Ein Hauch alter Ritterlichkeit
Bis ins 19. Jahrhundert waren militärische Kampfhandlungen in der Nacht verpönt. Darum sollte es also kaum Anlass für Häme sein, wenn die Bundeswehr-Tornados heute nur bei Tageslicht fliegen können, meint Peter Zudeick: Es entspricht vielmehr guter ritterlicher Tradition.
Jaja, nun wird wieder kübelweise Häme ausgegossen über die deutschen Vaterlandsverteidiger: Nichts kriegen sie hin. Gewehre, Hubschrauber, Panzer – alles Schrott. Gemach, Freunde. Lasst uns doch mal innehalten und überlegen, ob das alles nicht auch sein Gutes hat. Hat es natürlich. Guck mal: Die Tornados sollen doch weder bomben noch schießen, sondern fotografieren. Bei Tageslicht. Nachts schlafen die. Das ist der Auftrag. Wo ist also das Problem?
Ja, gut, das Problem ist ein prinzipielles solches. Prinzipiell muss ein Kriegsflugzeug auch nachts aufsteigen können, ohne dass die Piloten vom Armaturenlicht blind werden. Aber nun mal unter uns: Gibt's keine Sonnenbrillen bei der Bundeswehr? Ach, die konnte das Beschaffungsamt nicht so schnell liefern. Na, gut.
Nachts wird nicht gekämpft!
Ist aber auch gar nicht so schlimm. Es reicht doch nun wirklich, wenn tagsüber Krieg geführt wird. Nachts muss man Mensch und Gerät auch mal Ruhe gönnen. Früher war das üblich, galt sogar als besonders ritterlich. Wenn die Dämmerung kam, war Schluss mit draufhauen oder schießen oder womit auch immer. Nachts wurden die Toten weggeräumt, wurden Truppen verlagert, das war die Zeit für Rückzüge und Vormärsche, aber es wurde nicht gekämpft. Wer nachts das Lager des Feindes überfiel, war ein Schuft.
Diese Nachtenthaltsamkeit war noch bis ins 19. Jahrhundert gang und gäbe: "Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen." Hat der General Wellington in der Entscheidungsschlacht gegen Napoleon bei Waterloo gesagt. Das heißt: Er hätte es gesagt, wenn er deutsch gesprochen hätte, er war aber Engländer. Gleichviel: Die Preußen kamen, also brauchte er die Nacht nicht mehr. Das war 1815.
Das Gute bricht sich Bahn
Dass es bald danach üblich wurde, auch bei Nacht das Schlachten fortzusetzen, gilt vielleicht unter Militärstrategen als Fortschritt. Tatsächlich ist das Gegenteil richtig. Weshalb wir diese Sache mit dem gleißenden Armaturenlicht in deutschen Tornados nur als Wink des Schicksals deuten können. Da weht unversehens ein Hauch der guten alten Ritterlichkeit durch die Hangars.
Und vielleicht ist das auch gar kein Zufall, sondern von langer Hand geplant. Von den Herstellern des Tornados, den Produzenten der neuen Cockpitausrüstung, gar von unserer Verteidigungsministerin? Man weiß nie, wie und durch wen das Gute sich Bahn bricht. Hauptsache, es bricht.