Kein Goethe mehr in San Francisco?
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Etwa zehn Prozent weniger Budget stehen dem weltweit operierenden Goethe-Institut mit dem geplanten Haushaltsentwurf bevor. Eigentlich bräuchte man in der Region Nordamerika 1,5 Millionen Euro mehr, so die Leitung vor Ort. Der Euro verliere an Wert.
Boston, Chicago, Los Angeles, New York, Washington und – noch – San Francisco, so lauten die Standorte des Goethe-Instituts in Nordamerika. Fällt San Francisco womöglich bald weg? Im Vergleich zu 2021 muss das Institut im kommenden Jahr mit 26 Millionen Euro weniger kalkulieren, so zumindest der Haushaltsentwurf. Eine Herausforderung.
Seit drei Jahren leitet Noémie Njangiru die deutsche Kultureinrichtung am Golden Gate. Sie kam zu einer Zeit, als aus Kostengründen bereits an einen Umzug des Instituts gedacht war. 30 Jahre lang logierte das Institut direkt neben dem Eingang zu Chinatown, doch der Hausbesitzer kündigte an, mit dem Auslaufen des aktuellen Vertrages die Miete, die in Downtown San Francisco eh schon hoch ist, um ganze 90 Prozent anzuheben. Die Covid-Pandemie brachte einen Aufschub, doch nun steht der Umzug an. 40 Prozent Kosten des ursprünglichen Mietvertrags werden fortan eingespart.
Der Euro ist derzeit weniger wert
Doch das reicht noch lange nicht, sollten die angekündigten Kürzungen im Bundeshaushalt durchgesetzt werden, erklärt Noémie Njangiru. Und sie verweist auf ein weiteres Problem, mit dem man derzeit umgehen muss: "Der Euro hat ja allein im letzten Jahr einen Wertverlust zum Dollar von 15 Prozent gehabt. Für uns ist das in soweit ein großes Problem, weil wir die Gehälter unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unsere Miete in Dollar bezahlen. Das heißt, wir haben eigentlich einen Mehrbedarf, weil wir mehr Geld brauchen, um an den Dollar ranzukommen. Und das ist inzwischen ein Mehrbedarf von 1,5 Millionen in der Region Nordamerika."
Gespart wird seit 2019 nicht nur bei der Miete. Auch bei den Deutschprogrammen arbeiten die Goethe-Institute an den verschiedenen Standorten in den USA enger zusammen. Entstanden ist das sogenannte “Pooling”, eine Mischung aus Präsenzunterricht und Online-Klassen, erklärt die Leiterin des Goethe-Instituts San Francisco: "Das Sprachangebot an acht Standorten wird nur noch an einem Standort koordiniert, gleichzeitig aber das Angebot an einem Ort erhöht." So habe man jetzt ein viel größeres Portfolio. "Gewisse Aufgaben, wie die Fortbildung von Deutschlehrern, konnten wir zusammenlegen. Wir sparen deutlich Ressourcen."
Schließung in San Francisco nicht ausgeschlossen
Und nun soll also noch mehr gespart werden. In San Francisco will man nicht ausschließen, dass das Institut schlimmstenfalls geschlossen werden muss. Die Programmarbeit der Goethe-Institute hat sich in den vergangenen Jahren bereits massiv gewandelt. Im Gespräch verweist Noémie Njangiru immer wieder darauf, dass man längst kosteneffizienter arbeite.
In San Francisco geht es schwerpunktmäßig um Design, neue Technologien und künstliche Intelligenz, um den zeitgenössischen Film, immer in Verbindung mit Partnern vor Ort. Dazu noch Sprachkurse und eine pädagogische Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten in zwölf westlichen US-Bundesstaaten, die vom Goethe-Institut aus San Francisco betreut und versorgt werden.
Endgültige Etat-Entscheidung im November
Für den aktiven Kulturaustausch braucht es aber die notwendigen finanziellen Mittel. Natürlich, meint Noemie Njangiru, sei die Frage berechtigt, warum ausgerechnet das Budget der Goethe-Institute nicht beschnitten werden sollte und ergänzt dann: "Die vergangenen Jahrzehnte unserer Arbeit haben gezeigt, dass Kulturakteure oft nicht nur Seismografen für Veränderungen in ihrer Gesellschaft sind, sondern sie ermöglichen uns, über Themen zu sprechen, über die man sonst nicht so einfach sprechen kann." Gerade jetzt, in dieser Phase der vielen Krisen, bräuchten wir viel mehr dieser Verständigung, so Njangiru.
Die Mittel für 2022 sind laut Goethe-Institut von 250 Millionen Euro im Vorjahr auf 233 Millionen Euro reduziert worden. Für 2023 sehe der Haushaltsentwurf der Bundesregierung nun eine Kürzung auf 224 Millionen Euro vor. Mitte November wird der Bundestag darüber entscheiden. Bis dahin kann der Entwurf noch geändert werden.