Gönnen Sie sich eine Weihnachtsgans!
Der NRW-Agrarminister Johannes Remmel hat die Geflügelwirtschaft scharf angegriffen. Laut einer Studie, die von ihm in Auftrag gegeben wurde, wird Geflügel in Deutschland in beträchtlichem Umfang mit Antibiotika behandelt. Aber wie hoch sind die Belastungen wirklich?
Unsere Medien haben gerade mit der Geflügelwirtschaft ein Hühnchen gerupft. Es klingt schier unglaublich: Skrupellose Hühnerbarone pumpen ihre Schützlinge mit Antibiotika voll und gefährden damit auch noch unsere Gesundheit. Schließlich können Keime resistent werden. Der nordrhein-westfälische Agrarminister Johannes Remmel verweist dabei auf 15.000 Todesfälle, die durch die sogenannten MRSA, durch resistente Staphylococcen verursacht werden. Ein zu hoher Preis. Und nun steht Weihnachten vor der Tür, und der Bürger fragt sich, ob er es noch wagen kann, eine Gans fürs Festmenü zu ordern.
Der Minister wirft den Mästern vor, sie hätten die Antibiotika als Wachstumsförderer missbraucht. Er schließt dies aus der Tatsache, dass Antibiotika, die für eine erfolgreiche Therapie mindestens drei bis fünf Tage ins Trinkwasser gegeben werden müssen, manchmal nur zwei Tage eingesetzt wurden. Da irrt der Minister: Wenn in einem Stall die ersten Tiere infiziert sind, werden Antibiotika verordnet. Gleichzeitig werden Bakterienkulturen angelegt, um den Erreger zu identifizieren. Das Ergebnis hat man zwei Tage später. Dann wird häufig zu einem spezifischeren Mittel gewechselt. Das ist der simple Grund.
Verdächtig ist etwas anderes: Die Branche gelobte schuldbewusst Besserung. Warum nur? Weil die Deutschen fleißig Geflügel essen – zu fleißig! Dadurch wurden dieses Jahr etwa 100 Millionen Küken mehr benötigt als noch im Vorjahr. Und da unsere Brütereien diesen Bedarf nicht mehr decken konnten, organisierte die Branche Küken aus Osteuropa. Dort nimmt man es mit der Hygiene nicht so genau. Außerdem sind die Tiere von dort mit einer anderen Keimflora behaftet, die man gedankenlos in unsere Ställe verfrachtet hat. Da hilft dann nur noch eine Extraportion Antibiotika. Dazu kommen die hohen Energiepreise. Küken brauchen viel Wärme, da ist die Verlockung groß, Heizkosten zu sparen. Das bekommt den Piepmätzen gar nicht gut.
Wenn die Tiere mit Antibiotika vollgepumpt werden – wie es in den Medien hieß – dann müssen wir uns fragen, was essen wir da alles mit? Im Rahmen des nationalen Kontrollplanes wurden letztes Jahr 16.000 Proben auf Arzneimittel untersucht. Davon enthielten 25 Schweine und ganze zwei Geflügelschlachtkörper Rückstände über den Grenzwerten. Wie erklärt sich diese offensichtliche Diskrepanz? Medikamente werden heute so eingesetzt, dass Fleisch ein rückstandsarmes Produkt ist. Das war nicht immer so, die Mäster haben offenbar dazugelernt.
Und wo kommen nun die resistenten Keime her, die MRSA, die Jahr für Jahr 15.000 Menschenleben fordern? Kämen sie aus den Ställen, dann müssten vor allem Mäster, Tierärzte und Mitarbeiter von Wurstfabriken erkranken. Das ist aber nicht der Fall. Vielleicht wäre es klüger gewesen, wenn sich Minister Remmel vorher bei Experten wie dem Bundesinstitut für Risikobewertung informiert hätte. In dessen Zoonosen-Berichten hätte er lesen können, dass eine "Infektion von Menschen durch den Umgang mit Lebensmitteln oder ihren Verzehr bei Beachtung ... der Küchenhygiene sehr unwahrscheinlich ist". Britische Experten haben dies vor wenigen Wochen durch eigene Untersuchungen bestätigt.
Weil man sich die tödlichen Keime nicht in der Küche, sondern im Krankenhaus holt, nennt man sie nicht umsonst Krankenhauskeime. Da dieser Zusammenhang aller Welt bekannt ist, wird in anderen Ländern nicht die Haltung von Nutzvieh infrage gestellt, sondern gehandelt. In Holland beispielsweise sind seit Jahren kaum noch Todesfälle durch diese üblen Keime zu beklagen. Und das, obwohl das Land intensive Tierhaltung in großem Stile betreibt. Man hat dort auf politische Kaspereien verzichtet und stattdessen die Ärzte geschult – in Sachen Krankenhaushygiene. Das wirkte Wunder!
Leib und Seele werden weder von der Medizin noch von den Medien zusammengehalten, sondern von Speis und Trank. Gönnen Sie sich eine Weihnachtsgans oder genießen Sie Ihr Fondue mit dreierlei Fleischsorten – wenn Sie es denn mögen. Mahlzeit!
Literatur
Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen: Remmel: "Wir haben ein massives Antibiotika-Problem in der Massentierhaltung" Pressemitteilung November 2011
Hartung M: Erreger von Zoonosen in Deutschland im Jahr 2008. BfR Wissenschaft, Berlin 2010
Mather AE et al: An ecologic approach to assessing the epidemiology and antimicrobial resistance in animal and human populations. Proceedings of the Royal Society B 2011/epub ahead of print
LAVES: Tätigkeitsbericht 2010. Oldenburg 2011
Richter A, Hafez HM: Verabreichung von Antibiotika in Geflügelbeständen. Fachpraxis 2007; H.52: 40-45
Linde HJ, Lehn N: Community-associated MRSA: Klinik, Therapie, Hygiene. Krankenhaushygiene 2008; up2date 3: 29-44
Dekker TJA, van den Broek PJ: Successful control of MRSA spread in Dutch Hospitals. International Journal of Infection Control 2010; 6: e1
Köck R et al: Methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA): burden of disease and control challenges in Europe. Euro Surveillance 2010; 15: pii=19688
Der Minister wirft den Mästern vor, sie hätten die Antibiotika als Wachstumsförderer missbraucht. Er schließt dies aus der Tatsache, dass Antibiotika, die für eine erfolgreiche Therapie mindestens drei bis fünf Tage ins Trinkwasser gegeben werden müssen, manchmal nur zwei Tage eingesetzt wurden. Da irrt der Minister: Wenn in einem Stall die ersten Tiere infiziert sind, werden Antibiotika verordnet. Gleichzeitig werden Bakterienkulturen angelegt, um den Erreger zu identifizieren. Das Ergebnis hat man zwei Tage später. Dann wird häufig zu einem spezifischeren Mittel gewechselt. Das ist der simple Grund.
Verdächtig ist etwas anderes: Die Branche gelobte schuldbewusst Besserung. Warum nur? Weil die Deutschen fleißig Geflügel essen – zu fleißig! Dadurch wurden dieses Jahr etwa 100 Millionen Küken mehr benötigt als noch im Vorjahr. Und da unsere Brütereien diesen Bedarf nicht mehr decken konnten, organisierte die Branche Küken aus Osteuropa. Dort nimmt man es mit der Hygiene nicht so genau. Außerdem sind die Tiere von dort mit einer anderen Keimflora behaftet, die man gedankenlos in unsere Ställe verfrachtet hat. Da hilft dann nur noch eine Extraportion Antibiotika. Dazu kommen die hohen Energiepreise. Küken brauchen viel Wärme, da ist die Verlockung groß, Heizkosten zu sparen. Das bekommt den Piepmätzen gar nicht gut.
Wenn die Tiere mit Antibiotika vollgepumpt werden – wie es in den Medien hieß – dann müssen wir uns fragen, was essen wir da alles mit? Im Rahmen des nationalen Kontrollplanes wurden letztes Jahr 16.000 Proben auf Arzneimittel untersucht. Davon enthielten 25 Schweine und ganze zwei Geflügelschlachtkörper Rückstände über den Grenzwerten. Wie erklärt sich diese offensichtliche Diskrepanz? Medikamente werden heute so eingesetzt, dass Fleisch ein rückstandsarmes Produkt ist. Das war nicht immer so, die Mäster haben offenbar dazugelernt.
Und wo kommen nun die resistenten Keime her, die MRSA, die Jahr für Jahr 15.000 Menschenleben fordern? Kämen sie aus den Ställen, dann müssten vor allem Mäster, Tierärzte und Mitarbeiter von Wurstfabriken erkranken. Das ist aber nicht der Fall. Vielleicht wäre es klüger gewesen, wenn sich Minister Remmel vorher bei Experten wie dem Bundesinstitut für Risikobewertung informiert hätte. In dessen Zoonosen-Berichten hätte er lesen können, dass eine "Infektion von Menschen durch den Umgang mit Lebensmitteln oder ihren Verzehr bei Beachtung ... der Küchenhygiene sehr unwahrscheinlich ist". Britische Experten haben dies vor wenigen Wochen durch eigene Untersuchungen bestätigt.
Weil man sich die tödlichen Keime nicht in der Küche, sondern im Krankenhaus holt, nennt man sie nicht umsonst Krankenhauskeime. Da dieser Zusammenhang aller Welt bekannt ist, wird in anderen Ländern nicht die Haltung von Nutzvieh infrage gestellt, sondern gehandelt. In Holland beispielsweise sind seit Jahren kaum noch Todesfälle durch diese üblen Keime zu beklagen. Und das, obwohl das Land intensive Tierhaltung in großem Stile betreibt. Man hat dort auf politische Kaspereien verzichtet und stattdessen die Ärzte geschult – in Sachen Krankenhaushygiene. Das wirkte Wunder!
Leib und Seele werden weder von der Medizin noch von den Medien zusammengehalten, sondern von Speis und Trank. Gönnen Sie sich eine Weihnachtsgans oder genießen Sie Ihr Fondue mit dreierlei Fleischsorten – wenn Sie es denn mögen. Mahlzeit!
Literatur
Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen: Remmel: "Wir haben ein massives Antibiotika-Problem in der Massentierhaltung" Pressemitteilung November 2011
Hartung M: Erreger von Zoonosen in Deutschland im Jahr 2008. BfR Wissenschaft, Berlin 2010
Mather AE et al: An ecologic approach to assessing the epidemiology and antimicrobial resistance in animal and human populations. Proceedings of the Royal Society B 2011/epub ahead of print
LAVES: Tätigkeitsbericht 2010. Oldenburg 2011
Richter A, Hafez HM: Verabreichung von Antibiotika in Geflügelbeständen. Fachpraxis 2007; H.52: 40-45
Linde HJ, Lehn N: Community-associated MRSA: Klinik, Therapie, Hygiene. Krankenhaushygiene 2008; up2date 3: 29-44
Dekker TJA, van den Broek PJ: Successful control of MRSA spread in Dutch Hospitals. International Journal of Infection Control 2010; 6: e1
Köck R et al: Methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA): burden of disease and control challenges in Europe. Euro Surveillance 2010; 15: pii=19688