Victor Klemperers Tagebücher 1945-1959

    Glossar zur Sowjetischen Besatzungszone und zur DDR

    Facsimile-Auszüge aus den Tagebüchern von Victor Klemperer
    Facsimile-Auszüge aus den Tagebüchern von Victor Klemperer © Deutschlandradio
    Von Melanie Miklautsch |
    „Ärztekonspiration“, „Kulturbund“ oder „LQI“ – in seinen Tagebüchern aus der Zeit der SBZ und der DDR nennt Victor Klemperer viele Namen und Begriffe, ohne sie jeweils zu erklären. Das Glossar erläutert einige von ihnen.

    Glossar

    Victor Klemperer (1881-1960)

    Biografie 1933-1960
    Bis 1935 veröffentlicht Victor Klemperer zahlreiche Publikationen. Doch trotz ständigen Nachweises seiner wissenschaftlichen Qualifikation bleiben weitere Berufungen an die renommierten Universitäten aus.
    1935 erhält Klemperer durch das antisemitische „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ Berufsverbot, später wird ihm auch der Zugang zu den Bibliotheken seiner Universität versagt. Er versucht noch einige Jahre im Privaten, an seiner Autobiografie „Curriculum Vitae“ zu arbeiten, schließlich wird auch das zu gefährlich.
    Trotz seiner Konversion zum Protestantismus wird Klemperer – wie seine gesamte Familie – unter den Nationalsozialisten als Jude verfolgt. Er und seine Frau Eva sind massiven Demütigungen und Repressalien des nationalsozialistischen Regimes ausgesetzt (nach dem Berufsverbot auch Hausdurchsuchungen, Haftstrafen, Verhöre) und werden sozial immer weiter isoliert. Ab 1940 erfolgen Zwangsumsiedlungen in verschiedene „Judenhäuser“ und Klemperer muss in mehreren Dresdner Betrieben Zwangsarbeit leisten.
    Das Überleben im nationalsozialistischen Deutschland ist nur durch seine Frau Eva möglich, die unter den Nationalsozialisten als „Arierin“ gilt. Das Tagebuch-Schreiben ist für Klemperer eine Art psychische Überlebensstrategie. Er beschäftigt sich vermehrt mit dem Judentum und beginnt, heimlich Aufzeichnungen über die NS-Sprache zu sammeln. Als Sprachwissenschaftler will er das Wesen des Nazismus aus der Sprache der Nazis herauskristallisieren, indem er die Gewaltsamkeit und die Ausgrenzungseffekte des Sprachgebrauchs in der nationalsozialistischen Gesellschaft und deren Medien analysiert.
    Viele seiner Geschwister emigrieren oder flüchten ins Ausland, doch Victor Klemperer bleibt zusammen mit seiner Frau Eva bis zum Kriegsende in Deutschland. Erst 1945 – während der Bombenangriffe der Alliierten auf Dresden, die eine baldige Deportation befürchten lassen – flieht das Paar nach Bayern. Bereits im Juni 1945 kehren sie nach Dresden zurück.
    Nach dem Kriegsende ist Victor Klemperer überzeugt von der Notwendigkeit eines radikalen Neubeginns. Er will sich gesellschaftlich engagieren und gleichzeitig sein wissenschaftliches Werk fortführen. 1945 tritt er in die KPD ein, ab 1947 ist er Mitglied des Präsidialrates des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands”. 1947 erscheinen auch seine Aufzeichnungen zur „Sprache des Dritten Reiches“ unter dem Titel „LTI – Notizbuch eines Philologen“ im Aufbau-Verlag. Im selben Jahr erhält er eine Professur an der Universität Greifswald, 1948 wechselt er an die Universität Halle. Mit 71 Jahren wird Klemperer schließlich an die Humboldt-Universität Berlin berufen. Wenig später stirbt seine Frau Eva 1951 nach einer plötzlichen schweren Erkrankung. Im Jahr darauf heiratet er seine zweite Ehefrau Hadwig Kirchner.
    An der Humboldt-Universität leitet Klemperer zwischen 1951 und 1954 das Institut für Romanistik.
    Daneben ist er Mitglied des Zentralvorstandes der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). 1953 wird er Mitglied in der Deutschen Akademie der Wissenschaften und erhält den Nationalpreis III. Klasse für Kunst und Literatur. Klemperer übt zwar Kritik an der offiziellen Kulturpolitik in der DDR und der zunehmenden Einengung des Schul- und Hochschulbetriebs, begehrt aber nicht öffentlich auf. Er zieht sich zunehmend aus den öffentlichen Gremien zurück und wird gleichermaßen aus ihnen herausgedrängt.
    Nach langer schwerer Krankheit stirbt er am 11. Februar 1960 in Dresden.

    Personen

    Dreßel, Friedrich (1892-1991) 
    Chirurg am Johanniterkrankenhaus in Heidenau bei Dresden, Freund von Annemarie Köhler. Victor Klemperer ist mehrfach bei ihm in Behandlung.
    Dreßel gehört bis 1943 der SA an. Er beherbergt Victor und Eva Klemperer bei ihrer Flucht aus Dresden am 7. März 1945 für eine Nacht in seinem Haus in Pirna. Auch nach dem Kriegsende hält Klemperer Kontakt zu Dreßel. Klemperer sieht in ihm einen Repräsentanten einer „mitschuldigen Schicht“, die vom Nationalsozialismus profitiert hat.
    Hetzer, Rita; geb. Tomaschek; in zweiter Ehe verh. Schober (1918-2012)
    Romanistin, zwischen 1946 und 1949 Wissenschaftliche Assistentin von Victor Klemperer an der Universität Halle. Seit 1946 ist sie SED-Mitglied, ab 1949 Studiendekanin der Hochschule. 1954 habilitiert sie sich an der Humboldt-Universität Berlin (HU) bei Victor Klemperer mit einer Arbeit über Émile Zolas Romantheorie. Im selben Jahr wird sie Professorin an der HU. 1957 erhält sie den Ruf als Professorin auf den Lehrstuhl für Romanistik an der HU.
    Klemperer, Anna („Anny“); geb. Schott (1885-1963)
    Ehefrau von Berthold Klemperer, Schwägerin von Victor Klemperer
    Rechtsanwalt, Justizrat, älterer Bruder von Victor Klemperer. Nach dem Vorbild seiner Brüder konvertiert er zum Protestantismus, was ihm eine Karriere sowie die Ehe mit Anna Schott, der Tochter eines preußischen Generals, ermöglicht. Zwischen Berthold und Victor Klemperer kommt es immer wieder zu Zerwürfnissen, in den letzten Jahren vor Bertholds Tod sprechen sie nicht miteinander. Erst kurz davor nimmt Victor Klemperer erneut Kontakt zu ihm auf. Berthold Klemperer stirbt am 15. Mai 1931 nach langer Krankheit.
    Klemperer, Elisabeth Hedwig Eva (Rufname Eva); geb. Schlemmer (1982-1951)
    Pianistin, Organistin, Malerin, literarische Übersetzerin, Ehefrau von Victor Klemperer.
    Zusammen mit ihrem Mann überlebt sie die Repressalien und die Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Während sie unter Lebensgefahr die Aufzeichnungen ihres Mannes vor den Hausdurchsuchungen der Gestapo retten kann, gehen ihre eigenen Kompositionen und Bilder in den Kriegsjahren verloren.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet sie als Übersetzerin für literarische und publizistische Werke aus dem Französischen und Spanischen. Wie ihr Mann auch, setzt sie sich unmittelbar nach dem Krieg als Mitglied des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschland“ für den Wiederaufbau des kulturellen Lebens in Dresden ein. Gelegentlich tritt sie als Musikerin bei Konzerten des Kulturbundes auf. Am 8. Juli 1951 stirbt Eva Klemperer an den Folgen eines Herzinfarkts.
    Klemperer, Georg (1865-1946) 
    Internist, ältester Bruder von Victor Klemperer.
    Mit seiner Frau Maria, geb. Umber, hat Georg Klemperer fünf Kinder, darunter den späteren Physiker Otto Klemperer. Im Nationalsozialismus erhält er 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft Berufsverbot. Auch das Publizieren ist ihm untersagt. Nachdem er zunächst seine Kinder in Sicherheit bringt, emigriert er 1935 in die USA, kann dort beruflich aber nicht mehr Fuß fassen. Seinen in Dresden zurückgebliebenen Bruder Victor unterstützt er finanziell. Am 25. Dezember 1946 stirbt Georg Klemperer in Boston. 
    Klemperer, Hadwig; geb. Kirchner (1926-2010)
    Germanistin, zweite Ehefrau von Victor Klemperer und Herausgeberin seiner Tagebücher.
    Hadwig Kirchner studiert ab 1946 Germanistik und Romanistik in Halle. Victor Klemperer, der 1948 an die Universität Halle berufen wird, ist ihr Professor. 1951 folgt sie ihm als Wissenschaftliche Oberassistentin an die Humboldt-Universität Berlin. 1952 heiraten die beiden. Nach Klemperers Tod 1960 ist sie Mitherausgeberin seiner Tagebücher und stellt diese auf Lesungen vor.
    Klemperer, Peter
    Jüngerer Sohn von Berthold Klemperer, Neffe von Victor Klemperer.
    Ehemann von Ingeburg Klemperer, geb. Ahrensdorf (1927-2011), und Vater des gemeinsamen Sohnes Michael (geboren 1950), der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie in Hamburg wird.
    Chirurgin, Freundin von Victor Klemperer und Eva Klemperer seit deren Leipziger Zeit (1916-1918). Sie versteckt Klemperers Notizen vor den Nationalsozialisten und gehört auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu den engsten Vertrauten der Klemperers.
    Am 17. September 1948 stirbt Annemarie Köhler in Pirna.
    Kühn, Johannes (1887-1973)
    Historiker, Kollege von Victor Klemperer an der Technischen Universität Dresden. Hier ist Kühn von 1928 bis 1945 ordentlicher Professor für Geschichte. Victor und Eva Klemperer sind mit dem Ehepaar Kühn befreundet, brechen aber aufgrund von deren Hinwendung zum Nationalsozialismus den Kontakt ab. Johannes Kühn kann seine berufliche Karriere nach Ende des Krieges fortsetzen. Er wird 1943 ordentliches und 1949 korrespondierendes Mitglied an der Akademie der Wissenschaften. 1947 wird er ordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Leipzig und lehrt von 1949 bis 1955 an der Universität Heidelberg.
    Neumark, Ernst Josef (1888-1950) 
    Jüdischer Rechtsanwalt. Unter den Nationalsozialisten wird er von der Gestapo als „Vertrauensmann der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland für den Bezirk Dresden“ eingesetzt. Am 13. Februar 1945 wird Victor Klemperer von Neumark beauftragt, „Rundschreiben“ an Dresdner Juden und Jüdinnen zu überstellen, in denen ihre Deportation angekündigt wird.
    1946 beschuldigen die sowjetischen Untersuchungsbehörden Neumark der Kollaboration mit der Gestapo und er wird unter dem Verdacht von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verhaftet. Über einen Prozess gegen ihn ist nichts bekannt. Victor Klemperer bürgt für Neumark, kann seine Verurteilung aber nicht verhindern. Ernst Neumark stirbt offenbar 1950 in sowjetischer Haft im Internierungslager Bautzen.
    Scholze, Agnes; geb. Zschornack (auch Zschornak, sorbisch: Hańža Šołćina, geb. Čornakec)
    Sorbin, von Februar 1925 bis April 1929 Hausangestellte bei Victor und Eva Klemperer. Danach lebt sie mit ihrer Familie in Piskowitz (heute Landkreis Bautzen). Als Victor und Eva Klemperer während des Luftangriffs 1945 auf Dresden fliehen, finden sie vom 18. Februar bis 4. April 1945 Zuflucht auf Agnes Scholzes kleinem Gehöft.
    Wendt, Erich (1902-1965)
    KPD/SED-Funktionär, Kulturpolitiker und Verleger. Seit 1921 ist er in kommunistischen Verlagen tätig, 1922 tritt er in die KPD ein. 1931 wandert er in die Sowjetunion aus und ist bis 1936 Angestellter in der Verlagsgenossenschaft für ausländische Arbeiter der UdSSR. 1947 kehrt Wendt nach Deutschland zurück. 1947 bis 1954 leitet er den Aufbau-Verlag und trägt dazu bei, ihn zum international anerkannten und führenden Verlag der DDR zu entwickeln.
    1949 erscheint im Aufbau-Verlag die zweite Auflage von Victor Klemperers „LTI“. Wendt bringt Klemperer dazu, darin das Kapitel „Zion“ zu streichen, weil es Ähnlichkeiten zwischen Zionismus als extremem jüdischem Nationalismus und dem Nationalsozialismus thematisiert.
    Seit 1949 ist Wendt außerdem Abteilungsleiter „Sowjetpropaganda“ beim DDR-Rundfunk und amtiert zwischen 1951 und 1953 als Erster Bundessekretär des Kulturbundes, dem auch Klemperer seit 1947 angehört. 1958 wird Erich Wendt dessen Vizepräsident. Ab 1957 wird er zum Stellvertreter des Ministers für Kultur berufen und steigt ein Jahr später zum Staatssekretär und Ersten Stellvertreter des Ministers für Kultur auf.
    Vossler, Karl (1872-1949)
    Romanist, Professor und lebenslanger Begleiter von Victor Klemperer. 1911 an die Universität München berufen, wird Vossler 1926-1927 deren Rektor. 1914 habilitiert sich Klemperer bei ihm über Montesquieu. Schon in den 1920er-Jahren spricht sich Vossler gegen den Nationalismus und den Antisemitismus in der Studierendenschaft aus und tritt diesem auch öffentlich entgegen. Klemperer, der es in diesem Klima schwer hat, als Professor Fuß zu fassen, verhilft er zu Anstellungen als Privatdozent an der Universität München und später als ordentlicher Professor an der Technischen Hochschule Dresden. Vossler ist ein erklärter Gegner der NS-Ideologie. Er wird 1937 mit der Begründung „politischer Unzuverlässigkeit” seines Amtes enthoben. 1946 wird Vossler erneut Rektor der Universität München und wirkt an deren Wiederaufbau mit.
    Am 24. Februar 1949 wird Vossler zum ordentlichen Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften gewählt. Er stirbt am 18. Mai 1949 in München.
    Wieghardt, Auguste („Gusti“); geb. Lazar (1887-1970)
    Schriftstellerin, seit Mitte der 1920er-Jahre enge Freundin von Victor und Eva Klemperer und Annemarie Köhler. Unter den Nationalsozialisten unterstützt Auguste Wieghardt als parteilose Kommunistin den Widerstand und versteckt verfolgte Personen. Als Oppositionelle und Jüdin ist sie doppelt gefährdet und emigriert 1939 schließlich nach Großbritannien. 1949 kehrt Wieghardt nach Dresden zurück und beginnt eine erfolgreiche Karriere als Kinder- und Jugendbuchautorin. Sie gilt als Pionierin der sozialistischen Kinder- und Jugendliteratur und erhält diverse Auszeichnungen, darunter der Nationalpreis der DDR. 1951 wird sie Mitglied der SED.

    Politische Personen

    Grotewohl, Otto (1894-1964)
    Politiker der SPD, dann SED, zwischen 1949 und 1964 erster Ministerpräsident der DDR. Grotewohl ist bereits in der Weimarer Republik für die SPD tätig. 1945 engagiert er sich für den Wiederaufbau der Partei in der sowjetischen Besatzungszone. Als Vorsitzender des Zentralausschusses der SPD entwickelte sich Grotewohl im Herbst 1945 vom Skeptiker zum Befürworter des Zusammenschlusses von SPD und KPD und trägt die Zwangsvereinigung der beiden Parteien zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) im April 1946 mit.
    Bis 1954 wird Grotewohl zusammen mit Wilhelm Pieck Parteivorsitzender der SED. 1949 wird er erster Ministerpräsident der DDR und übernimmt in dieser Funktion repräsentative Aufgaben nach innen und außen, ohne jedoch Einfluss auf den politischen Kurs der SED-Führung nehmen zu können. 
    In seinen verschiedenen politischen Funktionen ist Grotewohl maßgeblich am Aufbau und an der Festigung der SED-Herrschaft beteiligt. Er stimmt der innerparteilichen Verfolgung ehemaliger Sozialdemokraten und der Transformation der SED in eine kommunistische Kaderpartei zu. Anders als andere ehemalige Mitglieder und Funktionäre der SPD, die unter dem zunehmenden sowjetischen Konformitätsdruck aus der SED austreten, trägt Grotewohl die Entwicklungen bis hin zur Entstehung eines diktatorischen Systems mit.
    Pieck, Wilhelm (1876-1960)
    Politiker der KPD/SED, ab 1949 erster Präsident der DDR. In der Weimarer Republik ist er Teil des Spartakusbundes, 1918 wird er Mitglied der KPD und bekleidet in den folgenden Jahren verschiedene politische Ämter. Ab 1933 emigriert er nach Paris und Moskau. Im Exil übernimmt er den Vorsitz der KPD und ist in dieser Funktion im Zuge der Stalinschen „Säuberungen“ auch an der Verfolgung vieler deutscher Kommunisten beteiligt, die vor dem Nationalsozialismus Zuflucht in der Sowjetunion suchen. 1943 gehörte er zu den Mitbegründern des „Nationalkomitees Freies Deutschland“.
    1945 kehrt Pieck in die sowjetische Besatzungszone nach Berlin zurück. Als Vorsitzender des Zentralkomitees der KPD forciert er den Zusammenschluss von SPD und KPD zur SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands). Er ist maßgeblich an der Ausarbeitung der Grundsätze und Ziele der Einheitspartei und deren Parteistatut beteiligt. Am 22. April 1946 wird Wilhelm Pieck zusammen mit Otto Grotewohl, Vorsitzender der SED.
    Am 11. Oktober 1949 erfolgt die Wahl zum ersten Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) durch provisorische Volks- und Länderkammern. Dieses eher repräsentative Amt – zu politischen Entscheidungen in der SED und der DDR wird er kaum noch herangezogen – hat er bis zu seinem Tod im September 1960 inne.
    Stalin, Josef Wissarionowitsch; eigentlich Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili (1878/79-1953)
    Kommunistischer Politiker und sowjetischer Diktator. Der gebürtige Georgier Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili schließt sich 1903 den Bolschewiken unter Wladimir Lenin an. 1912 beruft Lenin ihn in das Zentralkomitee der Bolschewiken. Von nun an benutzt Dschugaschwili den Namen Stalin („der Stählerne“). Nach dem Ende der russischen Zarenherrschaft 1917 bereitet Stalin die Machtübernahme der Bolschewiken mit vor und wird nach der Oktoberrevolution Teil der bolschewistischen Regierung unter Lenin. Nach Lenins Tod 1924 nutzt Stalin seine bis dahin errungene Machtposition innerhalb der Russischen Kommunistischen Partei (KPdSU), um seine Konkurrenten in der Parteiführung auszuschalten und jegliche innerparteiliche Opposition zu unterdrücken. 
    Anders als im Marxismus-Leninismus, der zur Realisierung des Sozialismus die Vereinigung der Proletarier aller Länder vorsieht, geht Stalin davon aus, dass der Sozialismus zunächst in der Sowjetunion unter Errichtung eines diktatorisch-bürokratischen Herrschaftssystems realisiert werden muss. Die Sowjetunion gilt damit als zentrales Vorbild des internationalen Kommunismus, und alle anderen in der „Kommunistischen Internationalen“ organisierten Parteien müssen sich folglich an den Interessen der Sowjetunion ausrichten.
    Schnell beginnt Stalin mit der Errichtung eines Repressionsapparats und etabliert den Terror als Herrschaftsinstrument. Zwischen 1934 und 1939 lässt er in sogenannten „Säuberungsaktionen“ alle potentiellen und vermeintlichen Gegner seiner Herrschaft systematisch ermorden und löscht damit beinahe die gesamte militärische und politische Elite aus. Insgesamt fallen mehr als eine Million Menschen diesen „Säuberungen“ zum Opfer. Stalin lässt außerdem ein System von Zwangsarbeitslagern errichten. Insgesamt 1,7 Millionen Menschen werden aufgrund politischer Anklagen verhaftet, Hunderttausende werden in die Lager deportiert. Es kursieren auch Gerüchte über Deportationspläne sämtlicher sowjetischer Juden und Jüdinnen.
    Auf dem Land lässt Stalin Zwangskollektivierungen durchführen, bei denen Bauern enteignet und in Arbeitslager verschleppt werden. Mehrere Millionen Menschen kommen dabei ums Leben. Durch Hungersnöte, die bei dem Versuch entstehen, die Sowjetunion innerhalb kürzester Zeit in eine Industriegesellschaft umzuwandeln, sterben weitere Millionen Menschen. Seine Alleinherrschaft wird zunehmend durch die Etablierung eines Kults um seine Person gestützt.
    Ab 1945 setzt er die bereits während des Zweiten Weltkriegs begonnene massive Expansionspolitik fort, um seinen Machtbereich über die kommunistischen osteuropäischen Staaten bis nach Korea auszuweiten. Es kommt zu erneuten Repressionswellen und „Säuberungsaktionen“.
    Am 5. März 1953 stirbt Josef Stalin an den Folgen eines Schlaganfalls.
    Ulbricht, Walter Ernst Paul (1893-1973)
    Kommunistischer Politiker und Autokrat, von 1950 bis 1971 an der Spitze der DDR-Führung. Walter Ulbricht ist ab 1912 Mitglied der SPD. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird er in Leipzig Anhänger der „Gruppe Internationale“, die sich später in „Spartakusbund“ umbenennt. 1919 wird er Mitglied der KPD, 1920 ihr hauptamtlicher Funktionär. Von 1928 bis 1933 ist er Reichstagsabgeordneter.
    Ab 1933 lebt Ulbricht im Exil in Frankreich, später in Moskau. In dieser Zeit gelingt es ihm, zusammen mit Wilhelm Pieck zur Parteispitze der KPD aufzusteigen. Zwischen 1935 und 1938 übernimmt er leitende Tätigkeiten in den Exilorganisationen der KPD in Paris und Prag. Zusammen mit Pieck leitet Ulbricht zudem das von Stalin gegründete „Nationalkomitee Freies Deutschland“, das den Widerstand der Deutschen gegen die Nationalsozialisten fördern soll.
    Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrt Ulbricht nach Deutschland zurück und leitet den Wiederaufbau der KPD im Raum Berlin. Ulbricht gehört seitdem allen leitenden Gremien der KPD bzw. der SED an.
    1946 forciert er auf Weisung Stalins die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Während Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl die Leitung der SED übernehmen, wird Ulbricht ihr stellvertretender Vorsitzender. Nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 7. Oktober 1949 wird Ulbricht einer der drei stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats. 1950 übernimmt er die Führung der SED. 1960 wird Ulbricht Vorsitzender des neu geschaffenen Nationalen Verteidigungsrats.
    Nach Wilhelm Piecks Tod im September desselben Jahres wird Ulbricht zudem Staatsoberhaupt der DDR. Damit liegen erstmals alle entscheidenden Machtpositionen in den Händen einer Person. Bis zu seiner Absetzung im Frühjahr 1971 bleibt Ulbricht der bestimmende Politiker und Staatschef der DDR.
    Ulbricht ist ein treuer Anhänger Josef Stalins und gestaltet die Politik der Deutschen Demokratischen Republik strikt nach dem Vorbild des Stalinismus: Seit 1948 leitet er beispielsweise mehrere „Säuberungs“-Kampagnen, die ideologische Oppositionelle aus den SED-Reihen beseitigen sollen. Auch seine politischen Kontrahenten und Widersacher innerhalb der SED lässt er ausschalten und sichert damit seine Machtposition.
    Nachdem ab dem Frühjahr 1956 in der Sowjetunion der Prozess der Entstalinisierung eingeleitet wird, verhindert Ulbricht entsprechende Reformen in der DDR. Stattdessen intensiviert die SED-Führung nach den Aufständen in Polen und Ungarn ihre Taktik der Einschüchterung und Unterdrückung. „Reformer“ innerhalb der SED werden 1957 in Schauprozessen verurteilt.

    Ereignisse

    20. Juni 1948: Beginn der westdeutschen Währungsreform
    Am 20. Juni 1948 wird mit einer Währungsreform in den drei westdeutschen Besatzungszonen die inflationäre Reichsmark (RM) von der Deutschen Mark (DM) abgelöst. Der Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, Ludwig Erhard, bringt parallel eine Reform auf den Weg, die die Marktwirtschaft in den westdeutschen Zonen einführen soll.
    Wenige Tage nach dieser Währungsreform kommt es auch in der sowjetischen Besatzungszone zu einer Geldreform. Die getrennten Reformen und die sich daraus ergebenden Spannungen befördern die faktische Teilung Deutschlands.
    Hintergrund:
    Die durch die NS-Kriegswirtschaft verursachte Inflation stellt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das wirtschaftliche Grundproblem in den vier Besatzungszonen dar. Waren sind weiterhin nur über Bezugsscheine zu festgelegten und hohen Preisen zu erhalten, die Schwarzmärkte florieren.
    Zwischen den vier alliierten Besatzungsmächten (USA, Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion) kommt es deshalb seit 1946 zu langwierigen Verhandlungen über die konkrete Durchführung einer gemeinsamen Währungsreform. Aufgrund der politisch-ideologischen Differenzen, insbesondere zwischen den USA und der Sowjetunion, scheitern die Verhandlungen schließlich. Es kommt zu parallelen Reformen in der westdeutschen und der sowjetischen Besatzungszone.
    Die Spannungen zwischen den alliierten Besatzungsmächten werden insbesondere in Berlin deutlich: Als Reaktion auf den Alleingang der Westmächte wird am 24. Juni 1948 in der Sowjetischen Besatzungszone ebenfalls eine Währungsreform durchgeführt, die sich auch auf Berlin erstrecken soll. Da Berlin in den Nachkriegsjahren der gemeinsamen Gewalt der vier Siegermächte untersteht, erklären die Westmächte den sowjetischen Währungsbefehl für die westlichen Sektoren der Stadt für aufgehoben. Stattdessen ordnen sie für den 25. Juni 1948 die Einführung der Deutschen Mark auch in den Westsektoren Berlins an.
    Die Sowjetunion reagiert darauf ihrerseits mit einer Verkehrs-Blockade der Westsektoren der Stadt, die bis zum 12. Mai 1949 andauert. Mehr als zwei Millionen Menschen werden in dieser Zeit über eine sogenannte Luftbrücke mit Lebensmitteln und Kohle aus dem Westen des Landes versorgt. Die „Berlin-Blockade“ gilt als erster Höhepunkt des Kalten Krieges und als Besiegelung der Teilung zwischen Ost- und Westdeutschland.
    7. Oktober 1949: Gründung der Deutschen Demokratischen Republik
    (Victor Klemperer notiert am 12. Oktober 1949: „,Die Deutsche demokratische Republik’. Das tobt seit gestern im Rundfunk. Die Praesidentenwahl, die Aufmärsche, die Reden. Mir ist nicht wohl dabei. Ich weiß, wie alles gestellt u. zur Spontaneität u. Einstimmigkeit vorbereitet ist. [...] Ich weiß, daß die demokratische Republik innerlich verlogen ist, die SED als ihr Träger will die sozialistische Republik, sie traut nicht den Bürgerlichen, u. die Bürgerlichen mißtrauen ihr. Irgendwann gibt es Bürgerkrieg.“)
    Am 23. Mai 1949 wird die Gründung der Bundesrepublik in Bonn verkündet, am 15. September 1949 wird Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler der BRD gewählt.
    Einen Tag später reisen die SED-Politiker Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl und Walter Ulbricht nach Moskau, um mit dem sowjetischen Diktator Josef Stalin die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik zu besprechen. Bald darauf erhalten sie die Anweisung zur Bildung einer provisorischen Regierung.
    Am 7. Oktober 1949 erklärt sich in Berlin der Deutsche Volksrat - eine Art Ersatzparlament der Sowjetischen Besatzungszone – zur provisorischen Volkskammer und setzt die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft. Damit gibt es faktisch zwei deutsche Staaten: die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR).
    Am 11. Oktober 1949 wählen provisorische Volks- und die Länderkammer in einer gemeinsamen Sitzung einstimmig Wilhelm Pieck zum ersten Staatspräsidenten der DDR. Otto Grotewohl wird als erster Ministerpräsident mit der Regierungsbildung beauftragt. Seine Stellvertreter sind Walter Ulbricht (SED), Hermann Kastner (LDPD) und Otto Nuschke (CDU). Die Wahlen zur Volkskammer werden vom Volksrat erst für den 15. Oktober 1950 angesetzt.
    25. Juni 1950: Beginn des Korea-Kriegs
    (Am 30. Juni notiert Victor Klemperer: „Stimmung im Seminar beherrscht von plötzlicher Kriegsgefahr“)
    Korea ist zwischen 1905 und 1945 unter japanischer Herrschaft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im August 1945, wird der Süden des Landes von der US-Armee und der Norden von sowjetischen Truppen besetzt. Während die Verhandlungen der Alliierten über die Zukunft eines vereinten und freien Korea andauern, entwickeln sich unter den jeweiligen Besatzungsmächten zwei politisch entgegengesetzte Regime in Korea: Nordkorea wird zu einem kommunistisch-autoritären, Südkorea zu einem demokratischen Staat. Die Spannungen zwischen den beiden Landesteilen spitzen sich nach dem Abzug der Besatzungsmächte 1948 zu. 
    Am 25. Juni 1950 marschieren nordkoreanische Truppen in Südkorea ein, um eine Einigung der beiden Landesteile mit Waffengewalt zu erzwingen und eine kommunistische Vorherrschaft zu etablieren. 
    Der sich mit dem Korea-Krieg international zuspitzende Ost-West-Konflikt führt dazu, dass sowohl die BRD als auch die DDR mit einer schnellen Wiederbewaffnung beginnen. In der deutschen Bevölkerung wächst die Angst vor einem militärischen Konflikt zwischen den beiden deutschen Staaten.
    12. Januar 1953: Beginn der sowjetischen antisemitischen Kampagne der „Ärztekonspiration“
    (Victor Klemperer notiert am 19. Januar 1953: „Politisch Erschütterndes der letzten Wochen: [...] SU-Vorgehen gegen Ärzte-Conspiration, darunter Juden in Connex mit dem Joint.“)
    Ab September 1952 lässt Josef Stalin in zwei Wellen insgesamt 37 Mediziner verhaften, denen er vorwirft, Mitglieder des Kremls absichtlich falsch behandelt und damit getötet zu haben. Ihnen wird vorgeworfen, „bezahlte Agenten des ausländischen Spionagedienstes“ zu sein. Die Mediziner werden verhört und gefoltert, zwei von ihnen sterben.
    Am 12. Januar wird über die vermeintlichen Geständnisse der angeblich terroristischen Ärztegruppe in der sowjetischen Parteizeitung „Prawda“ berichtet, am 13. Januar dann auch im SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“. Im Fokus der Anschuldigungen stehen neun Ärzte, sechs von ihnen stammen aus jüdischen Familien.
    In den folgenden Wochen kommt es zu einer massiven antisemitischen Hetzkampagne in den sowjetischen Medien. Zudem kursieren Gerüchte von anstehenden weiteren Verhaftungswellen und sogar Deportationsplänen von sowjetischen Juden und Jüdinnen.
    Der Plan Stalins, die in den Schauprozessen angeklagten Ärzte auf dem Roten Platz in Moskau hinzurichten, wird aufgrund seines überraschenden Todes am 5. März 1953 nicht in die Tat umgesetzt. Die verhafteten Mediziner, die den Terror der sowjetischen Sicherheitsbehörden überlebten, werden am Purimfest 1953 freigelassen und rehabilitiert.
    Hintergrund:
    Bereits ab 1947/48 geht das stalinistische Regime dazu über, den ungebrochenen Antisemitismus in der Bevölkerung nicht nur passiv zu tolerieren, sondern ihn aktiv als Mittel der Herrschaftsausübung einzusetzen. In zahlreichen inszenierten Kampagnen werden die Feindbilder „Kosmopolitismus“ und „Zionismus“ beschworen und mit dem Vorwurf der Spionage für den Westen verknüpft. 
    Im November 1948 lässt Stalin das Jüdische Antifaschistische Komitee auflösen, 1952 werden führende Mitglieder unter dem Vorwurf der Spionage für den politischen Feind hingerichtet. 1949 startet eine Kampagne gegen jüdische Theaterkritiker. Jüdische Kultureinrichtungen werden geschlossen und es kommt zu Massenentlassungen von jüdischen Lehrern, Journalisten, Künstlern, Wissenschaftlern, Ingenieuren und Offizieren. Auch in Prag, Ungarn, Rumänien und der DDR werden immer wieder inszenierte Schauprozesse gegen angebliche „Agenten des Zionismus“ geführt. 
    17. Juni 1953: Volksaufstand in der DDR
    (Victor Klemperer notiert am 19. Juni 1953: „Es war in Berlin doch härter zugegangen, als wir gespürt u. geglaubt hatten: Sturm auf Ministerium, Plünderungen, Brände, Schießereien ... Hetze gegen Russen. Blutlache eines Panzer-Überfahrenen, Kreuz dabei aufgerichtet .. Umgestürzte, verbrannte Autos .. Um 15 saßen wir noch in unserer HO Unter den Linden – normal, aber Wagen- u. Panzerpark der Russen, am Brandenburger Thor sollte Geschütz stehen [...] In Dresden, Telefonat mit Gusti, erfuhren wir, daß es auch hier u. in der ganzen DDR Unruhen gegeben, u. daß auch Belagerungszustand herrsche. [...] nach solchen Fehlern oder Mißerfolgen tritt in parlamentarischen Ländern das Ministerium zurück.“)
    Am 17. Juni 1953 gehen rund eine Millionen Menschen in mehr als 700 Städten, Gemeinden und Betrieben der DDR auf die Straße, um weitgehend friedlich gegen die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu protestieren. Die stärksten Streikbewegungen finden in den Industriezentren Halle, Merseburg und Magdeburg, im Industriebezirk Leipzig und in Ost-Berliner Betrieben statt. Die Aufstände werden von sowjetischen Truppen gewaltvoll niedergeschlagen.
    Hintergrund:
    Seit der II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 wächst die Unzufriedenheit in der DDR-Bevölkerung. Auf der Parteikonferenz verkündet Walter Ulbricht den „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“. Damit soll die Neuordnung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft der DDR nach sowjetischem Vorbild beschleunigt werden. Die Umsetzung dieses Plans führt zu einer Ernährungskrise, zum Rückgang der industriellen Produktion und einer generellen Verschlechterung des Lebensstandards. Im Mai 1953 erhöht die SED-Führung aufgrund mangelnder Arbeitskräfte zudem die Arbeitsnormen um 10,3 Prozent bei gleichbleibenden Löhnen. Insbesondere die Arbeiterinnen und Arbeiter fühlen sich betrogen. 
    Ab 12. Juni 1953 demonstriert die Landbevölkerung gegen die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Am 15. und 16. Juni 1953 kommt es dann auf Ost-Berliner Großbaustellen zu Protestaktionen, die schnell auf die gesamte DDR übergreifen.
    Die Protestierenden fordern neben der Rücknahme der Normerhöhung auch freie Wahlen, die Wiedervereinigung mit der BRD, die Ablösung von Walter Ulbricht und Freiheit für alle politischen Gefangenen.
    Einige Demonstrierende stürmen in einigen Städten Haftanstalten, Polizeidienststellen und Räume der Staatssicherheit, der Stadtverwaltungen und der SED. Sie verwüsten Einrichtungen und greifen Staatsbedienstete an. Gebäude und Fahrzeuge werden angezündet. Noch bis zum 21. Juni 1953 kommt es auf dem Land zu Arbeitsniederlegungen und Austritten aus den LPG.
    Die Sowjetunion verhängt bereits am 17. Juni den Ausnahmezustand und übernimmt die oberste Befehlsgewalt in weiten Teilen der DDR. Durch massiven militärischen Einsatz schlagen sowjetische Truppen zusammen mit der Volkspolizei den Volksaufstand nieder. Etwa 55 Menschen sterben, ungefähr 15.000 Personen werden festgenommen. Die Westmächte greifen nicht ein. Bis 1955 werden etwa 1.800 Protestierende zu Freiheitsstrafen in Gefängnissen und Zwangsarbeitslagern verurteilt. Zwei Todesurteile werden verhängt.
    Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 gilt als erste Massenerhebung im Machtbereich der Sowjetunion. Der Deutsche Bundestag erklärt am 3. Juli 1953 den 17. Juni zum „Tag der deutschen Einheit“.
    19. Juni 1953: Hinrichtung von Julius und Ethel Rosenberg
    Das amerikanisch-jüdische Ehepaar Rosenberg wird am 5. April 1951 vom US-Staat unter dem Vorwurf der Atomspionage für die Sowjetunion zum Tode verurteilt und am 19. Juni 1953 hingerichtet.
    Hintergrund:
    Im Zweiten Weltkrieg gehört die Sowjetunion mit den USA zu den alliierten Staaten, die gemeinsam gegen das nationalsozialistische Deutschland kämpfen. Beide Länder betreiben in dieser Zeit Forschungen zum Bau einer Atombombe. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschärfen sich die ideologischen Differenzen.
    In der Atmosphäre des Kalten Krieges kommt es unter dem republikanischen US-Senator Joseph McCarthy zwischen 1950 und 1954 zu einer massiven Kampagne gegen eine angebliche Unterwanderung des Regierungsapparates der Vereinigten Staaten durch Kommunisten und Homosexuelle. Die von antikommunistischen, nationalistischen und antisemitischen Vorurteilen getriebene Welle der Verfolgung betrifft insbesondere Einwanderer, linke Intellektuelle, Schauspieler, Schriftsteller und Gewerkschafter.
    In diesem Klima wird 1950 das kommunistische Ehepaar Rosenberg verhaftet. Der Vorwurf: Ethel und Julius Rosenberg sollen während des Zweiten Weltkrieges geheime Unterlagen über den Bau der US-Atombombe an die Sowjetunion verraten haben. Das Gericht geht davon aus, dass diese Informationen entscheidend für die Entwicklung der sowjetischen Atombombe 1949 waren.
    Am 19. Juni 1953 wird das Ehepaar Rosenberg trotz internationaler Proteste, unter anderen von Albert Einstein, Pablo Picasso, Papst Pius XII., Frida Kahlo und Bertolt Brecht, auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Ethel und Julius Rosenberg sind die einzigen Zivilist*innen, die im Kalten Krieg wegen Spionage angeklagt, und auch die einzigen, die jemals in Friedenszeiten aufgrund dieses Vorwurfs hingerichtet wurden.
    Heute ist unstrittig, dass Julius Rosenberg im Zweiten Weltkrieg tatsächlich Rüstungsspionage für die Sowjetunion betrieben hat. Allerdings konnte er wohl keine wesentlichen Informationen liefern. Ethel Rosenberg war vermutlich lediglich Mitwisserin. Allerdings belastete Ethels Bruder David Greenglass das Ehepaar schwer und erwirkte für seine eigenen Spionage-Tätigkeiten damit eine mildere Strafe.
    Heute weiß man zudem, dass im Verfahren gegen die Rosenbergs rechtsstaatliche Grundsätze verletzt wurden. So gestand die beteiligte Staatsanwaltschaft später, dass die Regierung Beweise konstruiert hatte und die Geschworenen unter Druck gesetzt wurden. 
    14. bis 25. Februar 1956: XX. Parteitag der KPdSU
    (Victor Klemperer notiert am 22. Februar 1956: „Erst Schmeiser am Montag machte uns auf die Rede Mikojans (20. Parteitag Moskau, erster nach Stalins Tod) aufmerksam. [...] Sie ist welthistorisch.“)
    Bereits kurz nach dem Tod Josef Stalins im März 1953 beginnt ein Prozess der Entstalinisierung in der Sowjetunion. Auf dem 20. Parteitag der KPdSU werden die Gewaltherrschaft und die Verbrechen Stalins jedoch erstmals öffentlich benannt. Auch werden Impulse für eine offizielle Entstalinisierung und Reformierung des Staatssozialismus sowjetischen Typs gesetzt.
    Hintergrund:
    Neben der Rede des Stellvertretenden Ministerpräsidenten Anastas Mikojan wird die sogenannte „Geheimrede“ des Parteichefs der KPdSU, Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, zum Abschluss des Parteitages am 25. Februar 1956 bekannt. Tageszeitungen haben sie im gesamten sowjetischen Einflussbereich verbreitet. In seiner Rede verurteilt Chruschtschow den Personenkult um Stalin, die Parteisäuberungen, den Terror und die Unterdrückung der Stalin-Ära. Die Ereignisse befördern kritische Debatten im gesamten kommunistischen Machtbereich.
    Einerseits kommt es in der darauffolgenden Umbruchszeit zu einem Prozess der Entstalinisierung und zu Reformen. So werden in der Sowjetunion an zahlreichen Orten Statuen und Bilder des Diktators Stalin entfernt, die Hälfte der Mitarbeitenden des Staatssicherheitsdienstes wird entlassen und bis 1960 werden 700.000 Opfer des stalinistischen Terrors rehabilitiert. Es kommt zu Wohnungsbauprogrammen, das Warenangebot wird verbessert und die Löhne angehoben. Dennoch verzichten die neuen kommunistischen Machthaber nicht auf Gewalt. Unruhen und Aufstände in Georgien, Polen und Ungarn werden brutal niedergeschlagen.
    In der DDR verhindert Walter Ulbricht eine weitgehende Entstalinisierung. Statt Reformen einzuleiten, intensiviert die SED-Führung nach den Aufständen in Polen und Ungarn Einschüchterung und Unterdrückung. „Reformer“ innerhalb der SED werden 1957 in Schauprozessen verurteilt.
    23. Oktober 1956: Beginn des ungarischen Volksaufstands
    Am 23. Oktober findet in Budapest eine Großdemonstration von Studierenden statt, die demokratische Reformen und die nationale Unabhängigkeit von der Sowjetunion fordern. Die Proteste greifen schnell auf das gesamte Land über, werden aber von Beginn an von sowjetischen Truppen gewaltsam niedergeschlagen. Die revolutionären Erhebungen enden am 4. November 1956.
    Hintergrund:
    Der Reformpolitiker Imre Nagy wird am 4. Juli 1953 neuer Regierungschef Ungarns. Er steht für die Idee eines „nationalen und menschlichen Sozialismus“ und ist der Sowjetunion damit ein Dorn im Auge. Bereits am 14. April 1955 wird er als Ministerpräsident wieder abgesetzt.
    Nachdem Stalins Nachfolger Chruschtschow offen mit dem Stalinismus bricht, fühlen sich Reformer und Oppositionelle ermutigt, und es kommt in den sozialistischen Ländern zu kritischen Debatten und Protesten.
    Am 23. Oktober 1956 fordern die Studierenden der Budapester Universitäten auf einer friedlichen Großdemonstration freie Wahlen, ein demokratisches parlamentarisches Regierungssystem, die Wiedereinsetzung Nagys als Ministerpräsident und nationale Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger schließen sich der Demonstration an. Noch in der Nacht weiten sich die Demonstrationen zu landesweiten Straßenkämpfen aus. Am 24. Oktober wird Imre Nagy erneut zum Ministerpräsidenten Ungarns ernannt.
    Zunächst ziehen sich die sowjetischen Truppen aus Budapest zurück. Als Nagy am 1. November 1956 jedoch den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt und die Neutralität des Landes verkündet, marschieren die Truppen der Roten Armee wieder in Budapest ein und schlagen den Volksaufstand im ganzen Land gewaltsam nieder.
    Am 4. November 1956 sind die Aufständischen besiegt: Über 2.500 Demonstrierende kommen ums Leben, Hunderttausende fliehen ins westliche Ausland. Nagy wird abgesetzt und später zum Tode verurteilt.

    Weiteres

    Am 16. August 1945 gründen Klaus Gysi, Kurt Wilhelm, Heinz Willmann und Otto Schiele die Aufbau GmbH in Dahlem, Berlin. Aufbau wird zu einem der ersten Verlage der Nachkriegszeit. Der Name soll programmatisch als Aufruf zur Hoffnung und Erneuerung verstanden werden. Treibende Kraft hinter dem Projekt ist der Dichter und Kulturfunktionär Johannes R. Becher, Präsident des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands.
    Aufbau avanciert schnell zum größten belletristischen Verlag der werdenden DDR. Victor Klemperer veröffentlicht hier 1947 „LTI“. Aus seinem Nachlass erscheinen später auch sein „Curriculum vitae“, seine Tagebücher und zahlreiche andere Werke.
    Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands (KB)
    Nachdem der Schriftsteller Johannes R. Becher aus dem Moskauer Exil nach Deutschland zurückgekehrt ist, gründet er im Auftrag der sowjetischen Militäradministration im Juli 1945 den „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ und wird sein erster Präsident. Der Kulturbund soll mit kulturellen Angeboten zur „geistigen Erneuerung“ der deutschen Nachkriegsgesellschaft im Sinne der Demokratie beitragen. 
    Die sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) nimmt allerdings immer stärkeren Einfluss auf die Arbeit des Kulturbundes und nutzt ihn zunehmend als Kontroll- und Disziplinierungsorgan sowie für die sozialistische „Umerziehung“ der Bevölkerung. 
    1947 wird der Bund deshalb in der amerikanischen und britischen Besatzungszone verboten. Infolge des Prestigeverlusts der Organisation treten ab 1949 viele Kulturschaffende aus. Ab 1949 sind alle entscheidenden Stellen im KB von SED-Mitgliedern besetzt, darunter auch Victor Klemperer. Die Publikationen des KB bleiben relativ offen für kritische Debatten, weil sie auch Nicht-Sozialist:innen erreichen sollen.
    Der Wendepunkt hin zur völligen Gleichschaltung erfolgt 1956. Der Philosophieprofessor Wolfgang Harich und der Leiter des Aufbau-Verlags Walter Janka bilden innerhalb der SED eine Oppositionsgruppe gegen Walter Ulbricht. Sie werden des „Revisionismus“ beschuldigt (also der Rückwendung vom Stalinismus hin zum Marxismus-Leninismus) und zu Haftstrafen verurteilt. Ab 1958 heißt der Bund nur noch „Deutscher Kulturbund“. 1972 wird er in „Kulturbund der DDR“ umbenannt. ln der Volkskammer der DDR bildete der Kulturbund eine eigene ständige Fraktion.
    Wichtige Mitglieder des Kulturbundes sind beispielsweise der Philosoph Ernst Bloch und der Literaturwissenschaftler Hans Mayer. Beide wirken lange kritisch in den Führungsgremien des Kulturbundes mit. Bloch wird jedoch aus politischen Gründen emeritiert. Beide kehren in den Jahren 1961 und 1963 nach Aufenthalten in der BRD nicht mehr in die DDR zurück. Ehrenpräsident des Kulturbundes der DDR ist von 1953 bis 1963 der Schriftsteller Arnold Zweig.
    Unter den Nationalsozialisten beginnt Victor Klemperer unter Lebensgefahr, heimlich Aufzeichnungen über die Sprache im nationalsozialistischen Deutschland zu sammeln. Er will das Wesen des Nazismus aus der Sprache im Alltag und in den Massenmedien herauskristallisieren, indem er die Gewaltsamkeit und die Ausgrenzungseffekte des Sprachgebrauchs in der nationalsozialistischen Gesellschaft und deren Medien analysiert. Mit seiner Analyse erforscht Klemperer die Wechselwirkungen zwischen Sprache und Denken. Seine Aufzeichnungen erscheinen im Jahr 1947 unter dem Titel „LTI – Notizbuch eines Philologen“ im Aufbau-Verlag.
    Vor dem Erscheinen der zweiten Auflage 1949 kritisiert der Verlags-Leiter Erich Wendt das Kapitel „Zion“, weil es Ähnlichkeiten zwischen dem Zionismus als extremem jüdischem Nationalismus und dem Nationalsozialismus thematisiert. Wendt fordert Klemperer auf, das Kapitel zu überarbeiten, doch der weigert sich. Aus Angst vor einem Bruch mit dem Kulturbund verzichtet Klemperer schließlich ganz auf das Kapitel. In den Auflagen, die ab 1957 beim Max Niemeyer Verlag in Halle erschienen, ist das Kapitel allerdings wieder enthalten.
    LQI – die Sprache des vierten Reiches
    Zwölf Jahre lang hat Victor Klemperer die „Sprache des Dritten Reiches“ (LTI – Lingua Tertii Imperii) analysiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt er, mit Blick auf das gesamte Nachkriegsdeutschland erneut, sprachwissenschaftliche Beobachtungen und Beispiele in seinen Tagebüchern zu notieren – immer mit dem Verweis „LQI“ (Lingua Quarti Imperii). An dieser „Sprache des Vierten Reiches“ beobachtet er das Fortwirken alter Kräfte unter neuen Vorzeichen, Ähnlichkeiten in Propaganda und Führer-Kult.
    Am 15. Oktober 1945 notiert Victor Klemperer: „LQI übernimt [sic!] LTI mit Haut u. Haaren.“ und am 10. Oktober 1948: „natürlich muß sich die LTI fortsetzen, bei uns weil wir Sowjetzone sind, im Westen weil man nazistisch geblieben ist“.
    Seine kritischen Beobachtungen, die sich zunehmend auf die sowjetische Besatzungszone fokussieren und ab den 1950er-Jahren immer spärlicher werden, wurden anders als „LTI“ nie veröffentlicht.
    OdF (Opfer des Faschismus)
    Am 14. Juni 1945 wird im Berliner Funkhaus vom Stadtrat für Sozialfürsorge, Ottomar Geschke, der „Hauptausschuss Opfer des Faschismus“ gegründet. Bis Ende Oktober gibt es entsprechende Ausschüsse in allen Städten und Landkreisen der SBZ.
    Die Ausschüsse, die mehrheitlich von befreiten politischen Häftlingen besetzt werden, haben die Aufgabe, überlebende Opfer des Faschismus mit Lebensmitteln, Wohnraum, Kleidung und gesundheitlicher Betreuung zu versorgen. Dafür arbeiten sie auch mit Vertreterinnen und Vertretern der neu gegründeten jüdischen Gemeinden zusammen.
    Anfangs hat der „Hauptausschuss Opfer des Faschismus“ den Anspruch, im gesamten Nachkriegsdeutschland zu wirken. Die Mitglieder kommen aus verschiedenen politischen Spektren, der SPD und KPD ebenso wie aus der CDU. Bald konzentriert sich die Arbeit der Ausschüsse jedoch auf die SBZ, da sie dort von der sowjetischen Militäradministration anerkannt und unterstützt werden. Zunehmend werden sie jedoch in den Dienst der Politik und der Propaganda der KPD/SED genommen.
    Die Anerkennung als „Opfer des Faschismus“ übernimmt ein Prüfungsausschuss. Anfangs wird dieser Status insbesondere Widerstandskämpferinnen und -kämpfer und politischen Gefangenen zuerkannt, da sie – so die Begründung – aktiv gegen den Faschismus gekämpft haben. Juden und Jüdinnen werden erst ab Ende 1945 anerkannt und erhalten erst 1949 durch die „Verordnung zur Versorgung der Verfolgten des Naziregimes“ vollen Zugang zu den Fürsorgemaßnahmen. Ab 1965 wird dann den aktiven „Kämpfern“ wieder eine deutlich höhere Rente gewährt als den „einfachen Opfern“. Besonders schwer ist es für Zeugen Jehovas, Sinti und Roma, Homosexuelle, Wehrdienstverweigerer und Deserteure sowie Kriminelle und als „asozial“ geltende Personen, eine Anerkennung zu erhalten.
    Victor Klemperer muss zuerst der KPD beitreten, um als „Opfer des Faschismus“ anerkannt zu werden.
    (Victor Klemperer notiert am 17. November 1945: „Meine Lage ist insofern grundlegend verändert, als ich einer der vier Parteien beitreten muß, wenn ich als Opfer des Faschismus als Rasseverfolgter aufgenommen werden soll.“)
    Die SMAD (Sowjetische Militäradministration) als oberstes Machtorgan der SBZ hat am 10. Juni 1945 die Bildung antifaschistisch-demokratischer Parteien genehmigt. Daraufhin sind vier größere Parteien zugelassen worden: die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands), die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), die CDU (Christlich Demokratische Union) und die LDPD (Liberal-Demokratische Partei Deutschlands).
    Bereits am 14. Juli 1945 schließen sich KPD, SPD, CDU und LDPD zur „Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ zusammen, die sich zu antifaschistischer und demokratischer Politik verpflichtet. Als weitere Blockparteien werden ab 1948 die von SED und SMAD aus strategischen Überlegungen gegründete National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) integriert.
    Der anfängliche Anschein eines parlamentarischen pluralistischen Parteienstaates wird bereits im April 1946 erschüttert, als die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) forciert wird. Damit beseitigen die Kommunisten ihre stärkste politische Konkurrenz in der SBZ. Anfangs setzt sich die SED noch für den Aufbau einer parlamentarischen Demokratie in Deutschland ein und proklamiert anstelle des sowjetischen Modells einen deutschen und demokratischen Weg zum Sozialismus.
    In den folgenden Jahren wird die SED jedoch schrittweise in eine Einheitspartei nach stalinistischem Vorbild umgewandelt. Das Bekenntnis zur KPdSU und zur Person Stalins sowie zur „führenden Rolle“ der Sowjetunion wird für alle SED-Mitglieder verpflich­tend. So entsteht schrittweise eine Parteien-Diktatur. Konformismus und Zentralisierung der SED werden von der Parteiführung (ab 1950 Walter Ulbricht) durch Indoktrination und Einschüchterung gesichert. Ideologische „Abweichler:innen“ – insbesondere Personen, die der Sozialdemokratie oder abweichenden kommunistischen Strömungen nahestehen – werden in „Säuberungen“ aus der SED ausgeschlossen und politisch verfolgt. 
    Rütten & Loening
    Der Verlag Rütten & Loening – 1844 in Frankfurt gegründet – wird 1936 unter den Nationalsozialisten zwangsweise „arisiert“ und nach Potsdam verlegt. Der Verleger Wilhelm Ernst Oswalt stirbt 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen. Nach dem Krieg wird der Sitz des Verlags nach Berlin verlegt. Am 24. März 1952 wird hier die „Rütten und Loening GmbH“ vom Verlag „Volk und Welt“ zusammen mit zwei privaten Gesellschaftern gegründet. In der Zeit der DDR erscheinen neben großen Autor:innen der Weltliteratur und wichtigen zeitgenössischen Werken auch bedeutende wissenschaftliche Zeitschriften, darunter „Beiträge zur romanischen Philologie“ unter Mitarbeit von Victor Klemperer.
    Teubner“, B.G. Teubner Verlag
    Die Firma B.G. Teubner wurde 1811 von Benedictus Gotthilf Teubner in Leipzig gegründet. Als Verlag für vorwiegend Mathematik, Literatur des Altertums und Naturwissenschaften galt B.G. Teubner zum Ende des 19. Jahrhunderts als einer der bedeutendsten deutschen Verlage. Hier wurden auch diverse Publikationen von Victor Klemperer veröffentlicht.
    VVN (Vereinigung der Verfolgten im Nationalsozialismus) 
    1947/1948 wird in allen vier Besatzungszonen die „Vereinigung der Verfolgten im Nationalsozialismus“ (VVN) gegründet. Sie versteht sich als überparteiliche Interessenvertretung aller Verfolgten. Wie schon bei den Ausschüssen der Opfer des Nationalsozialismus (OdF) bleibt auch in der VVN die Unterscheidung zwischen „Widerstandskämpfern“ und „einfachen Opfern“ des Nationalsozialismus ein Streitpunkt. 
    In der Bundesrepublik wird die VVN 1950 als „radikale Organisation“ eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet. In der werdenden DDR hat die Organisation hingegen ein großes politisches und moralisches Gewicht und nimmt unter anderem Einfluss auf die Ausarbeitung eines Wiedergutmachungsgesetzes. Dieses enthält Klauseln für Rentenregelungen, eine bevorzugte Gesundheitsversorgung, den bevorzugten Zugang zu Wohn- und Gewerberaum, Hausrat und knappen Konsumgütern. Nicht vorgesehen sind Rückerstattungen geraubten Eigentums und materielle Entschädigungen.
    Seit 1948 kontrolliert die SED zunehmend die leitenden Gremien der VVN und ordnet sie ihrer politischen Doktrin unter. Am 21. Februar 1953 wird die Organisation in der SBZ aufgelöst und durch das „Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR“ ersetzt.