Goethe in Geldnot

Von Knut Cordsen |
Die Arbeit der weltweit tätigen Goethe-Instituts gilt seit jeher als "Dritte Säule" der deutschen Außenpolitik. Doch ist diese Säule nicht mehr sicher, das Auswärtige Amt hat die Aufwendungen für die Goethe-Institute erheblich gekürzt. Die Präsidentin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach, will der Haushaltskrise mit Umstrukturierungen bis hin zu Auflösungen einzelner Standorte begegnen.
Jutta Limbach: "Was jetzt gefordert ist, ist wirklich die Phantasie."

Da kann man ihr nur beipflichten, der Präsidentin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach. Denn womit sich das Goethe-Institut derzeit konfrontiert sieht, das ist eine "strukturelle Haushaltskrise", die nach internen Papieren, die in der Münchner Zentrale des Goethe-Instituts kursieren, den krassesten Einschnitt in der Geschichte der deutschen Auslandskulturarbeit zur Folge haben werden.

Die Anzahl der Goethe-Institute weltweit, sie sinkt deutlich von Jahr zu Jahr. Gab es 1999 noch 153 Goethe-Institute, waren es 2004 nur noch 142, jetzt sind es nurmehr 128. Doch damit nicht genug. Bald werden es noch weitaus weniger sein. Nach Dokumenten aus der Münchner Zentrale des Goethe-Instituts denkt man über "die Schließung von 40 bis 60 Auslandsinstituten" nach. Das bedeutete nahezu die Halbierung der bisher vorhandenen Goethe-Dependancen - ein denkbar harter Schnitt.

Offiziell sind diese Zahlen noch nicht, hausintern aber werden sie als "unausweichlich" bezeichnet. "Drastische Maßnahmen" - auch die Präsidenten Jutta Limbach spricht vom "dramatischen Abspeckprozess", der bevorsteht, ohne jedoch konkret zu werden.

"Die Frage ist wirklich noch nicht beantwortet, welche Institute geschlossen werden wollen, sollen."

Die vielbeschworene "dritte Säule" der deutschen Außenpolitik, sie wankt, ja mehr noch: an ihr wird kräftig gesägt. Vom Auswärtigen Amt fließen immer weniger Gelder, der Mittlerorganisation gehen die Mittel aus. Die Zuwendungen sinken: von gut 123 Millionen Euro im Jahr 2001 auf voraussichtlich knapp 107 Millionen in diesem Jahr. Von "raschen Abwicklungen" und notwendiger "Netzwerkstraffung" ist die Rede.

Verschiedene "Szenarien" werden derzeit durchgespielt in der Zentrale des Goethe-Instituts: die Internet-Aktivitäten sollen ausgebaut werden, dadurch aber würde die wichtige Arbeit des Goethe-Instituts in immer virtuellere Räume gleiten. Man möchte bisher bestehende Institute ersetzen durch "andere Präsenzformen", z.B. "Informationszentren", "Mediatheken" und so genannte "Dialogpunkte", die "zukünftig ebenfalls unter der Marke 'Goethe' arbeiten" könnten, sich aber schon begrifflich im äußerst vagen Bereich bewegen. Jutta Limbach sieht darin kein Problem.

"Warum sollte nicht ein Günter Grass auch in einem Dialogpunkt lesen? So ist doch für Jemen und andere Gebiete gedacht. Warum sollten wir nicht in einem unserer Lesesäle z.B. in Pjöngjang auch eine Diskussionsveranstaltung, eine Filmwoche oder eine Ausstellung machen?"

Ohne Zweifel besteht "dringender Handlungsbedarf". Es gibt massive Ungleichgewichte. In Italien z.B. ist das Goethe-Institut - vielleicht dank der "Italienischen Reise" seines Namenspatrons - in sieben Städten vertreten - in Rom, Neapel, Turin, Mailand, Genua, Triest und Palermo, in China gerade mal in zwei Städten, Peking und Shanghai. Ein Witz angesichts der wachsenden Bedeutung Chinas. Hier muss man anders gewichten und die Goethe-Zentrale will "neue Schwerpunkte in China, Indien und der islamisch geprägten Welt setzen".

Limbach: "Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist uns klar, dass wir nicht mehr 42 Prozent unseres Budgets nach Westeuropa geben können, sondern dass wir auch darüber nachdenken müssen: Was machen wir mit dem Nahen Osten? Was machen wir in Indien und Asien, und da müssen Umschichtungen des Budgets notwendigerweise stattfinden."

Jutta Limbach spricht davon, dass es wichtig sei, zu kooperieren mit im europäischen Ausland tätigen Stiftungen oder dem British Council und dem Instituto Cervantes. Und sie sagt, dass einzelne europäische Goethe-Institute zugunsten des Mittleren und Fernen Ostens "möglicherweise eingeschrumpft" werden.

"Es geht nicht darum, irgendwo Aufmerksamkeit abzuziehen, sondern es geht darum, die Mittel gerecht zu verteilen, auf dass man möglichst fast allen Regionen dieser Welt die notwendige Aufmerksamkeit im Rahmen des Kulturaustauschs zukehren kann."

Fraglich aber ist, ob das zur Kostenersparnis angestrebte "konsequente Controlling" der Goethe-Institute der richtige Weg ist, denn hier folgt man allzu eilfertig gängigen, nicht auf Kultur anwendbaren ökonomischen Kriterien. Anhand einer so genannten "Balanced Scorecard", einer ausgewogenen Wertungsliste, eines Punktezettels, soll bald ermittelt werden, wie es z.B. um die "Kundenorientierung" in den Goethe-Instituten von Windhoek, Caracas oder Tallinn steht.

Aber kann so etwas die Lösung sein, lässt sich der Wert von Auslandskulturarbeit wirklich anhand eines in der Betriebswirtschaft genutzten Kennzahlensystems ermitteln? Prinzipiell ist die geplante "Evaluation" der Arbeit der Goethe-Institute nur wünschenswert. Die Programmpolitik in den einzelnen Häusern nimmt mitunter bizarre Züge an, derart, dass im Goethe-Institut Osaka im vorigen Jahr ein Vortrag über "150 Jahre Litfass-Säule" gehalten wurde, während im Goethe-Institut Manila eine deutsche Jazz-Sängerin einen "Musik-Workshop" veranstaltete.

In Accra, der Hauptstadt von Ghana, waren im Goethe-Institut "UfA-Filmplakate von 1918 bis 1943" zu sehen - ist das wirklich sinnvoll? Fieberte Dhaka, welches in Bangladesh liegt, wirklich der im dortigen Goethe-Institut gezeigten "Karl-Valentin-Retrospektive" entgegen? Man darf dies bezweifeln. Das Goethe-Institut wird sein Gesicht radikal verändern, ob es dieses wahren kann, bleibt offen. Am wichtigsten sei aber, so Jutta Limbach, das Auswärtige Amt von der enormen Relevanz der Goethe-Institute zu überzeugen.

"Wenn dem Auswärtigen Amt, wo ich gar keinen Zweifel zu hegen habe, und der Politik allgemein an diesem Goethe-Netz liegt, dann muss das auch was wert sein."
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