Europa ist unsere Zukunft
Das friedliche Europa sei ein Garant für Sicherheit und Wohlstand, sagt Jürgen Rüttgers. Deshalb warnt der ehemalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen davor, Europa nur als Bürokratiemonstrum zu betrachten.
Unser Land steht vor großen Herausforderungen: Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt. Wenn die völkerrechtswidrige Annexion der Krim akzeptiert würde, wäre die Nachkriegsordnung in Europa nicht nur von Putin, sondern auch von uns zerstört.
Man warnt vor dem Rückfall in den Kalten Krieg und betreibt gleichzeitig den Rückfall in die Isolation unseres Landes im westlichen Bündnis. Zur Erinnerung: Es war nicht der Westen, der Deutschland und Europa geteilt hat. Wer das Sicherheitsversprechen des Nato-Bündnisses für unsere östlichen Nachbarn in Frage stellt, kündigt auch die Nato-Sicherheits-Garantie für Deutschland.
Europa ist unsere Zukunft. Anders könnten wir uns in einer globalisierten Welt nicht behaupten. Unser Wohlstand, der soziale Ausgleich und das Gemeinwohl hängen von Erfolg, Stabilität und Solidarität in Europa ab.
Für viele ist Europa aber nur ein Bürokratiemonstrum, obwohl manche deutsche Großstadt mehr Bedienstete hat als die Europäische Kommission. Höchste Stimmen sprechen dem Europäischen Parlament die demokratische Legitimation ab. Andere wollen zurück in das Zeitalter der Nationalstaaten, obwohl der Nationalismus im letzten Jahrhundert für zwei Weltkriege und zwei Diktaturen verantwortlich war.
Ein zweites: In Deutschland gibt es schon lange zu wenige Kinder. Die Folge ist der "Demografische Wandel". Weder die hohe Beschäftigungsquote, die geringe Zahl der Arbeitslosen noch die steigende Zuwanderung kann darüber hinwegtäuschen, dass der Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge erst bevorsteht. Diese Atempause muss genutzt werden.
Mit Frührente und Mutterrente wird die falsche Richtung eingeschlagen
Stattdessen wird mit Frührente und Mütterrente die falsche Richtung eingeschlagen. Notwendig wären die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters und Lösungen gegen Altersarmut insbesondere bei Frauen.
Die digitale Revolution ist ebenso eine große Herausforderung. Durch sie wird unser Leben sich grundlegend verändern. Wir werden anders produzieren. Das Stichwort ist "Industrie 4.0". Die Art, wie wir handeln, unsere Häuser, unser Bildungssystem, wie wir reisen, die Welt der Banken und Versicherungen und vieles mehr wird sich massiv verändern.
Aber unsere Schüler lernen auf alten Computern. Viele Firmen stehen erst am Anfang der Digitalisierung und der digitalen Sicherheit. Die gezielte Manipulation von Internetnutzern ist keine Zukunftsvision, sondern Realität. Im Internet gelten weder die Menschen- noch die Bürgerrechte. Es gibt kein Recht auf Vergessen. Das Internet vergisst nichts.
Wir informieren uns im Internet und kennen die Quellen der Informationen nicht. Vor allem fehlt die Transparenz bei den Quellen. Doch nur die Quelle entscheidet über die Zuverlässigkeit und Relevanz von Informationen. Was wahr ist, kann bewiesen werden. Darauf verzichten wir im Internet. Das ist nicht nur gefährlich, sondern auch kulturvergessen.
Dieses Jahr bedarf großer Anstrengungen. Es ist Zeit zu handeln.
Jürgen Rüttgers, Jahrgang 1951, studierte Geschichte und Rechtswissenschaft in Köln. Er war Bundestagsabgeordneter, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Landesvorsitzender der CDU und Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens. Derzeit arbeitet er als Rechtswalt in Düsseldorf.