Die wachsende Macht der Schattenbanken
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Mit der Finanzkrise rückten Schattenbanken erstmals ins öffentliche Bewusstsein: Sie finanzieren Geldgeschäfte, die Banken zu riskant sind. In den USA vergeben sie bereits die Hälfte aller Kredite. Kritiker warnen, dass ihre Rolle unterschätzt wird.
Berlin, Potsdamer Platz 5. In der obersten Etage eines sechzehnstöckigen Wolkenkratzers residieren "Pöllath und Partners". Die Anwaltskanzlei mit weiteren Standorten in Frankfurt am Main und München berät Kunden in Rechts- sowie Steuerfragen. Einer ihrer insgesamt rund 130 Mitarbeiter heißt Tarek Mardini.
"Unsere Mandanten sind entweder Fonds-Manager, die eine besondere Expertise haben in der Auswahl von spannenden Investments und Gelder von Anlegern verwalten wollen. Oder wir beraten auch die Investoren, die ihre Gelder anlegen wollen."
In Zeiten niedriger oder gar negativer Zinsen für Guthaben bringen immer weniger Investoren ihr Geld zu einer normalen Bank, sondern zu einer sogenannten Schattenbank.
"Das ist ein Begriff, der sich – nicht nur in Deutschland, sondern auch im Angelsächsischen – durchgesetzt hat, um ein Phänomen zu beschreiben, was halt Marktteilnehmer meint, die nicht eine Bank sind."
Was eine Schattenbank ist, ist gar nicht so genau definiert, denn Schattenbanklizenzen gibt es nicht. Das Financial Stability Board, kurz: FSB, dieser internationale Finanzstabilitätsrat mit Sitz in Basel zu dessen Mitgliedern die Weltbank, die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission zählen – spricht deshalb von einem "System der Kreditvermittlung, an dem Unternehmen und Tätigkeiten (ganz oder teilweise) außerhalb des regulären Bankensystems beteiligt sind."
Schattenbanken können weder Geld schöpfen noch Geld von Zentralbanken leihen. Außerdem sind Konten und Depots bei Schattenbanken nicht abgesichert. Vereinfacht ausgedrückt: Schattenbanken sind Finanzinstitute - oder deren Produkte -, die bankenähnliche Dienste anbieten, aber nicht wie eine Bank reguliert werden. Sie sammeln aus verschiedenen Quellen Geld ein, um dieses anschließend entweder an andere zu verleihen oder selbst zu investieren. Beispielsweise über Fonds.
"Das sind eigentlich alles Fonds, die sich an sogenannte institutionelle Anleger richten. Das sind also alles große Unternehmen, Versicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds, Stiftungen, zum Teil auch andere Banken – das sind so die Haupt-Investoren. Daneben noch, zum Teil, einige private Großfamilien, die auch inzwischen solche Mittel haben, um in solche Fonds zu investieren. Und die investieren ganz bewusst nicht nur in einen einzelnen Fond, sondern in eine Vielzahl von Fonds, um ihr Risiko zu streuen. Und sie machen das, um sich eine höhere Rendite zu erhoffen als jetzt vielleicht auf einem Bankkonto."
Schattenbanken verwalten ein Drittel des Finanzsektors
So unklar die Definition auch sein mag – unstrittig ist zumindest, dass Schattenbanken im weltweiten Finanzsystem eine immer wichtigere Rolle spielen.
"Über alle Länder der Welt hinweg ist der Anteil der Schattenbanken ungefähr ein Drittel des Finanzsektors", sagt Markus Rudolf, Rektor der "Otto Beisheim School of Management" in Vallendar bei Koblenz.
"Das ist in den USA und in manchen europäischen Ländern höher als ein Drittel, es ist in Deutschland ziemlich genau ein Drittel und im EU-Durchschnitt ziemlich genau auch ein Drittel. Die Bedeutung ist also sehr groß – und sie sind auch gar nicht wegzudenken."
Der Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler Markus Rudolf findet: Auch wenn Schattenbanken außerhalb des umfassend regulierten Bankensektors agieren, und das Ganze eine wenig nach Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit klingt, haben sie durchaus ihren Nutzen.
"Was die machen, ist im Prinzip etwas Ehrenwertes, nämlich: Sie ermöglichen es Leuten, die für ihr Alter beispielsweise sparen wollen und sparen müssen, über Pensionsfonds dieses Geld effizient anzulegen, an den weltweiten Finanzmärkten."
Pensionsfonds und auch Pensionskassen funktionieren wie kleine Versicherungsgesellschaften: Mitarbeiter eines Unternehmens zahlen einen Teil ihres Bruttolohns steuer- und sozialabgabenfrei direkt ein. Am Ende ihres Arbeitslebens wird ihnen dann aus den damit erwirtschafteten Erträgen eine Zusatzrente ausbezahlt.
"Dass Geld investiert werden muss auf den Weltfinanzmärkten, ist sozusagen eine Notwendigkeit – jedenfalls dann, wenn sichergestellt sein soll, dass Leute nach ihrem aktiven Berufsleben eine Rente beziehen. Und das funktioniert in vielen Ländern eben so, dass man in seinem aktiven Leben Geld anspart, was man später – nach seinem 65. Lebensjahr – dann wieder ausgeben kann."
Laut Finanzstabilitätsrat betrug das Geschäftsvolumen der Schattenbanken 2017 insgesamt 51,6 Billionen US-Dollar. Im Vergleich zum Vorjahr war dies ein Anstieg um 8,5 Prozent. Die FSB-Angaben basieren auf Daten von 29 Ländern. Diese wiederum stehen für 80 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.
Offensichtlich spielen Schattenbanken im weltweiten Finanzsystem eine immer größere Rolle.
"Man hat im Zuge der Finanzkrise – also ab dem Jahr 2007 – vor allem den Bankensektor stärker reguliert, sehr viel stärker reguliert. Und wenn ich "regulieren" sage, dann bezieht sich das vor allem auf die Eigenkapitalausstattung. Also, es ist verlangt worden von den Banken, mehr Eigenkapital vorzuhalten, um eventuellen Risiken besser begegnen zu können. Das führt aber dazu, dass manche Geschäfte aus den Banken heraus ausgelagert werden. Das heißt: Das Finanzgeschäft versucht sozusagen, die Regulierungen zu umgehen."
Größte Schattenbank: BlackRock – an 17.000 Unternehmen beteiligt
Bei vielen dieser ausgelagerten Finanzdienstleister handelt es sich zudem um nichts anderes als um Tochtergesellschaften ganz normaler Geschäftsbanken. Diese Auslagerungen stellen ihren Kunden deutlich höhere Zinsen in Aussicht, als es im stark regulierten Sektor der normalen Geschäftsbanken üblich und möglich ist.
Tarek Mardini von der Kanzlei Pöllath und Partners: "Banken nehmen Einlagen von Kunden an, die erwarten, dass diese Einlagen auch morgen noch da sind. Fonds nehmen Gelder an, die bewusst als Investment zur Verfügung gestellt werden – von denen der Anleger zwar erhofft, dass sich das Geld noch da ist und im Idealfalle vermehrt. Aber all die Geldgeber, die Fonds Geld geben, wissen: Es ist ein Investment, das kann halt auch mal schiefgehen."
Die weltweit größte Schattenbank trägt den Namen BlackRock. BlackRock ist rund um den Globus an mehr als 17.000 Unternehmen beteiligt – und bei sämtlichen börsennotierten Weltkonzernen aus Europa und den USA einflussreicher Großaktionär.
Obwohl schon 1988 gegründet, war BlackRock den meisten Menschen in Deutschland jahrzehntelang nicht bekannt. Das änderte sich erst im Herbst 2018. Damals gab der Politiker und Lobbyist Friedrich Merz seine Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz bekannt. Friedrich Merz war zu diesem Zeitpunkt seit zwei Jahren Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers von BlackRock – eine Funktion, zu der er unter anderem auf einer viel beachteten Pressekonferenz Stellung bezog.
"Ich will nur darauf hinweisen: Ich beaufsichtige diese Firma in Deutschland, aber ich führe sie nicht. Ich bin übrigens dankbar dafür, dass die meisten jedenfalls in der Beschreibung dieser Firma auch richtig darauf hingewiesen haben: Das ist keine Heuschrecke, das ist ein Vermögensverwalter. Ja – der größte auf der Welt, aber Vermögensverwalter sind Treuhänder der Einlagen ihrer Kunden Und insofern fühle ich mich da ausgesprochen wohl mit."
"Das ist eine Firma, die ein Vermögen von sechs Billionen Dollar verwaltet", sagt Hans-Jürgen Jakobs, Senior Editor der Wirtschafts- und Finanzzeitung "Handelsblatt" – und Herausgeber des Buches "Wem gehört die Welt?". Die umfangreiche Aufsatz- und Faktensammlung klärt auf über die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus.
"Sechs Billionen Dollar. Das ist weitaus mehr, als wir in Deutschland produzieren, jedes Jahr, an Gütern und Dienstleistungen – erheblich mehr. Wir finden bei BlackRock eigentlich alles, was diesen neuen Bereich der Schattenbanken ausmacht: Hedgefonds, Immobilien beispielsweise, Geldmarktfonds."
Über diverse Tochterunternehmen hält BlackRock ansehnliche Aktienpakete unter anderem auch an normalen Geschäftsbanken – wie etwa der Bank of America, der Citygroup sowie der Deutschen Bank. Das ist aber noch lange nicht alles.
"BlackRock ist beispielsweise, wenn man es durchrechnet, der weitaus größte Eigentümer im Deutschen Aktienindex – mit einem Anteil von zehn bis elf Prozent. Das heißt: jede zehnte Aktie der 30 größten deutschen Konzerne wird von einem der BlackRock-Fonds kontrolliert. Das ist erheblich.
Und wenn Sie sehen, dass wir weltweit einen riesigen Drang zur Konzentration haben, zur ‚Vermachtung‘ von Märkten, wo über Fusionen und Übernahmen der Marktanteil einzelner Firmen immer größer wird, dann sehen Sie: Das ist eine sehr ungünstige Entwicklung. Common Ownership heißt das in der Literatur. Weil: größerer Marktanteil heißt mehr Macht auf dem Markt, weniger Konkurrenz, weniger Störfaktoren und größere Möglichkeit, höhere Preise durchzusetzen – und damit höhere Gewinne und höhere Dividenden und Kurssteigerungen."
BlackRock ist auch politisch gut vernetzt
Der gemeinnützige Verein Lobbycontrol, der über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Politik und Wirtschaft aufklärt, kommt insgesamt zu der Einschätzung, …
Zitat: … dass sich die Eigentumsstrukturen von BlackRock im Kreis drehen. So kontrollieren sich die Vermögensverwaltungen selbst beziehungsweise unterliegen eigentlich keiner Kontrolle.
"Das ist ein fast inzestuöses System, wo man die eigenen Interessen eben über ein Geflecht von Beteiligungen verfolgt. Während Banken natürlich systemisch relevant sind, ist BlackRock nach wie vor unkontrolliert, und man weigert sich, diese Firma als systemisch relevant einzustufen."
Als systemisch relevant gilt eine Bank dann, wenn sie im Fall einer Notlage oder eines ungeordneten Zusammenbruchs ein systemisches Risiko für das globale Finanzsystem darstellen könnte.
Anders ausgedrückt: wenn die betroffene Bank international derart stark mit anderen Banken verflochten ist, dass im Fall ihrer Pleite ein weltweiter Domino-Effekt zu befürchten wäre. Banken, die der Finanzstabilitätsrat, FSB, als "systemisch relevant" einstuft, werden streng reguliert.
"Aber das ist BlackRock, das ist der Firma, erfolgreich gelungen, das zu verhindern. Sie ist extrem gut vernetzt. Sie hat langjährige, wichtige Politiker in ihren Reihen. Friedrich Merz ist da nur ein Beispiel."
Um für den Krisenfall gewappnet zu ein, müssen systemisch relevante Banken unter anderem ausreichend Eigenkapital vorweisen. Schattenbanken wie BlackRock & Co. dagegen müssen das nicht – die astronomisch hohen Summen, die sie verwalten, gehören ausschließlich ihren Kunden. Im Falle einer sich abzeichnenden Krise mit möglicherweise fatalen Folgen.
"Weil eben so viel Geld hier zusammengefügt ist, so viel Geld akkumuliert ist, Billionen, kann das einen sehr, sehr starken Effekt haben. Die Gefahr ist sehr groß, dass es zu einem Herdentrieb kommt.
Weil die Finanzinstitutionen, die Schattenbanken, sehr stark miteinander verbunden sind, könnte es sein, dass irgendwo ein Problem auftritt, in irgendeinem Markt, sagen wir in China, und dort erfüllen sich Investments nicht. Das heißt: Diejenigen, die hier Verlust erleiden, die suchen sich ihr Geld woanders. Die suchen dann plötzlich Liquidität. Das heißt: Die wollen dann ihre Anteile, die sie sonst irgendwo haben, verkaufen.
Und all diese Firmen haben ja nicht viel Eigenkapital. Die halten ja nicht viel vor. Sondern das Geld zirkuliert ja. Das ist ja angelegt, in irgendwelchen anderen Firmen. Und so könnte es zu einem Run dann, einem Bank Run sozusagen, kommen, auf Anteile – und sich das von Beteiligung zu Beteiligung, von Börse zu Börse, von Markt zu Markt, fortpflanzen, ohne dass man hier viel dagegen tun kann."
Volkswirtschaftlich wichtige Funktionen von Schattenbanken
Falls also beispielsweise aufgrund des Handelsstreits zwischen den USA und China plötzlich solche Aktienfonds starke Verluste einfahren, deren Kapital überwiegend in chinesischen Firmen steckt, dann könnten die beteiligten Schattenbanken in finanzielle Schieflage geraten. Sie würden dann womöglich versuchen, den erlittenen Verlust durch den Verkauf anderer Wertpapiere aufzufangen – mit der Folge, dass daraufhin genau jene Firmen oder Branchen in Schwierigkeiten geraten, deren Aktien die Schattenbanken jetzt abstoßen.
Dies wiederum würde zu Verlusten bei weiteren Investoren führen – und diese dürften nun ihrerseits darum bemüht sein, das Ganze durch eigene Finanz-Transaktionen ebenfalls auszugleichen.
Hans-Jürgen Jakobs vergleicht diese Kettenreaktion in seinem Buch "Wer gehört wem?" mit Blutbahnen, in denen Viren rasch transportiert werden. Bei aller Kritik, die er am System der Schattenbanken übt, will Jakobs derartige Finanzakteure aber keineswegs grundsätzlich verdammen.
"Man kann jetzt nicht einseitig sagen: Man muss Schattenbanken verbieten. Schattenbanken verfolgen auch volkswirtschaftlich wichtige Funktionen, weil sie kurzfristig Unternehmen, Wirtschaftsakteuren, Geld zur Verfügung stellen, damit die investieren können oder Unternehmen kaufen. Also: Sie werden damit liquide, um unternehmerisch handeln zu können. Wenn Geschäfte schnell zu beschließen sind, zu verfolgen sind, kann das positive Folgen haben – und ist sicherlich für die Arbeitsweise, für die Dynamik der Wirtschaft erstmal etwas Positives."
Wer auf den Fluren und in den Büroräumen der Berliner Firma "tausendkind" lautes Baby- oder Kindergeschrei erwartet, wird enttäuscht. Denn bei dem Berliner Start-up für hochwertige Baby- und Kindermode, Spielzeug sowie Accessoires handelt es sich um ein reines Online-Unternehmen. Gegründet wurde "tausendkind" 2010 von den beiden Freundinnen Anike von Gagern und Kathrin Weiß.
Katharina Weiß: "Also, uns war klar, durch ein paar Gespräche, die wir am Anfang auch mit anderen Gründern von Online-Shops geführt hatten, dass es unwahrscheinlich ist, im ersten Schritt von einer Bank eine Finanzierung zu bekommen, weil das Risiko viel zu hoch ist, für eine normale Hausbank, was sie eingehen würden, mit so einer Gründung, und wir nicht viel Sicherheiten bieten könnten. Deshalb sind wir auf VCs und Business Angels zugegangen, die eben ein anderes Risikoprofil haben."
"VC" steht für "Venture Capital", Risiko- oder Wagniskapital – also Kapital, mit dem sich ein Geldgeber an einem als riskant eingestuften Unternehmen beteiligt, wie etwa einem Internet-Start-up. Ein sogenannter Business Angel beteiligt sich nicht nur finanziell an einem Unternehmen, sondern steht den Existenzgründern vor allem zu Beginn auch persönlich mit Rat und Tat zur Seite.
"Im Venture-Capital-Geschäft ist das so, dass der Venture Capitalist das Ziel hat, die Firma zu einem Zeitpunkt zu verkaufen – und durch den Verkauf mehr Geld zurückbekommt, als er investiert hat, anfangs. Und man sagt immer so, für einen Venture Capitalisten: Der möchte, dass sein Einsatz verzehnfacht wird. Er hat einen gewissen Portfolio-Gedanken: Er investiert in viele verschiedene Companys. Ein Teil davon wird nichts. Und die, die was werden, die sollen ungefähr ‚zehn x‘, sagt man, also das Zehnfache dessen bekommen, was investiert wurde."
Die Risiko-Kapitalgeber, die sich 2010 an der tausendkind-Gründung finanziell beteiligten, tragen Bezeichnungen wie "Capnamic Ventures" oder "PDV Inter-Media Venture". Ohne Schattenbanken wie sie hätten wohl nur die wenigsten Internet-Start-ups eine Chance, den Sprung in die Selbstständigkeit überhaupt zu schaffen.
"Natürlich gibt es dort solche und solche. Wir arbeiten sehr gerne mit Venture Capitalisten zusammen, die einen sehr unternehmerischen Spirit haben. Das heißt: mit denen wir auch die Fragestellung, die wir täglich bearbeiten, die wir mit denen teilen können und gemeinsam auf Augenhöhe diskutieren können. Aber es gibt natürlich auch welche, die sind nicht ganz so unternehmerisch, nicht ganz so unternehmerfreundlich – dort gibt es alle Arten."
Um es etwas direkter auszurücken: Manche Risiko-Geldgeber sind in erster Linie daran interessiert, das eingesetzte Kapital möglichst rasch zu vermehren – ohne dabei Rücksicht auf ein gesundes Wachstum der unterstützten Firma zu nehmen.
Schattenbanken finanzieren Start-ups und Kommunen
Laut Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, in dem auch viele Venture-Capital-Gesellschaften organisiert sind, befindet sich das Geschäft mit der Finanzierung von Internet-Firmen hierzulande nach wie vor im Aufwind. Demnach wurden von Kapitalgebern 2018 rund 1,4 Milliarden Euro in insgesamt 680 Startups investiert – 100 Millionen Euro mehr als noch im Jahr zuvor.
"Wenn alles gut läuft, sind alle immer entspannt und happy und ‚best buddies‘. Wenn es dann mal schwierig wird – und das bleibt, glaube ich, bei kaum einen Start-up aus, dass es mal schwierige Phasen gibt –, da zeigt sich eben, ob dann die Interaktion genauso bleibt oder ob der Venture Capitalist dann auch nervös wird und dass er ein bisschen unangenehmer wird. Und in dem Moment, wo wir merken, es geht nicht mehr um das Wohl der Firma, sondern der Venture Capitalist stellt das Wohl seines Fonds vor das Wohl der Firma, wird eine Diskussion eben eine andere, eine schwierigere. Dann bauen sich Fronten auf – und dann muss man vermitteln zwischen Fronten."
Im Fall von tausenkind ist laut Geschäftsführerin Katharina Weiß bislang alles weitgehend glatt gegangen. 2019, im zehnten Jahr seines Bestehens, will das Unternehmen mit aktuell gut 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, endlich die Profitzone erreichen. Dass eine normale Geschäftsbank derart viel Geduld mitbringen würde, ist unwahrscheinlich.
Wie vielfältig das Tätigkeitsfeld der Schattenbanken ist, zeigt sich auch auf der Jahrestagung des Verbandes kommunaler Unternehmen. An einem der zahlreichen Messestände präsentiert sich die Münchener Firma CommneX. CommneX vermittelt unter anderem Kredite für kommunale Projekte an Städte und Gemeinden.
CommneX-Geschäftsführer Friedrich von Jagow: "Die Stadt Blumenberg möchte den Kindergarten renovieren, braucht dafür vier Millionen Euro finanziert. Dann geht sie eben bei uns auf die Website, definiert: ‚Ich bin die und die Kommune und ich brauche vier Millionen Euro, auf zehn Jahre finanziert.‘ Wir leiten diese Anfrage eben weiter an Finanzinstitute in ganz Deutschland, auch in Österreich und anderen EU-Staaten, aber vornehmlich Deutschland. Die können dann sehen, wer die Kreditnehmerin ist, können ihre Angebote abgeben. Und die Kommune kriegt eben alles nebeneinander, parallel, transparent aufgestellt, alles wird fertig ausgerechnet. Es ist alles völlig kostenfrei. Es ist eigentlich so eine Art Interhyp oder Check24 für die öffentliche Hand."
Auch hinter solchen Kommunalkrediten stecken inzwischen nicht selten Schattenbanken – etwa Versicherungen, Pensionskassen oder Versorgungswerke. Dem CommneX-Geschäftsführer zufolge liegen die Vorteile eines Schattenbanken-Kredits für beide Seiten auf der Hand.
"Eine Kommune, wenn die einen Kredit aufnimmt, ist die immer im ein-, zweistelligen Millionenbereich – was vor allem für Versicherungen, die einfach sehr viel Geld anzulegen haben, ein sehr schönes Instrument ist, um eben viel Kapital langfristig zu parken. Kommunen finanzieren sich dann am liebsten möglichst langfristig. Also 20 Jahre, 30 Jahre, 40 Jahre – je länger, desto besser. Und die Banken können das eigentlich wegen der derzeitigen Zinslage, kaum noch abbilden.
Deswegen kommen dann eben die Versicherungen ins Spiel, vor allem die Lebensversicherungen, die eben sagen: Ich habe hier Geld anzulegen für die nächsten 50 Jahre. Und diese Kommunalfinanzierungen haben diverse regulatorische Privilegien. Also, sie sind zum Beispiel eigenkapitalneutral: Man muss eben kein Eigenkapital hinterlegen, weil sie risikoneutral sind. Der Gesetzgeber sagt: Ein Darlehen an eine deutsche Kommune ist so sicher, als würde ich dem deutschen Staat Geld leihen."
Rufe nach stärkerer Regulierung
Angesichts der wachsenden Bedeutung der Schattenbanken für das globale Finanzsystem werden immer wieder Stimmen laut, dass auch diese "dunkle Seite der Macht" stärker reguliert werden müsste. Und tatsächlich: Bereits Ende 2012 präsentierte der Finanzstabilitätsrat in Basel seinen Mitgliedsstaaten entsprechende Empfehlungen.
"Dieser internationale Ansatz hat deutlich besser funktioniert, als die Skeptiker gedacht haben", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi, Vertreter seiner Partei im Bundestags-Finanzausschuss.
"Da sind enorme Fortschritte gemacht worden. Nicht, weil der FSB so mächtig ist, sondern, weil die Mitgliedsstaaten – oder die, die sich dieser Initiative angeschlossen haben – erkannt haben, dass es in ihrem eigenen, ureigensten Interesse ist. Eigennutz hat da tatsächlich die Durchschlagskraft gehabt."
Auf Anraten des FSB wurden unter anderem neue europäische Aufsichtsbehörden ins Leben gerufen – so etwa für das Versicherungswesen oder auch den Wertpapierhandel. Außerdem verpflichteten sich die FSB-Mitgliedstaaten, regelmäßig Daten und Informationen über ihr jeweiliges nationales Schattenbankensystem zusammenzutragen und dem Finanz-Stabilitätsrat zur Verfügung zu stellen. Auf deren Basis erarbeitet der FSB dann Leitlinien, die die einzelnen Mitgliedsstaaten schließlich juristisch umsetzen sollen.
"Bei den Schattenbanken – weil die auch noch transnationaler sind, also weniger Rücksicht auf nationale Grenzen nehmen oder europäische Grenzen nehmen – ist es da ein bisschen schwieriger zu regulieren."
Regulatorisch vorangekommen ist man bislang immerhin bei den sogenannten Geldmarktfonds. Diese sammeln kurzfristig verfügbares Geld von Anlegern ein und investieren damit in Wertpapiere mit kurzer Laufzeit. Hier bestand zuvor die Gefahr eines "Bank Runs": Falls viele Anleger gleichzeitig ihr Kapital aus Geldmarktfonds abgezogen hätten, wäre unter Umständen die globale Finanzstabilität gefährdet gewesen.
"Insbesondere, das müssen Sie sich vorstellen, in den USA: Wenn da 50 Prozent oder so ähnlich – also eine deutlich größere Menge als in Deutschland – ihre private Rentenversicherung in solchen Anlagemöglichkeiten haben, dann ist das Geld ganz schnell da raus. Und dann haben Sie enorme prozyklische Markteffekte, die dann die Krise noch weiter anfeuern."
Seit Juli 2018 gelten für Geldmarktfonds neue Vorschriften. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Geldmarktfonds ihre Investoren jederzeit auszahlen können. So dürfen sie auf EU-Ebene nur noch maximal zehn Prozent ihrer Vermögenswerte innerhalb eines Tages verkaufen, weitere 20 Prozent innerhalb einer Woche.
Gescheitert ist dagegen bislang nach wie vor der Versuch, eine weltweite Finanztransaktionssteuer einzuführen. Diese hätte es ermöglicht, besonders schnelllebige und risikobehaftete Finanztransaktionen durch zusätzliche Kosten unattraktiv zu machen – ohne dabei realwirtschaftliche Investitionen ernsthaft zu belasten.
Sorge vor der nächsten Finanzkrise
Der Finanzstabilitätsrat kommt mit Blick auf die Regulierung von Schattenbanken insgesamt zu dem eher ernüchternden Fazit, Zitat: Die Umsetzung der Reformen in diesem Bereich schreitet voran, bleibt aber in einem relativ frühen Stadium.
Auch wenn es nach Metin Hakverdi von der SPD ginge, dürfte es in Sachen Schattenbanken-Regulierung deutlich flotter vorangehen. Zumal der Anteil der Schattenbanken am globalen Finanzsystem noch erheblich zunehmen dürfte, glaubt der Bundestagsabgeordnete.
"Also, dass China jetzt auf einmal so ein riesengroßer Markt ist für Schattenbanken, da hatte natürlich vor 30 Jahren niemand dran gedacht, das ist ja klar: alles staatlich reguliert und so. Aber da geht’s jetzt richtig los, weil das eine Riesenwirtschaft ist.
Indien wird ein Riesenmarkt, der asiatische Markt insgesamt. Das ist ein wachsender Markt, den wir sozusagen auch in unserer Denke – da müssen wir uns mal selber an die eigene Nase fassen – noch gar nicht so vor Augen haben. Wenn dort viel, viel mehr Geld verliehen wird, als in Europa – weil die Wirtschaft dort größer ist –, sind da auch mehr Risiken in den Büchern.
Also: Wir müssen uns auch mal ein bisschen über die Finanzstabilität nicht nur in der Euro-Zone Gedanken machen, sondern auch in Asien."
Was also ist konkret zu tun?
Hans-Jürgen Jakobs vom "Handelsblatt" sagt, "wir müssen, glaube ich, dazu übergehen, die Kompetenz der Aufsichtsbehörden – insbesondere auch des Financial Stability Boards in Basel–, das zu erweitern und die Schattenbanken dann auch – nicht voll, wie Banken, aber auch ähnlich wie Banken – zu behandeln. Ich fürchte, dass wir diese Lehren erst nach der nächsten Finanzmarktkrise ziehen werden, die für mich in dem Bereich entstehen wird."
2008 war es die spektakuläre Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, die das globale Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs brachte. Schuld an der damaligen, tiefgreifenden Vertrauenskrise an den Finanzmärkten waren nicht zuletzt die vielfältigen Verflechtungen von Banken mit undurchsichtigen, kaum regulierten Finanzakteuren. Als solche gelten die Schattenbanken auch. Insofern heißt es wieder mal: Nach der Krise, ist vor der Krise, ist nach der Krise, ist …
Markus Rudolf: "Ich kann Ihnen nicht sagen, ob wir in nächster Zeit wieder eine Krise haben werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Mit Bestimmtheit werden wir irgendwann wieder eine Krise haben."
Tarek Mardini: "Es ist nicht so, wie man manchmal landläufig denkt: dass die Krise immer nur von Leuten kommt, die nicht reguliert sind. So dass man, glaube ich, nicht alleine aufgrund des Umstandes, dass jemand keine Bank ist, unbedingt Sorgen haben muss."
Hans-Jürgen Jakobs: "Das Problem ist: Wenn sich immer mehr Geld in diesem Schattenbanken-Bereich sammelt, steigt auch exponentiell das Risiko, dass es hier zu Fehlentwicklungen und zur nächsten Finanzkrise kommt. Das ist das große Problem dabei. Wir wissen im Augenblick viel zu wenig über diesen Bereich. Und ohne Transparenz fehlt natürlich dann auch eine Einschätzung, wie gefährlich das Ganze ist – und auch eine Vorbereitung zu möglichen Gegenmaßnahmen. Das ist das Problem."
Metin Hakverdi: "In einer Volkswirtschaft, in der nur Banken Geld verleihen, wollen Sie keine Bankenkrise haben. Dann ist das ganz, ganz schnell ganz schlecht. Sondern im Finanzsektor geht es darum, Risiken möglichst breit zu streuen. Das bringt Stabilität und Vorhersehbarkeit für alle. Das heißt: Der gesunde Mix – das muss das Ziel sein. Und da sind Schattenbanken, obwohl sie ‚Schatten‘ heißen, sind die gar nicht so schlecht. Der Mix zählt."