den Ländern des Südens, denn sie sind es, die den Ausverkauf zulassen; für Institutionen wie Weltbank und Handelsorganisationen Investitionen in Ländereien zu kontrollieren und die Offenlegung der Vertrage zu verlangen; für Politiker im Norden, die über die Folgen des Biosprits nachdenken sollten.
Fazit: Libertis Analyse ist hochinteressant und spannend zu lesen. Jeder, der das Thema verstehen will, erhält hier fundierte Einblicke - aber eine abschließende Antwort, wie man den Landraub stoppt, bietet das Buch nicht.
Rezensiert von Günther Wessel
Stefano Liberti: Landraub - Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus
Aus dem Italienischen von Alex Knaak
Rotbuch Verlag, Berlin 2012
256 Seiten, 19,95 Euro