Glosse über "Unicef Kid Power"

Jeder Schritt ein Reiskorn

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Fitness-Armbänder messen Schrittzahl, Kalorienverbrauch, Herzfrequenz und mehr. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Matthias Finger |
Hightech gegen den Hunger in der Welt: Die UNICEF stattet Kinder in den USA mit Fitnessarmbändern aus, die sämtliche Bewegungen registrieren. Falls sich die Kids genug bewegen, bezahlt ein Sponsor Nahrungsmittel für Kinder in Afrika. Meinen die das ernst? Matthias Finger ist sich da nicht so sicher.
Dicke Kinder bewegen sich unter großer Kraftanstrengung - und bekämpfen gleichzeitig den Hunger auf der Welt. Hinter dem bizarren Projekt soll die UNICEF stecken. Sie verkettet einfach zwei Megaplagegeister: Übergewicht und Unterernährung. Vielleicht weil minus mal minus immer was Positives ergibt. Das lese ich auf dem Onlineportal heise.de, der einzigen deutschen Quelle.
"Mit Fitnessarmbändern möchte die UNICEF erreichen, dass sich tendenziell fette Kinder in den Industrienationen mehr bewegen. Das soll gleichzeitig unterernährten Kindern Nahrung bescheren."
Gemeinsam durch dick und dünn: Die UNICEF sammelt jetzt Bewegungsprofile von dicken amerikanischen Kindern. Oder haben sie mit den Daten etwa anderes vor? Wir Deutschen reagieren ja bekanntlich beim Datenschutz panischer als Amerikaner. Vielleicht ist es aber auch nur eine Verarsche. Wie die Meldung vor zwei Monaten. Auch zum Thema Übergewicht.
"Schokolade: Schokolade macht nicht dick, sondern schlank. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Studie des Institutes of diet and health aus Mainz, dass sich selbst als gesundheitswissenschaftlicher Non-profit-think-tank bezeichnet."
Die Kollegen von der Presse sind scharenweise auf die Falschmeldung reingefallen. Ich will mich nicht zum Trottel machen. Und recherchiere. Ganz Old-School-mäßig Nach einer zweiten Quelle.
Jetzt sollen es die Kleinsten richten
Ok, auch auf englischen Internetseiten gibt es Meldungen. Dass UNICEF die High-Tech-Fitnessarmbänder bewusst in ärmeren Stadtvierteln verteilt. Weil dort die schwersten Sprösslinge leben ... ohne Zugang zu gesunden Lebensmitteln. Und weil es keine Helikoptereltern gibt, die ihre Kinder zum Training chauffieren. Mmmmh. Das könnte was dran sein. Jetzt sollen es also die Kleinsten richten. Dabei könnte UNICEF auch mal US-Konzerne fragen, warum sie mit Lebensmitteln spekulieren.
Ah, hier ist eine Telefonnummer. Für die Pressestelle. Vom Kinderhilfswerk der UNO. Deren Blauhelmsoldaten sollen es ja auch nicht immer gut meinen - mit minderjährigen Afrikanern.
"Hallo. Ich habe da ein paar Fragen zu UNICEF Kid Power und den Fitnessarmbändern für dicke Kinder."
Frau am Telefon: "Ok. Wissen sie was? Können sie mir eine E-Mail schreiben? Mit all den Fragen, die sie interessieren? Dann wird sich jemand bei ihnen melden. Ok. Danke. Tschüss."
Die hat mich erst mal abgewimmelt. Aber: Journalisten sind Detektive. Und ich beiße mich fest. Schließlich kippt in den USA bereits der Fitnesswahn, auf den die UNICEF gerade aufspringt. Unter dem Hashtag #dadbod - also Vaters Wampe - präsentieren Papis ihre Schmerbäuche im Netz.
Der stellvertretende Bürgermeister von New York könnte da übrigens auch mitmachen. Ich finde einen Film, der ihn in einer Turnhalle zeigt.
Richard Buery. Den Mann gibt's wirklich. Sagt das Netz. Und zu seinen Füßen eiern kleine Pummelchen mit blauen Fitnessarmbändern aufgescheucht umher. Mühevoll drehen sie rote und gelbe Hütchen um. Die korpulente Nyla hat ne Rastafrisur. Und sie erzählt was von einer Win-Win-Situation:
"Wir hoffen dass die hungernden Kinder ordentlich essen - weil wir die Nahrungsrationen für sie besorgen. Und seit ich Sport mache, habe ich das Gefühl, dass ich ihnen beim Überleben helfe. Mit der Smartphone-App kannst Du dann sehen, wie viele Schritte du machst und wie viele Essensrationen du verdienst - beim Trainieren."
12.000 Schritte muss der Wonneproppen pro Tag gehen. Dafür machen Sponsoren - wie der George Harris Fund - Geld locker. Ein Kind im Südsudan erhält jetzt einen Erdnussriegel.
Besser Geld gleich in Nahrung stecken?
Wenn Nyla irgendwann mal faul vor der Glotze hängt - mit Cola und Chips - müssen die afrikanischen Kinder wohl hungern. In Nylas Klasse hat jeder Schüler so ein Armband. Und zum Hochladen der gesammelten Infos erhält der Lehrer einen Tablet-Rechner. Eigentlich hätte UNICEF das Geld auch gleich in Nahrung stecken können.
"Eine Million amerikanische Schüler sollen eine Million Kinder auf der ganzen Welt retten. Für unsere Kids hier ist Technologie bereits Teil ihres Lebens. Wir müssen nur auf den richtigen Umgang achten. Diese Fitnessarmbänder sind die ersten intelligenten Gegenstände, die unsere Kinder immer am Körper tragen können."
Caryl Stern ist angeblich die Chefin des Projektes. Vielleicht ist sie aber auch nur eine kräftige Schauspielerin. Von der UNICEF-Pressestelle hat sich übrigens nie einer zurückgemeldet.
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