Gnade durch Musik
Regie-Altmeister Günter Krämer eröffnete mit Mozarts "La Clemenza di Tito" den "Mannheimer Mozartsommer" im Rokoko-Theater Schwetzingen. Am Pult stand der in Israel geborene Barenboim-Schüler Dan Ettinger; und der Nahe Osten spielt auch in der Inszenierung eine Rolle.
Ist der Kaiser Titus denn nun tatsächlich zur Humanität geläutert, oder ist seine Milde gegenüber den Attentätern Sextus und Vitellia nur ein neuer Herrschafts-Trick, mit dem er das Volk bei der Stange hält? Das ist die Grundfrage einer jeden "Clemenza"-Inszenierung. Ist er ein Schwächling (wie bei Martin Kusej in Salzburg) oder ein Fiesling? Günter Krämer lässt sich auf derlei Probleme gar nicht erst ein.
Das Vorspiel ist für ihn Programm: Im Schwetzinger Rokoko-Theater kommt eine schwarzgewandete Frau aus der Tiefe des Bühnenraums auf den vorn hockenden Titus zu und klagt ihn der Treulosigkeit an. Warum hast du mich verlassen? Die Frau mit ihrem schwarzen Schleier sieht aus wie eine Araberin, und Titus ist, von heute aus gedacht, dann wohl kein Römer, sondern ein Israeli. Und das heißt: Krämer blendet den Nahost-Konflikt als zweite Ebene über die Handlung der Mozart-Oper.
Der historische, der römische Titus hatte um 70 n. Chr. Jerusalem erobert und verliebte sich dort in die judäische Prinzessin Bérénice; doch die Römer wollten eine einheimische Kaiserin. Racine hat den Konflikt dramatisiert. Mozarts Oper nun, als Auftragswerk für den österreichischen Kaiser Leopold II. geschrieben, bewegt sich in allerlei Liebeshändeln und Eifersüchteleien, bevor sie den einsamen (und von Mord und Totschlag bedrohten) Herrscher Titus zu großer Menschlichkeit auflaufen lässt.
Man hat Mozart deshalb der Speichelleckerei bezichtigt, allein: Das Karussell der Intrigen und der Vergebung kann auch als Ironie gelesen werden. Zudem: Er schrieb all das kurz vor seinem Tod, nachsichtig gegenüber der Welt. Die Milde, die Gnade, die Humanität liegen sowieso in Mozarts triumphierend zarter Musik - und nicht in den Äußerlichkeiten der Handlung.
Das ist dann auch das Problem von Günter Krämer:Zzwar hat ihm Herbert Schäfer ein wunderbares, diagonal nach hinten fliehendes Bühnenbild gebaut mit Propaganda-Herrscherbildern wie im Stalinismus, Erotik-Postern wie im Playboy und einem roten Mittelstreifen wie auf der Schnellstraße, die Blutspur des Nahost-Konflikts. Aber das Geschehen verliert sich dann doch in Liebeshändeln Marivauxschen Zuschnitts und Mordkomplotts - der Brandanschlag auf das Kapitol immerhin, den Sextus im Auftrag von Vitella ausführt, hat in psychischer Hinsicht fast die Qualität eines Selbstmord-Attentats.
Die Musik aber fängt das alles ab, mit ihr kann schon auf Erden ein utopisches Zeitalter der Hoffnung beginnen. "Wenn nur alles aus dem Leben getilgt würde, was nicht Liebe ist" singen sie - und das ist bei Krämer nicht als erotischer Wunsch, sondern politisch absolut ernst gemeint.
Der junge Valer Barna-Sabadus singt den Sextus mit ungemein beweglicher, schlanker Counter-Stimme, während der Titus des Lothar Odinius ein sehr reflektierter Tenor ist, stark vor allem in den langsam-sentimentalen Phasen, niemals strahlend, sondern in sich gekehrt. Die Frauen fallen dagegen etwas ab. Der Dirigent Dan Ettinger überzeugt besonders in den getragenen Teilen, setzt lange, spannungsgeladene Pausen auch in den Rezitativen und erzeugt ansonsten einen satten Mozart-Sound, der wechselweise intim oder auch jubilierend daherkommt.
Ist Israel das neue Rom? Diese Gleichung geht nicht wirklich auf, dazu ist die liebestechnische Handlung zu verzwickt. Immerhin: Es geht um die Reue der Attentäter, es geht um das Verzeihen, das den Mächtigen besser ansteht als die Strafe, die wahrscheinlich sinnlos ist. Soweit ist die Nahost-Blende geglückt. Ansonsten: Titus tritt bei Krämer ins Volk zurück, in einen Chor schwarzer Gestalten, er singt sogar Duette und Terzette mit seinen Antipoden - eine demokratische Oper im Schwetzinger Schloss. Und im Publikum sitzt die Politik- und Wirtschafts-Elite des Rhein-Neckar-Raums. Hoffentlich hilft's!
"Clementa di Tito" von Wolfgang Amadeus Mozart
Regie: Günter Krämer
Rokoko-Theater Schwetzingen
Das Vorspiel ist für ihn Programm: Im Schwetzinger Rokoko-Theater kommt eine schwarzgewandete Frau aus der Tiefe des Bühnenraums auf den vorn hockenden Titus zu und klagt ihn der Treulosigkeit an. Warum hast du mich verlassen? Die Frau mit ihrem schwarzen Schleier sieht aus wie eine Araberin, und Titus ist, von heute aus gedacht, dann wohl kein Römer, sondern ein Israeli. Und das heißt: Krämer blendet den Nahost-Konflikt als zweite Ebene über die Handlung der Mozart-Oper.
Der historische, der römische Titus hatte um 70 n. Chr. Jerusalem erobert und verliebte sich dort in die judäische Prinzessin Bérénice; doch die Römer wollten eine einheimische Kaiserin. Racine hat den Konflikt dramatisiert. Mozarts Oper nun, als Auftragswerk für den österreichischen Kaiser Leopold II. geschrieben, bewegt sich in allerlei Liebeshändeln und Eifersüchteleien, bevor sie den einsamen (und von Mord und Totschlag bedrohten) Herrscher Titus zu großer Menschlichkeit auflaufen lässt.
Man hat Mozart deshalb der Speichelleckerei bezichtigt, allein: Das Karussell der Intrigen und der Vergebung kann auch als Ironie gelesen werden. Zudem: Er schrieb all das kurz vor seinem Tod, nachsichtig gegenüber der Welt. Die Milde, die Gnade, die Humanität liegen sowieso in Mozarts triumphierend zarter Musik - und nicht in den Äußerlichkeiten der Handlung.
Das ist dann auch das Problem von Günter Krämer:Zzwar hat ihm Herbert Schäfer ein wunderbares, diagonal nach hinten fliehendes Bühnenbild gebaut mit Propaganda-Herrscherbildern wie im Stalinismus, Erotik-Postern wie im Playboy und einem roten Mittelstreifen wie auf der Schnellstraße, die Blutspur des Nahost-Konflikts. Aber das Geschehen verliert sich dann doch in Liebeshändeln Marivauxschen Zuschnitts und Mordkomplotts - der Brandanschlag auf das Kapitol immerhin, den Sextus im Auftrag von Vitella ausführt, hat in psychischer Hinsicht fast die Qualität eines Selbstmord-Attentats.
Die Musik aber fängt das alles ab, mit ihr kann schon auf Erden ein utopisches Zeitalter der Hoffnung beginnen. "Wenn nur alles aus dem Leben getilgt würde, was nicht Liebe ist" singen sie - und das ist bei Krämer nicht als erotischer Wunsch, sondern politisch absolut ernst gemeint.
Der junge Valer Barna-Sabadus singt den Sextus mit ungemein beweglicher, schlanker Counter-Stimme, während der Titus des Lothar Odinius ein sehr reflektierter Tenor ist, stark vor allem in den langsam-sentimentalen Phasen, niemals strahlend, sondern in sich gekehrt. Die Frauen fallen dagegen etwas ab. Der Dirigent Dan Ettinger überzeugt besonders in den getragenen Teilen, setzt lange, spannungsgeladene Pausen auch in den Rezitativen und erzeugt ansonsten einen satten Mozart-Sound, der wechselweise intim oder auch jubilierend daherkommt.
Ist Israel das neue Rom? Diese Gleichung geht nicht wirklich auf, dazu ist die liebestechnische Handlung zu verzwickt. Immerhin: Es geht um die Reue der Attentäter, es geht um das Verzeihen, das den Mächtigen besser ansteht als die Strafe, die wahrscheinlich sinnlos ist. Soweit ist die Nahost-Blende geglückt. Ansonsten: Titus tritt bei Krämer ins Volk zurück, in einen Chor schwarzer Gestalten, er singt sogar Duette und Terzette mit seinen Antipoden - eine demokratische Oper im Schwetzinger Schloss. Und im Publikum sitzt die Politik- und Wirtschafts-Elite des Rhein-Neckar-Raums. Hoffentlich hilft's!
"Clementa di Tito" von Wolfgang Amadeus Mozart
Regie: Günter Krämer
Rokoko-Theater Schwetzingen